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Schrauben und Schraubverbindungen – das sollte der Konstrukteur wissen

Grundlagen der Verbindungstechnik im Maschinen- und Anlagenbau
Schrauben und Schraubverbindungen – das sollte der Konstrukteur wissen

Schraubverbindungen bieten viele Vorteile. Wenn die Verbindung aber falsch konstruiert oder die Schraube falsch angezogen wurde, kann sie sich auch lockern, sogar reißen – oder das Material kann brechen. Erst die richtige Auslegung der Schraubverbindung stellt sicher, dass die Verbindung hält. Wir zeigen auf, wie Konstrukteur:innen vorgehen können und welche Normen oder Richtlinien gelten.

Thomas Preuß, Fachjournalist in Königswinter, turmpresse.de


Zu den Grundlagen der Verbindungstechnik sind von Thomas Preuß erschienen:


Inhaltsverzeichnis
1. VDI 2230 hilft Konstrukteuren, Schraubverbindungen auszulegen und zu optimieren
2. Weitere Normen zu Schraubverbindungen
3. Erforderliche Klemmkraft auf Basis der Belastungsanforderungen berechnen
4. Eine zu kurze Gewindelänge schwächt die Schraubverbindung, eine zu lange wird zu teuer
5. Standardisierte Prozesse schützen – von der Konstruktion bis zur Qualitätssicherung
6. Die Serie „Grundlagen der Schraubtechnik“ im Überblick

VDI 2230 hilft Konstrukteuren, Schraubverbindungen auszulegen und zu optimieren

Die wichtigste und weltweit seit Jahrzehnten anerkannte Norm für die Auslegung von Schraubverbindungen ist die Richtlinie VDI 2230 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) mit dem Titel „Systematische Berechnung hochbeanspruchter Schraubenverbindungen“. Sie liefert eine standardisierte Methode zur Berechnung und Auslegung von Schraubenverbindungen unter hohen Beanspruchungen. Konstrukteure nutzen die VDI 2230 aber auch zur Optimierung und Sicherheitsbewertung von Schraubverbindungen. Das heißt:

  1. Die Richtlinie bietet eine systematische Methode zur Berechnung von Schraubverbindungen unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren wie Belastungen, Vorspannkraft, Reibung, Dichtungselementen usw. Sie ermöglicht eine zuverlässige Dimensionierung der Schraubverbindung, um deren Festigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
  2. Durch die Anwendung der VDI 2230 kann ein Konstrukteur verschiedene Parameter der Schraubverbindung analysieren und optimieren, um die Leistung und Zuverlässigkeit zu verbessern. Dies umfasst die Auswahl geeigneter Schrauben, Gewindetypen, Dichtungen und Oberflächenbeschichtungen, um die Anforderungen des spezifischen Anwendungsfalls zu erfüllen.
  3. Auch hilft die VDI 2230 bei der Bewertung der Sicherheit von Schraubverbindungen, und sie ermöglicht die Überprüfung, ob die ausgelegte Verbindung den Anforderungen standhält und ausreichende Sicherheitsreserven aufweist. Dies ist besonders wichtig in sicherheitskritischen Anwendungen, bei denen ein Versagen der Schraubverbindung katastrophale Folgen haben kann.

Übrigens: Welche Arten von Schrauben es gibt und welche Bezeichnungen verwendet werden, klärt unser Beitrag „Was ein Konstrukteur über Schrauben, Muttern und Gewinde wissen muss“.

Was ein Konstrukteur über Schrauben, Muttern und Gewinde wissen muss

Weitere Normen zu Schraubverbindungen

Außerdem sollten Konstrukteur:innen von Maschinen oder Anlagen, die mit Schraubverbindungen hergestellt werden, die in einigen weiteren Norman und Richtlinien festgelegten Verfahren und Anforderungen berücksichtigen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Die DIN EN ISO 898 legt die mechanischen und chemischen Anforderungen an Schrauben, Bolzen und Muttern aus Kohlenstoffstahl oder legiertem Stahl fest. Sie enthält Informationen zur Festigkeitsklasse, zur Zugfestigkeit, zur Härte und zur chemischen Zusammensetzung der Schrauben.
  • Die DIN EN ISO 16047 beschreibt das Verfahren zur Bestimmung der Vorspannkraft bei Schraubenverbindungen. Sie legt die Prüfverfahren für die Bestimmung der Vorspannkraft unter Verwendung von Drehmomentverfahren oder Verfahren mit direkter Messung fest.
  • Die DIN EN ISO 10642 spezifiziert die Anforderungen für Zylinderschrauben mit Innensechskant, die in Maschinen und Konstruktionen verwendet werden. Sie legt die Maße, Toleranzen, Festigkeitsklassen und Oberflächenbeschichtungen für diese Schrauben fest.
  • Diese ISO 724 wiederum definiert die Grundmaße: Sie enthält Angaben zu Gewindenormen, Gewindeabmessungen und Toleranzen für metrische Gewinde, einschließlich metrischer Schraubengewinde.

Erforderliche Klemmkraft auf Basis der Belastungsanforderungen berechnen

Geht es dann um die konkrete Auslegung einer Schraubverbindung, sollte der Konstrukteur einerseits die Belastungsanforderungen der Schraubverbindung kennen sowie andererseits die Werkstoffe der zu verbindenden Teile und der Schraube auf ihre Eignung bezüglich Festigkeit, Korrosions- und Temperaturbeständigkeit geprüft haben. Hinzu kommt die Klemmkraft, die entscheidend für die Festigkeit und Stabilität der Verbindung ist, sowie mittelbar die Vorspannung in der Schraube, die die Klemmkraft erzeugt. Der Konstrukteur muss die erforderliche Klemmkraft berechnen, um die Belastungsanforderungen zu erfüllen. Dies umfasst die Berücksichtigung von Faktoren wie Reibung, Verspannung, Setzeffekten und Toleranzen.

Die richtige Vorspannkraft ist wichtig, um ein Überdehnen der Schraube oder eine zu geringe Klemmkraft zu vermeiden. Sie wird über ein festzulegendes Anzieh-Drehmoment erreicht. Wie man dabei idealerweise vorgeht, ist unter anderem auch in der VDI 2230 hinterlegt. Wir haben dazu ein paar weiterführende Hinweise in unserem Beitrag „Normen, Richtlinien und Rechenschritte für die Auslegung einer Schraubenverbindung“ formuliert. Dort finden Sie zudem noch einige weitere Normen für spezielle Anwendungen, etwa im Druckgeräte- und Rohrleitungsbau sowie im Stahlbau.

Normen, Richtlinien und Auslegung einer Schraubverbindung

Eine zu kurze Gewindelänge schwächt die Schraubverbindung, eine zu lange wird zu teuer

Auch die Länge und Tiefe des Gewindes in den verbundenen Teilen und in der Schraube selbst müssen angemessen dimensioniert werden, um eine ausreichende Gewindeauflagefläche und Kraftübertragung sicherzustellen. Ist das Gewinde zu kurz, kann dies zu einer schwachen Verbindung führen, während ein zu langes Gewinde unnötige Kosten und Gewicht verursachen kann.

Nicht zuletzt muss die Konstruktion die richtige Schraubenart und Festigkeitsklasse auswählen, um eine belastbare Schraubverbindung herzustellen. Auch die Einbausituation und die Zugänglichkeit der Verbindung sollte schon beim Design der Konstruktion berücksichtigt werden. Es sollte ausreichend Platz für die Montage, etwaige Nacharbeit oder auch den Austausch der Schraube vorhanden sein. Gegebenenfalls können spezielle Werkzeuge oder Vorrichtungen erforderlich sein.

Standardisierte Prozesse schützen – von der Konstruktion bis zur Qualitätssicherung

Hierfür sind ein enger Austausch und eine gute Zusammenarbeit der Konstruktionsabteilung mit den Experten der Produktion erforderlich. Das gilt auch für die Festlegung der Schraubfallklassen: Für Hersteller ist es wichtig zu wissen, dass sie von der Rechtsprechung tendenziell in Haftung genommen werden können, wenn sie nicht nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gefertigt haben. Bei Beanstandungen müssen Industriebetriebe nachweisen, dass sie ein „sicheres“ Produkt geliefert haben. Um das belegen zu können, sollten Fertigungsprozesse von der Konstruktion bis zur Qualitätssicherung mithilfe von Normen und anderen Richtlinien standardisiert werden. Details dazu liefert unser Beitrag „Schrauben – Werkstoffe, Herstellung und Prüfbescheinigungen“.

Schrauben – Werkstoffe, Herstellung und Prüfbescheinigungen

Im Zusammenhang mit der Schraubmontage sind an allererster Stelle die VDE/VDE 2862 (fachgerechte Montage) und VDI/VDE 2645 (Prüfprozess) zu nennen. In der Automobilindustrie ist die VDI/VDE 2862, Blatt 1, schon länger bekannt; seit 2015 gilt nun die VDI/VDE 2862, Blatt 2, auch für den allgemeinen Maschinenbau und damit für alle Betriebe, die Produkte mit Schraubverbindungen herstellen. Die Norm definiert Mindestanforderungen für den Einsatz von Schraubsystemen und -werkzeugen und beschreibt diese in Abhängigkeit von der Gefahr, die von einer versagenden Schraube ausgeht:

  • Kategorie A umfasst sicherheitskritische Verschraubungen (mit Gefahr für Leib und Leben),
  • Kategorie B die funktionskritischen (bei einem Ausfall funktioniert das Produkt nicht), und
  • Kategorie C sammelt die unkritischen (alle, für die nicht A und nicht B gilt).

Wer sich nach den Vorgaben dieser Norm richtet, erkennt Fehler im Werk rechtzeitig, vermeidet teure Rückrufaktionen und ist rechtlich im Zweifel auf der sicheren Seite.

Zwar sehen die meisten Betriebe die Entscheidungen für ein bestimmtes Werkzeug in der Verantwortung der Betriebs-, Produktions- oder Montageleitung. Doch die Klassifizierung der Schrauben selbst wird zuvor in der Regel in den Konstruktionsabteilungen vorgenommen!


Die Serie „Grundlagen der Schraubtechnik“ im Überblick

Informationen zur Auslegung von Schraubverbindungen finden Sie in unserer Serie Grundlagen der Schraubtechnik, von der bislang die folgenden Teile erschienen sind:

Systems Engineering im Fokus

Ingenieure bei der Teambesprechung

Mechanik, Elektrik und Software im Griff

Video-Tipp

Unterwegs zum Thema Metaverse auf der Hannover Messe...

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