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Welche Verbindungstechnik sollte ein Konstrukteur wählen?

Grundlagen der Verbindungstechnik im Maschinen- und Anlagenbau
Schweißen, schrauben oder nieten? Welche Verbindungstechnik sollte ein Konstrukteur wählen?

Wie findet ein Konstrukteur die am besten geeignete Verbindungstechnik für sein Vorhaben – sei es eine Brücke oder eine kleine Maschine? Welche Vor- und Nachteile hat das Schweißen zum Beispiel gegenüber dem Schrauben oder Nieten? Welche Einflussfaktoren muss ich berücksichtigen, um die Verbindungen und meine gesamte Konstruktion sicher, zuverlässig und funktionsfähig auszulegen?

Thomas Preuß, Fachjournalist in Königswinter, turmpresse.de


Zu den Grundlagen der Verbindungstechnik sind von Thomas Preuß erschienen:


Inhaltsverzeichnis
1. Schweißen ist flexibler als Schrauben und weniger korrosionsanfällig
2. Die bevorzugte Verbindungstechnik für heutige Stahlbrücken ist das Schweißen
3. Wie finde ich die beste Verbindungstechnik für ein beliebiges Stahlbau-Projekt, insbesondere im industriellen Anlagenbau?
4. Schweißen versus Schrauben – Vor- und Nachteile der beiden Fügeverfahren

Was haben der Eiffelturm, die Golden Gate Bridge oder die Tower Bridge gemeinsam? Sie sind stählerne Wunder der Konstruktionskunst, auf die viel Gehirnschmalz und viel Verbindungstechnik verwendet wurde. Die über 18.000 Einzelteile des Eiffelturms wurden mit 2,5 Millionen Nieten gefügt, um den hohen Belastungen standzuhalten – und weil das verwendete Schmiedeeisen zwar besonders haltbar ist, wegen seines geringen Kohlenstoffgehalts aber nicht geschweißt werden konnte.

Auch die Golden Gate Bridge, bekannteste Hängebrücke der Welt, ist ein Wunderwerk. Sie ist so elastisch konstruiert, dass sie selbst starken Stürmen standhält und 1989 ein Erdbeben überstand, das die Bucht von San Francisco mit einer Stärke von 7,1 auf der Richterskala erschütterte. Unter Fügetechnikern ist die Brücke für ihre 1,2 Millionen Nieten bekannt, die die Pfeiler zusammenhalten. Bei der Verbindung der Fahrbahn mit den Stahlträgern spielte wiederum das Bolzenschweißen eine wichtige Rolle.

Schweißen ist flexibler als Schrauben und weniger korrosionsanfällig

Dagegen sind Schraubenverbindungen an größeren Brücken seltener zu finden. Das liegt daran, dass große Brücken oft mit Hohlkammerquerschnitten konstruiert werden, weil diese Torsionsspannungen gut ertragen und für den Korrosionsschutz nur die Außenseite berücksichtigt werden muss. Da Hohlkammerquerschnitte nur von einer Seite erreicht werden können, liegt das Schweißen als Verbindungstechnik näher als der Einsatz von Schraubenverbindungen. Hinzu kommt das Thema Toleranz- und Versatzausgleich: Bei Schraubenverbindungen ist die Toleranz innerhalb der konstruktiven Strukturen sehr gering: Die Schrauben müssen in die jeweiligen Bohrungen passen. Auch das spricht für das flexiblere Schweißen, mit dem etwaiger Versatz kompensiert werden kann.

Trotzdem findet man auch an Brückenkonstruktionen zuweilen Schrauben: am ehesten an Sekundärstrukturen, wie Geländern oder Lärmschutzwänden. Gelegentlich werden auch Primärstrukturen verschraubt, etwa Seilklemmen, Lager oder Fahrbahnübergänge. An (früher gängigen) Fachwerk- sowie (aktuell noch) Behelfsbrücken, die nach einiger Zeit wieder demontiert und versetzt werden sollen, sind Verschraubungen dagegen eine durchaus übliche, vielleicht die vorherrschende Verbindungsmethode.

Die bevorzugte Verbindungstechnik
für heutige Stahlbrücken ist das Schweißen

Letztlich wird die beste Art der Verbindungstechnik bei einer Brücke, wie bei vielen anderen Bauwerken und Bauteilen, von mehreren Faktoren bestimmt. Dazu zählen die Größe und Art der Konstruktion, der zu überwindende Abstand sowie die Lasten, die zu tragen sind oder denen die Konstruktion standhalten muss. Alle Verbindungen müssen fest, sicher und dauerhaft stabil sein, um einen zuverlässigen Betrieb sicherzustellen.

Seit knapp 100 Jahren werden große (Brücken-)Stahlkonstruktionen in nennenswertem Maße geschweißt. Erste geschweißte Eisenbahn- und Straßenbrücken sind vom Ende der 1920er Jahre überliefert. Das erklärt, weshalb die Tower Bridge, 1894 eröffnet, noch „nur“ genietet wurde (mit rund 2 Millionen Nieten), während an der Golden Gate Bridge in den 1930er Jahren zum Teil schon geschweißt wurde.

Heute werden Stahlbrücken ganz überwiegend geschweißt, da das Verfahren eine schnelle und effiziente Möglichkeit bietet, Bauteile verschiedenster Formen und Größen miteinander zu verbinden und keine zusätzlichen Bauteile erfordert, wie Schrauben oder Nägel. Aus Gründen der Stabilität werden vor allem bei sehr belasteten Verbindungen weiterhin auch genietete und geschraubte Verbindungen verwendet.

Wie finde ich die beste Verbindungstechnik für ein beliebiges
Stahlbau-Projekt, insbesondere im industriellen Anlagenbau?

Hier auf www.kem.de wollen wir einen konstruktiven Überblick über die wichtigsten Verbindungstechniken geben. Dazu gehören ein Vergleich und die Abgrenzung einzelner Verfahren untereinander. Doch wie findet man die beste Verbindungstechnik für ein beliebiges (Stahlbau-) oder anderes Projekt im industriellen Anlagenbau? Dies können wir an dieser Stelle selbstverständlich nur anreißen. Vorweg: Jedes Verfahren hat seine Berechtigung; es gibt keine „beste“ Verbindungstechnik für alle Vorhaben in der Industrie. Jedes Projekt hat seine spezifischen Anforderungen.

Folgende Einflussfaktoren müssen bei der Wahl des Verfahrens berücksichtigt werden, um die Verbindungen sicher, zuverlässig und funktionsfähig auszulegen:

  • Werkstoffe: Die Wahl der Verbindungstechnik hängt von den Materialien ab, die miteinander verbunden werden sollen. So eignet sich für Holz a priori eher eine Schraubenverbindung, während für Stahl tendenziell eine Schweißverbindung geeigneter ist. Um herauszufinden, ob das gewählte Material für ein bestimmtes Schweißverfahren geeignet ist, müssen auch die spezifischen Materialeigenschaften berücksichtigt werden, wie Festigkeit, Härte und Duktilität.
  • Belastung: Die Verbindung – und die gesamte Konstruktion – muss in der Lage sein, die Lasten aufzunehmen, denen sie ausgesetzt sein wird. Berücksichtigen Sie die Stabilität des Bauteils ebenso wie die Festigkeit des Fügeelements und die Integrität Ihrer Konstruktion. Belastungen entstehen durch Gewicht, Druck, Zug- und Scherkräfte. Auch wie sich die Lasten auf die verschiedenen Verbindungen verteilen, muss geklärt werden.
  • Geometrie: Die Geometrie der Teile und die Zugänglichkeit der Fügestellen spielt eine wichtige Rolle, um die beste Methode zur Herstellung der Verbindung zu bestimmen.
  • Umgebungsbedingungen: Das gewählte Fügeverfahren muss auf die Umgebungsbedingungen abgestimmt werden, unter denen die Konstruktion eines Tages in Betrieb sein wird, wie Temperatur, (Luft-)Feuchtigkeit oder Korrosionsanfälligkeit. Siehe oben: Schweißnähte sind für Feuchtigkeit und Korrosion weniger anfällig als Schraubverbindungen.
  • Ansprüche an Sicherheit und Zuverlässigkeit: Eigentlich selbstverständlich, trotzdem gehört dieser Punkt in die Aufzählung. Die Verbindungstechnik sollte zuverlässig und sicher sein, damit die Konstruktion im Laufe der Zeit nicht versagt und zum Beispiel die Brücke nicht auseinanderfällt. Genauso darf sich beim Autofahren nicht die Verschraubung der Lenkachse, der Sicherheitsgurte oder eine Radmutter lösen. Hier geht es dann zum Beispiel nicht mehr nur um das Verfahren an sich, sondern etwa auch um eine konkrete Schraubstrategie.
  • Kosten: Den Aufwand für Materialien, Werkzeuge und Arbeitszeit, der mit dem gewählten Fügeverfahren im Vergleich zu Alternativen einhergeht, sollten Sie in Ihre Überlegungen einbeziehen.
  • Gesetzliche Vorschriften: Schließlich müssen die geltenden Normen und Vorschriften für das jeweilige Fügeverfahren berücksichtigt werden, um sichere und zuverlässige Verbindungen zu erhalten.

Bewerten Sie Ihre Anforderungen und Randbedingungen gründlich und ziehen gegebenenfalls einen Fachmann oder eine Fachfrau zu Rate. Noch ein Tipp in Richtung „Soft Skills“: Als Konstrukteur müssen Sie mit vielen verschiedenen Parteien kommunizieren, wie Betriebs- und Projektleitung, Ihren Kunden, Ingenieuren und vielleicht Architekten, Zulieferern und Behörden.

Schweißen versus Schrauben –
Vor- und Nachteile der beiden Fügeverfahren

Nehmen wir nun an, Sie haben bei Ihrer Konstruktion prinzipiell die Auswahl zwischen Schraub- und Schweißtechnik. Dann hilft Ihnen vielleicht der Vergleich der Vor- und Nachteile des Schweißens gegenüber dem Schrauben. Zunächst die Vorteile:

  • Höhere Festigkeit: Durch das Schweißen werden Teile miteinander verschmolzen, womit Schweißverbindungen per se stärker sind als Schraubenverbindungen.
  • Wasserdichtigkeit: Schweißverbindungen sind wasserdicht. Daher eignen sie sich besonders für den Einsatz in feuchten oder nassen Umgebungen, etwa für Brücken oder Schiffe.
  • Langlebigkeit: Weil an den Fügestellen kein Wasser in die Konstruktion eindringen kann, sind Schweißverbindungen widerstandsfähiger gegen Korrosion und andere Umwelteinflüsse. Daher haben sie auch eine längere Lebensdauer als Schraubverbindungen.
  • Wartungsfrei: Nach dem Schweißen sind keine weiteren Wartungsarbeiten erforderlich, während Schrauben regelmäßig nachgezogen oder mindestens überprüft werden müssen.
  • Designfreiheit: Das Schweißen bietet dem Konstrukteur und Entwickler mehr Freiheit bei der Gestaltung des Endprodukts als das Schrauben, da es eine glatte Oberfläche ohne sichtbare Schraubenköpfe ermöglicht.
  • Allerdings lassen sich auch einige Nachteile des Schweißens im Vergleich zum Schrauben aufzählen:
  • Lösbarkeit: Schweißnähte sind für die Ewigkeit. Wenn, wie im Beispiel der Behelfsbrücke oben, eine Konstruktion absehbar wieder demontiert werden und womöglich wiederverwendet werden soll, sind Schraubenverbindungen die bessere Wahl.
  • Ressourcen: Wenn technisch beide Varianten infrage kommen, müssen die Ressourcen bedacht werden – Zeit, Geld, personelle und betriebliche Kapazitäten sowie die Umwelt. Das Schweißen ist kostenintensiver als das Schrauben, da es spezielle Ausrüstung, Schutzkleidung und eine längere Ausbildung, mehr Erfahrung oder separate Schulungen erfordert. Außerdem ist für den Schweißprozess mehr Zeit anzusetzen als für die Schraubmontage, da er eine gründliche Reinigung und Vorbereitung der Teile sowie eine spezielle Nachbehandlung erfordert.
  • Umweltauswirkungen: Schweißen erzeugt Rauch, Funken, zum Teil Gefahrstoffe und Abfälle, die für die Umwelt schädlich sein können. Dazu zählen verstaubende Filter, abgeschiedener Staub aus Entstaubungsanlagen oder auch Schlamm, wie er beispielsweise bei der Nassreinigung eines Elektrofilters entsteht. Aus Gesundheits- und Umweltschutzgründen müssen der Schweißrauch abgesaugt und der Staub entsorgt werden. Derartigen Aufwand braucht man in der Schraubmontage normalerweise nicht zu betreiben. Zudem ist die Recyclingfähigkeit bei zusammengeschraubten Komponenten eher gegeben als bei Schweißkonstruktionen.
  • Materialeinschränkungen: Nicht alle Werkstoffe eignen sich zum Schweißen. Manche lassen sich nur mit speziellen Schweißverfahren verbinden, die kostenintensiv und zeitaufwendig sind.
  • Fähigkeiten: Schweißen erfordert spezielle Fähigkeiten und Kompetenzen, die nur durch Übung und Ausbildung erworben werden können. Dazu zählen technisches Verständnis, eine gute Feinmotorik, um die Schweißnähte gleichmäßig und präzise auszuführen, und gute Augen-Hand-Koordination. Zudem ist das Schweißen auf Dauer körperlich anstrengender als die Schraubmontage, und es müssen mehr Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Ein gewisses natürliches Geschick und Talent fürs Schweißen kann hilfreich sein.

Woran Sie als Konstrukteur bei der Planung einer Schweißkonstruktion denken sollen, damit alle Verbindungen sicher, zuverlässig und funktionsfähig sind, haben wir in einem Übersichtsartikel zum Thema Schweißen zusammengefasst.

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