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Schraubensicherung: Diese Maßnahmen helfen gegen Verlieren, Lockern und Losdrehen

Grundlagen der Schraubtechnik – Teil 5
Schraube locker? Nicht, wenn Sie diese Sicherungsmaßnahmen treffen

Wurde in der Konstruktion und Montage alles richtig gemacht, kommt eine Schraubverbindung normalerweise ohne zusätzliche Sicherung aus. Trotzdem gibt es Fälle, die solche Maßnahmen erforderlich machen – etwa als Verlier-, Losdreh- oder Setzsicherung. Welche Möglichkeiten und Elemente es gibt, worin sich die Maßnahmen unterscheiden, welche Vorteile sie haben und welche Arten der Schraubensicherung nicht empfehlenswert sind, klärt dieser Beitrag.

Dieser Beitrag basiert auf der 8. Auflage des Buches „Technik rund um Schrauben“, herausgegeben von der Böllhoff GmbH in Bielefeld.  Interessenten haben hier die Möglichkeit, sich ein Exemplar des Buches zu bestellen!


Zu den Grundlagen der Schraubtechnik sind in dieser Serie erschienen:


Inhaltsverzeichnis
1. Dynamische oder statische Belastungen können eine Schraubverbindung lösen
2. Maßnahmen gegen das Lockern: Kombi- und Flanschschrauben als Setzsicherungen
3. Maßnahmen gegen das Losdrehen: Vermeiden Sie Relativbewegungen in Trennfugen und an Gewindeflanken
4. Sicherungselemente: Verliersicherung ist keine Schraubensicherung!
5. Losdrehsicherung durch verzahnte Elemente
6. Elemente mit Sicherungsrippen für empfindliche Oberflächen
7. Chemische Verfahren zur Sicherung von Schraubverbindungen

Eine gut ausgelegte und kontrolliert angezogene Schraubverbindung benötigt in der Regel keine zusätzliche Schraubensicherung. Denn ist die Verbindung richtig ausgelegt, so ist der Reibungswiderstand im Gewinde und unter dem Schraubenkopf groß genug, um zu verhindern, dass sich die Schraube selbsttätig löst. Dies gilt auch unter Schwingungsbelastung. Die Verbindung ist in diesem Falle selbsthemmend.

Trotzdem ist es in der Praxis nicht immer möglich, durch konstruktive Maßnahmen genügend Sicherheit in die Schraubverbindung einzuplanen. Um zu verhindern, dass sich Schrauben lösen oder gar die verbundenen Teile auseinanderfallen, können Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Diese lassen sich nach ihrer Wirkungsweise in drei Gruppen unterteilen:

  • Setzsicherungen
  • Verliersicherungen
  • Losdrehsicherungen

Welche Art der Sicherung vorzusehen ist, hat mit der Ursache für das Lösen zu tun. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei Mechanismen des selbsttätigen Lösens unterscheiden: das Lockern und das Losdrehen:

  1. Besteht die Gefahr, dass sich die Schraubverbindung durch Setzen oder Kriechen lockert, sollten Konstrukteure Setzsicherungen vorsehen.
  2. Löst sich die Schraube oder Verbindung mit der Zeit, weil die Selbsthemmung aufgehoben wird, spricht man von Losdrehen. Um diesen Mechanismus zu unterbinden, kommen Verlier- und Losdrehsicherungen infrage.

Dynamische oder statische Belastungen können eine Schraubverbindung lösen

Gehen wir in die Details. Beim Lockern werden die zulässigen Spannungen durch dynamische oder statische Belastungen, speziell in axialer Richtung, überschritten. Dies ruft Setzerscheinungen und Kriechvorgänge hervor. Dabei verringert sich die verbleibende Klemmlänge und damit auch die aufgebrachte Vorspannkraft.

Im Gegensatz dazu wirken beim Losdrehen dynamische Belastungen quer zur Schraubenachse. Dadurch verschieben sich die verspannten Bauteile gegeneinander. Dies kann den völligen Verlust der Vorspannkraft und im Extremfall das Auseinanderfallen der Verbindung zur Folge haben.

Maßnahmen gegen das Lockern:
Kombi- und Flanschschrauben als Setzsicherungen

Um das Risiko der Lockerung einer Schraubverbindung gering zu halten, muss diese sorgfältig berechnet und korrekt montiert werden. Große Schraubenkopfdurchmesser vermindern die Flächenpressung und damit die Setz- und Kriechneigung an den Auflageflächen. Kombischrauben und Flanschschrauben sind für diese Fälle geeignete Verbindungselemente.

Sogenannte federnde, mitverspannte Sicherungselemente wiederum verringern den Verlust an Vorspannkraft, der durch Setz- und Kriechvorgänge verursacht wird. Für einige Anwendungen eignen sich auch Spannscheiben oder Tellerfedern mit hoher Steifigkeit. Federringe und Fächerscheiben dagegen besitzen keine ausreichend hohe Federwirkung; sie sind daher als Schraubensicherung ungeeignet. Die entsprechenden Normen wurden 2003 zurückgezogen.

Maßnahmen gegen das Losdrehen:
Vermeiden Sie Relativbewegungen in Trennfugen und an Gewindeflanken

Die besten Maßnahmen gegen ungewolltes Losdrehen sind seit jeher konstruktiver Art. Grundregel: Verhindern Sie Relativbewegungen in den Trennfugen und an den Gewindeflanken. Dazu sollten die zu verbindenden Bauteile möglichst starr, die zugehörige Schraubverbindung dagegen möglichst elastisch sein. Sie erreichen dies durch den Einsatz hochfester Schrauben mit hoher Nachgiebigkeit, großen Klemmlängen und kleinen Schaftdurchmessern.

Als zusätzliche Maßnahme bieten sich der Einsatz klemmender Elemente als Verliersicherung sowie sperrender oder klebender Komponenten als Losdrehsicherung an. Im Gegensatz zu den reinen Verliersicherungen verhindern Losdrehsicherungen einen deutlichen Verlust an Vorspannkraft.

Sicherungselemente: Verliersicherung ist keine Schraubensicherung!

Verliersicherungen sind keine wirkungsvollen Schraubensicherungen! Nur Letztere unterbinden schon den Beginn des Lösens der Verbindung. Verliersicherungen dagegen lassen ein teilweises Lockern oder Losdrehen der Schraubverbindung zu. Immerhin aber verhindern sie, dass die Komponenten völlig auseinanderfallen.

Als Verliersicherungen dienen klemmende Elemente, wie

  • Muttern mit Kunststoffeinsatz,
  • Schrauben mit Kunststoffbeschichtung im Gewinde,
  • Ganzmetallmuttern mit oder ohne zusätzliches Klemmteil sowie
  • solche mit speziellen Gewindeflanken-Geometrien.

Bekannt, aber nicht empfehlenswert, sind „formschlüssige“ Sicherungselemente wie Kronenmuttern, Schrauben mit Splintloch sowie Drahtsicherungen.

Losdrehsicherung durch verzahnte Elemente

Im Gegensatz zu Verliersicherungen verhindern Losdrehsicherungen, dass sich die Schraubverbindung löst. Hierzu zählen unter anderem Sicherungselemente mit Profilierung an der Auflagefläche. Diese Sicherungsmethode funktioniert durch eingeprägte, meist asymmetrische Zähne, die so ausgerichtet sind, dass die steilere Flanke der Losdrehrichtung zugewandt ist. Beim Anziehen graben sich diese Formelemente in das Bauteil und erzeugen einen Formschluss, der beim Lösen überwunden werden muss. Für die Funktion sind die Oberflächenbeschaffenheit und die Festigkeit der Klemmteile von großer Bedeutung.

Boellhoff Schraubensicherung Verzahnte Oberflaeche
Verbindungselemente mit einer verzahnten Auflagefläche verhindern das Losdrehen der Schraube.
Bild: Böllhoff

Elemente mit Sicherungsrippen für empfindliche Oberflächen

Eine weitere Möglichkeit der Losdrehsicherung sind Elemente mit Rippenprofil. Sie eignen sich speziell für empfindliche Oberflächen. Hierbei erhöht sich durch plastische Verformung und Verfestigung der Auflagefläche das Losdrehmoment. Ein Beispiel ist die Ripp-Lock-Schraubensicherung von Böllhoff. Sie basiert auf Radialrippen. Der Steigungswinkel der Rippen ist größer als die Gewindesteigung der Schraube. Bei der Montage des Verbindungselements prägen sich die Radialrippen durch die aufgebrachte Vorspannkraft in die jeweilige Gegenlage ein. Der dadurch entstehende Formschluss verhindert zuverlässig ein selbsttätiges Lösen der Verbindung. Dies gilt selbst unter extremen Vibrationen oder starken dynamischen Belastungen.

Nord-Lock-Scheiben, ebenfalls von Böllhoff, bestehen aus paarweise verklebten Scheiben. Diese werden mit ihren Radialrippen unter den Schraubenkopf und/oder die Mutter gelegt. Hierbei kann eine Verwendung von Normschrauben und -muttern beibehalten werden. Beim Festziehen der Schraube oder Mutter prägen sich die Radialrippen des Scheibenpaares in die Gegenauflage ein, und es kommt zu einem Formschluss.

Boellhoff Nordlock Klemmkraft
Durch Nord-Lock-Scheiben sichern sich die Schrauben selbst; denn schon bei geringster Drehung in Löserichtung (rechte Schraube) steigt aufgrund der Keilwirkung die Klemmkraft.
Bild: Böllhoff

Das Scheibenpaar sitzt fest an seinem Platz, Bewegungen sind nur noch zwischen den Keilflächen möglich. Schon bei geringster Drehung in Löserichtung steigt aufgrund der Keilwirkung die Klemmkraft: Die Schraube sichert sich damit selbst. Keilsicherungsscheiben wirken effektiv gegen das Losdrehen von querbelasteten, schwingungsbeanspruchten und vibrierenden Schraubverbindungen.

Chemische Verfahren zur Sicherung von Schraubverbindungen

Neben den bisher aufgeführten mechanischen Möglichkeiten können Konstrukteure auf chemische Schraubensicherungsverfahren zurückgreifen. Der Vorteil: Diese können in bestehende Systeme integriert werden, ohne dass der Konstrukteur an der Bauteilgeometrie etwas ändern müsste. Chemische Gewindesicherungen wirken klebend, klemmend oder dichtend. Sie sind als flüssige Klebebeschichtungen (anaerob aushärtend) oder als Vorbeschichtungen erhältlich. Letztere haben den Vorteil, dass die Beschichtungen nicht mehr manuell während der Montage aufgebracht werden müssen, sondern prozesssicher auf den Verbindungselementen vor der Auslieferung aufgebracht werden.

Es sind drei chemische Sicherungsverfahren zu unterscheiden:

  1. Mikroverkapselte Klebstoffe, bestehend aus Klebstoff und Härter. Beim Einschrauben werden die Kapseln zerstört, so dass das Material durch Polymerisation aushärtet. Das Ergebnis ist eine Losdrehsicherung.
  2. Anaerob aushärtende Flüssigklebstoffe bieten ebenfalls eine Losdrehsicherung. Beim Anziehen der Schraube wird der Sauerstoff verdrängt und härtet anaerob aus.
  3. Klemmende Schraubensicherungen in Form von Vorbeschichtungen durch einen Polyamidfleck. „Chemisch“ ist hier nur das Material; die Wirkweise ist aber mechanisch (durch Verklemmen): Beim Eindrehen der Schraube wird der axiale Spielraum im Gewinde ausgefüllt. Dadurch steigt die Flächenpressung in den Gewindegängen. Dieses Verfahren bewirkt eine Verliersicherung.

Tipps zu Verfahren und Anwendung chemischer Schraubensicherungen

Übrigens: Mikroverkapselte Klebstoffe und Polyamid-Fleck können nicht nur zur Schraubensicherung eingesetzt werden, sondern aus als Dichtungsmittel für statische Dichtstellen, die zum Beispiel zu Wartungszwecken wieder geöffnet werden müssen. Hierfür werden oft schraubbare, beschichtete Elemente eingesetzt. Die entsprechenden Zusammenhänge und Möglichkeiten haben wir in einem Beitrag zur Dichtungstechnik für Sie zusammengestellt. 

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