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Kleiner Bypass – große Wirkung

Hydraulische Antriebslösung verkürzt Zykluszeit in Kunststoff-Flaschenkästen-Produktion
Kleiner Bypass – große Wirkung

Wer sich mit Materialfluss beschäftigt, kennt wahrscheinlich das Unternehmen Schoeller Arca Systems mit Sitz in den Niederlanden und München. Das Unternehmen stellt Kunststoffverpackungen her, mit denen sich Produkte sehr leicht transportieren und stapeln lassen. Durch eine neue Entwicklung im Bereich der hydraulischen Antriebstechnik konnten die Zykluszeiten der Flaschenkastenproduktion um fünf Prozent verkürzt werden.

 

Der Beitrag stammt von der AHP Merkle GmbH, March-Hugstetten

Jeder kennt die Flaschenkästen aus dem Getränke- oder Supermarkt. Die Schoeller Arca Systems International in München kümmert sich dabei um die Entwicklung und Umsetzung der dazu notwendigen Prozesse sowie Spritzgussformen in Übersee. Für Kunden und Lizenznehmer außerhalb Europas stellt die Münchner Entwicklungs-Crew somit das Herz einer stets wettbewerbsfähigen Produktion dar. Das bestätigt der dortige Technische Leiter: „Wir kümmern uns um die gesamte Betreuung unserer Kunden sowie Lizenznehmer außerhalb Europas, damit diese mit unseren Lösungen stets besser sind als ihr Wettbewerb.“
Das bedeutet, neben neuen Endprodukten erfahren auch die Produktionsprozesse sowie die für die Herstellung notwendigen Spritzgussformen eine ständige Verbesserung. Zur Verkürzung der bisherigen Zykluszeit von etwa 40 Sekunden pro Flaschenträger aus Kunststoff lautete die Aufgabenstellung für den Zulieferer der Hydraulikzylinder: Zeiteinsparung beim Vor- und Rücklauf des Auswerfersystems und Schließen der Spritzgussform.
Praktiker wissen, dass eine Problemzone beim Spritzgießen großer Formteile das Auswerfen nach dem Öffnen der Form ist. Durch das Schwinden des abgekühlten Kunststoffs ,backt’ das Produkt an den Kontaktflächen an. Würde der Auswerfer sofort mit der maximal möglichen Auswerfgeschwindigkeit an das fertige Teil anfahren, wären Beschädigungen bei der Entformung unvermeidbar. Deshalb wird von vornherein mit reduzierter Geschwindigkeit gefahren. „Diese Situation war für uns nicht mehr zeitgemäß“, betont der Technische Leiter. „Deshalb wollten wir eine Antriebslösung, bei der die zwei Verfahrgeschwindigkeiten Schleich- und Eilgang möglich sind“, fährt der Praktiker fort.
Konstruktive Details im Zylinder
Ein Standard-Doppelrohrzylinder von AHP-Merkle brachte mit den entscheidenden konstruktiven Veränderungen die Lösung. Und so funktioniert sie: Befindet sich der Zylinder in seiner Endlage, sind die Spritzgussform sowie der Auswerfer geschlossen. Sobald ein Teil fertig und abgekühlt ist, fährt die Spritzgießmaschine das Werkzeug auseinander und die Form öffnet sich.
Die beiden Hydraulikzylinder vom Typ HDS (hydraulic cylinder with double speed) werden mit Drucköl beaufschlagt und bewegen den Auswerfer. Durch eine zusätzliche Bypass-Bohrung im Zylinderboden fließt anfangs nicht der maximale Volumenstrom in den Zylinderraum der Kolbenseite. Das bedeutet, die Zylinder bekommen Drucköl nur über eine kleine Bohrung. Sie fahren langsam aus und die Auswerferplatte löst den Flaschenkasten vorsichtig aus der Form.
Nach den ersten 15 bzw. 28 mm Verfahrweg ist die kritische Zone überwunden und der gesamte Volumenstrom wird automatisch im Zylinder freigegeben. Das bedeutet: Der Auswerfer schiebt das Werkstück im Eilgang komplett aus der Form. Die stangenseitige Endlage erreicht der Kolben dann über eine Dämpfungsbuchse mit freiem Rücklauf. Hierdurch findet eine einfache Endlagendämpfung im ausgefahrenen Zustand statt.
Rampenfahrt ohne Elektronik
Der beschriebene Bypass im Zylinderboden besitzt einen definierten Durchlass, der über ein Blenden-Rückschlagventil einstellbar ist. Auf diese Weise ist eine einstellbare ,Rampenfahrt’ ohne die Verwendung zusätzlicher Elektronik notwendig. Das ist auch der Clou an dieser Lösung. Von Schoeller Arcas wird bestätigt: „Mit dieser gleichermaßen robusten wie auch funktionalen Verbesserung konnten wir ohne zusätzliche Investitionskosten eine Verkürzung der Zykluszeit um etwa fünf Prozent erreichen.“
Andere Lösungen bedienen sich nämlich hydraulisch proportional gesteuerter Auswerfer, um das gleiche Ergebnis erreichen zu können.
Diese besitzen eine Reihe von Nachteilen: Sie sind teurer, anfälliger und aufwändiger. Dazu kommt, dass Zylinder mit integriertem Wegmesssystem größer bauen und somit nicht in die vorhandenen Formen passen würden.
Ein weiterer Vorteil der neuen Bypass-Steuerung zeigt sich beim Schließen der Form. Fährt die Auswerferplatte wieder in seine Ruhelage zurück, geschieht dies nun ebenfalls im Eilgang, um Zeit zu sparen. Allerdings würden dabei die Kontaktflächen relativ heftig aufeinander prallen und entsprechenden Verschleiß verursachen. Das verhindern die HDS-Zylinder.
Schleich- und Eilgang
Nähert sich der Kolben dem Zylinderboden, überfährt er die Hauptölzuführung. Dabei verlangsamt er seine Geschwindigkeit bis die Bohrung komplett überdeckt ist. Danach strömt das restliche Öl im Zylinderraum ausschließlich über den Bypasskanal in den Ölrücklauf. Das bedeutet, dass eine annähernd gleiche ,Schleichfahrt’ erreicht wird wie beim Ausfahren der Platte. Diese Art Rampenfahrt erfolgt wieder in den erwähnten 15 bzw. 28 mm Verfahrweg.
Das ist deshalb auch so wichtig, weil Schoeller Arca auf die Spritzgussformen „Made in Germany“ eine Gewährleistung von rund 600 000 Schuss gibt. Danach erfolgt eine Generalüberholung mit zusätzlichen 400 000 Schuss. Wer also annähernd eine Million Zyklen verspricht, muss auf der technischen Seite gute Argumente besitzen. „Das ist exakt unser Kurs“, wird von dem Unternehmen bestätigt: „Unsere Kunden erwarten ständige Verbesserungen, die wir nur über innovative Lösungen und flexible Partner wie AHP-Merkle erreichen.“
Eine wichtige Vorgabe für die Entwicklung der HDS-Hydraulikzylinder mit zwei Geschwindigkeiten war, dass sich die bisherigen Anschlussmaße nicht verändern dürfen. „Das ist gelungen“, betont der Technische Leiter. Deshalb eignen sich die Standard-Einheiten mit einem Kolbendurchmesser von 50 mm und einer 32er-Stange auch sehr gut für die weltweite Nachrüstung bestehender Spritzgussformen.
Die Hübe sind dabei gemäß der Aufgabenstellung variierbar. Für die Flaschenkästen liegen diese im Bereich zwischen 300 und 500 mm.
Die erste Spritzgussform, die mit den neuen Hydraulikzylindern ausgerüstet worden ist, ging direkt nach Zambia. Die damit gemachten Felderfahrungen sind äußerst positiv und bestätigen die Verkürzung der Zykluszeit um zwei Sekunden. Deshalb geht nun kurz darauf die nächste Form – inklusive HDS-Zylinder mit zwei Geschwindigkeiten – nach Südamerika. Der dreimonatige Entwicklungsaufwand beim Zulieferer AHP-Merkle hat sich für Schoeller Arca Systems International gelohnt. Was will man mehr, so das Resümee des Entwicklerteams Günter Pelka von AHP-Merkle und Lutz Henke von Schoeller Arcal: „Mehr Produktivität ohne zusätzliche Investitionskosten.“
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