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Mikroelektronik am Fraunhofer IZM: Aktuelle und geplante Forschungsaktivitäten

Prof. Martin Schneider-Ramelow, Leiter des Fraunhofer IZM im Interview – Teil 2
Forschung in der Mikroelektronik: Spagat zwischen Kosten und Nachhaltigkeit

Die Zukunft der Mikroelektronik steht vor spannenden Entwicklungen und wichtigen Trends. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM gibt Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow einen umfassenden Einblick in aktuelle und geplante Forschungsaktivitäten im Bereich Mikroelektronik.

Das Interview führte das Team von RealIZM, dem Wissenschaftsblog für Mikroelektronik des Fraunhofer IZM


Teil 1 des Interviews mit Prof. Martin Schneider-Ramelow thematisiert die Herausforderungen beim High-End Performance Packaging.


Inhaltsverzeichnis
1. Roadmap 2030+ – Grundlagen der zukünftigen Mikroelektronik
2. Fraunhofer IZM: Die Zukunft der Standorte Berlin, Dresden und Cottbus
3. Goldene Zeiten für die Mikroelektronik?

Vor einigen Wochen haben die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) und Intel gemeinsam mit Schlüsselakteuren der deutschen Industrie eine Roadmap 2030+ für die Forschung im Bereich der 3D-Integration vorgestellt. Welchen Beitrag wird das Fraunhofer IZM dafür leisten?

Schneider-Ramelow: Einerseits hat unser Institut eine wichtige Rolle bei der Gesprächsanbahnung mit Intel gespielt. Wir arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen. Der jetzt vorgestellte Forschungsfahrplan wurde in einer Reihe von Workshops erarbeitet, die von der FMD und Intel Europe Research organisiert wurden. Der erste Workshop fand bei uns in Berlin am Fraunhofer IZM statt.

Roadmap 2030+ – Grundlagen der zukünftigen Mikroelektronik

Andererseits haben wir aktiv an der Entwicklung der Roadmap mitgewirkt und bereiten gemeinsam mit den beteiligten Akteuren die Grundlagen der zukünftigen Mikroelektronik vor. Es ist von großer strategischer Bedeutung, dass der Standort Europa nicht den Anschluss verliert und zukünftige Entwicklungen im Schulterschluss mit Industriepartnern gefördert und vorangetrieben werden. Über Chiplets wird seit vielen Jahren geredet. In der Produktion sind aber weltweit erst kleine Mengen. Wir sind noch weit davon entfernt fertige Chipletlösungen zu liefern, aber der Fahrplan für die Umsetzung in den kommenden Jahren steht.

Fraunhofer_IZM_erster_FMD-Intel-Workshop.jpg
Ein historisches Treffen an unserem Institut, das den Beginn einer außergewöhnlichen Partnerschaft darstellt: Der 1. FMD-Intel-Workshop zur heterogenen 3D-Integration für 2030+ am 28. Oktober 2022 in Berlin.
Bild: Fraunhofer IZM

Für den Einsatz im Automotive-Bereich müssen zukünftig Nodes mit feinsten Strukturen mit Sensorik, MEMs, photonischen Elementen, LiDAR sowie Radar und vielem mehr kombiniert werden. Die dabei entstehenden Datenmengen müssen verarbeitet werden. Wir am Fraunhofer IZM sind davon überzeugt, dass dies zukünftig nur mit Chiplets möglich sein wird. Die Halbleiter und Komponenten aus den verschiedenen Fabs, von den Fraunhofer-Instituten oder anderen europäischen Forschungs- und Technologieorganisationen (RTOs) müssen ganz eng auf kleinstem

Raum miteinander verbunden werden. Technologien wie unser Panel Level Packaging spielen dabei eine wichtige Rolle. Fakt ist, am Ende muss alles auf ein Substrat integriert werden, um die Chiplets mit den anderen Komponenten zu verbinden. Bevor eine Massenfertigung starten kann, sind zentrale Fragen zu klären: Wer sind die möglichen Abnehmer für diese Bausteine? Welche Kooperationsmöglichkeiten mit der Industrie gibt es in Deutschland und in Europa?

Fraunhofer IZM: Die Zukunft der Standorte Berlin, Dresden und Cottbus

Welche Ideen und Pläne gibt es für die zukünftige Gestaltung der drei Standorte des Fraunhofer IZM in Berlin, Dresden und Cottbus?

Schneider-Ramelow: Seit 2019 wird der Innovationscampus für Elektronik und Mikrosensorik Cottbus – iCampμs Cottbus – unter Beteiligung von sechs außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Professoren der BTU Cottbus-Senftenberg etabliert. Unser Institut ist an verschiedenen Projekten im Bereich Hochfrequenz- und Highspeed-Systeme und Antennenkonfigurationen beteiligt. Ein Beispielprojekt ist die Entwicklung eines mobilen Ultra-Low Power Radarsystems für Medizinanwendungen. Ich freue mich sehr, dass wir seit Anfang 2023 auch mit einer Professur im Bereich der Hochfrequenztechnik am iCampμs Cottbus vertreten sind.

Im kommenden Jahr findet die iCampμs Cottbus Conference (iCCC2024) statt, zu der ich alle aus Forschung und Wirtschaft herzlich einlade. Die Transferkonferenz für Innovationen in Wissenschaft und Industrie zeigt Potenziale und neue Anwendungen auf, die sich durch leistungsstarke Sensorik, den Einsatz innovativer Mikroelektronik und KI für die Industrie 4.0, Energiewirtschaft und (Tele-)Medizin ergeben. Ich habe große Hoffnung das Fraunhofer IZM-ASSID an unserem Standort in Dresden langfristig auszubauen. Anders als in Berlin, ist das Gelände in Moritzburg im Besitz der Fraunhofer Gesellschaft. D.h. wir haben dort die Möglichkeit – vorausgesetzt das Geld in einem unteren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich ist verfügbar – die vorhandene Reinraumfläche zu verdoppeln und mit einem entsprechenden Maschinenpark auszustatten.

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Es wäre toll, wenn das Fraunhofer IZM-ASSID im Sinne der Souveränität für Deutschland über eigene Fertigungskapazitäten verfügen würde. Ich glaube, wir könnten zukünftig anspruchsvolle Module, Submodule, kleine Systeme und Vorprodukte liefern. Diesen Weg einzuschlagen, unterstütze ich gern. Voraussetzung dafür sind die finanziellen Mittel und auch der Nachfragebedarf vonseiten der Industrie. Das ist jedoch noch alles Zukunftsmusik.

Eine andere Option ist, sich in bestehende bzw. geplante Reinräume einzumieten. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IPMS haben wir am Centers Nanoelectronic Technologies (CNT) in Dresden dazu eine Lösung gefunden. Im Sommer 2022 wurden gemeinsam mit dem IPMS die neuen Reinräume des CNT und das 300mm Center for Advanced CMOS & Heterointegration in Dresden-Moritzburg eröffnet. Wir planen in den kommenden fünf Jahren zusätzliche Reinraumkapazitäten mit bis zu 900 m2 zu schaffen und mit einem Gerätepark auszustatten, um gemeinsam mit dem Fraunhofer IPMS und CNT zusammenzuarbeiten.

Wir müssen hierbei auf die neuesten Maschinen zurückgreifen und Reinraumkapazitäten planen, um mit den Entwicklungen beim High-End Performance Packaging mithalten zu können. Wir kooperieren daher mit zahlreichen Partnern – Maschinen-, Material-, Anwender- und Packaging-Spezialisten. Dank diverser Fördermaßnahmen und unserer Reinräume ist uns dies bisher sehr gut gelungen. Unser Standort in Berlin profitiert aktuell vor allem von der Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für das Projekt „Forschungsfabrik für Quanten- und neuromorphes Computing“ (FMD-QNC). Die bestehenden Räumlichkeiten werden laufend optimiert und modernisiert sowie Technologien weiterentwickelt.

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Goldene Zeiten für die Mikroelektronik?

Nach all den Einblicken hat man das Gefühl, es herrschen goldene Zeit für die Mikroelektronik. Ist dem tatsächlich so oder gibt es auch Herausforderungen?

Schneider-Ramelow: Die Notwendigkeit, die Maschinenparks stetig zu erneuern, und die Reinrauminfrastruktur vorzuhalten und zu betreiben, sind kostenintensiv. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Am Berliner Standort haben wir aktuell über 100 Labore auf einer Gesamtfläche von 8.000 m2. Um dies alles zu bespielen, brauchen wir aufstrebende Wissenschaftler:innen und Techniker:innen. Wir bilden seit über 20 Jahren angehende Mikrotechnolog:innen aus. Unser Forschungsinstitut bietet spannende Aufgaben und Perspektiven, sich weiterzuentwickeln, bereits für Studierende und nach dem Studienabschluss erst recht.

Ein aktuelles Schlagwort in der Branche lautet Souveränität. Um wesentliche Vorentwicklungen für die Industrie leisten zu können, benötigen Forschungsinstitute die finanziellen Mittel für den Aufbau und den Betrieb einer entsprechenden technischen Infrastruktur. Mein Appell an unsere Zentrale in München und auch an die Entscheidungsträger;innen in der Politik lautet: Die kontinuierliche Investition in die Aus- und Fortbildung von Fachkräften für die Mikroelektronik und die Ausstattung der Forschungsinstitute lohnt sich und wird auch weiterhin notwendig sein. Wir haben bereits sehr viel erreicht. Dank dem Europäischen Chips Act (ECA) und zahlreichen Initiativen wie der FMD-Förderung durch das BMBF und dem o.g. „FMD-QNC“ beobachte ich eine zunehmende Vernetzung auch mit europäischen Forschungsorganisationen wie imec und CEA-Leti. Nur gemeinsam können wir Lösungen für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Elektronikforschung erarbeiten.

30 Jahre Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Bei aller Technikeuphorie gilt es auch, die Auswirkungen der neu entwickelten Technologien auf die Umwelt und deren Energieeffizienz zu berücksichtigen. Fakt ist, es wird immer mehr Elektronik verbaut. Wenn zukünftig medizinische Operationen mit Unterstützung eines digitalen Zwillings ausgeführt werden oder Fahrzeuge autonom fahren, bedeutet das auch einen höheren Energiebedarf. Die Themenfelder, neue elektronische Produkte auf einem möglichst niedrigen Energieniveau zu betreiben, über deren Wiederverwertung bis hin zur Reparierbarkeit nachzudenken, gewinnt immer mehr an Bedeutung in der Elektronik und der Aufbau- und Verbindungstechnik.

Mit den Auswirkungen des technischen Fortschritts auf den ökologischen Fußabdruck befasst sich das Fraunhofer IZM seit seiner Gründung. Wir sind seit 30 Jahren auch international Vorreiter auf diesem Gebiet. In der Anfangszeit unseres Instituts haben wir das Thema „bleifreie Elektronik“ intensiv bearbeitet und seitdem die elektronikspezifischen Nachhaltigkeitsthemen immer weiterentwickelt. Unsere Arbeit auf diesem Gebiet mündet gerade in dem Projekt „Green ICT @ FMD“. Hier wird geschaut, wie nachhaltig Elektronik sein kann. Wir schauen uns z.B. die Stoffkreisläufe und den CO2-Fußabdruck von Elektronik in all den Bereichen an, in denen High-End Performance Packaging zum Einsatz kommt. Unsere Aufgabe ist das, was wir im High-End Performance Packaging entwickeln und aufbauen, holistisch zu betrachten. Es reicht nicht aus, die innovativsten Packaging-Verfahren zu haben. Wir müssen zugleich sicherstellen, dass die von uns eingesetzten Technologien zuverlässig funktionieren und zugleich auch nachhaltig sind. (eve)

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