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Hart gesotten wie ein Kaiserpinguin

Hydraulik-Hochleistungsdichtung aus Tieftemperatur-PU bis zu -50 °C einsetzbar
Hart gesotten wie ein Kaiserpinguin

Die Hydraulik eines Ladekrans für eine Antarktis-Forschungsstation ließ deren Betreiber leckagebedingt im Stich. Diese extremen Randbedingungen sind eine besondere Herausforderung für die Dichtungen, denn dieses einzigartige Ökosystem erlaubt keinerlei Leckage. Die Umrüstung der Hydraulikdichtungen auf das Tieftemperatur- Polyurethan 92 AU 21100 löste das Problem.

 

Exklusiv in kem Die Autoren: Dr. Edgar Freitag, Produktentwicklung, und Dr. Thomas Dabisch (†), Freudenberg Sealing Technologies GmbH & Co. KG, Weinheim

Damit qualifizieren sich diese Dichtungen auch für alle anderen Tieftemperatureinsätze, so z. B. für Pistenraupen, Baumaschinen im Alpineinsatz oder Flurförderzeuge, die in Kühlhäusern eingesetzt werden.
Ein Kran im größten natürlichen Kühlhaus der Erde
Der Ladekran der Forschungsstation ist nur etwa drei Monate im Jahr in Betrieb. Dann bewegt er 200 kg schwere Kabeltrommeln sowie Kabelrollen mit 1 t Gewicht. Denn der Kran arbeitet nur im Hochsommer, wenn es zwischen -20 und -40 ºC kalt ist. In der übrigen Zeit des Jahres steht er im Freien, mit Eis und Schnee überdeckt, alle Teile eingefroren. Dann gibt es im Extremfall Temperaturen bis zu -76 ºC. Dieser Kran steht im größten natürlichen Kühlhaus der Erde, der Antarktis. Er ist auf der japanischen Forschungsstation Dome Fuji im Einsatz.
Klar ist, dass unter solchen Extrembedingungen – wie sie auch im Hochgebirge auftreten können – die in der Kranhydraulik eingesetzten Dichtungen kein Standard sein können. Von entscheidender Bedeutung für die Leckagesicherheit einer solch extrem belasteten Dichtung ist das Nachstellverhalten der Dichtlippe bei radialer Auslenkung der Stange. Denn die Dichtkante folgt der Stange in Abhängigkeit von Temperatur und Belastungsgeschwindigkeit, oder – im Versagensfall – hebt sie sich von dieser ab. Letzteres führt zu Leckagen und zum vorübergehenden Druckabfall im Zylinder. Zu solchen kritischen Betriebsbedingungen kam es in der Hydraulik des Ladekrans, dessen Auslegereigengewicht zu Querlasten auf den Zylinder führte und die herkömmliche Hydraulikdichtung leicht verformte. Bei Stillstand über Nacht fror die Standarddichtung in diesem Zustand ein. Bei Inbetriebnahme setzte sich die Stange in Bewegung, die Dichtung konnte aber aufgrund ihrer ungenügenden Rückstellfähigkeit unter Kälteeinwirkung der Stange nicht folgen und ihre Dichtfunktion zunächst nicht oder nur ungenügend erfüllen.
Während dieser Anfahrphase, in der die herkömmliche Hydraulikdichtung nicht ihre volle Anpresskraft hatte, kam es daher zwangsläufig zu teilweise erheblicher Leckage. Die Toleranz gegenüber solchen durch extreme Bedingungen verursachten Leckagen ist heute nicht mehr gegeben. Moderne Mobilhydraulikanlagen müssen auch im Winter, in extremen Klimazonen oder auch in Kühlhäusern ihre volle Leistungsfähigkeit vom Start weg bringen.
Hydraulik-Dichtungswerkstoff für Tieftemperatureinsätze
Freudenberg Simrit hat deshalb auf der Basis seiner mehr als 50-jährigen PU-Entwicklungserfahrung einen entsprechenden Hydraulik-Dichtungswerkstoff für Tieftemperatureinsätze geschaffen. Das Verhalten dieser Dichtungen ist insbesondere durch die dynamischen Werkstoffeigenschaften geprägt, die abhängig von der Temperatur und der Belastungsfrequenz beziehungsweise der Belastungsgeschwindigkeit sind. Eine Lösung für Dichtungen unter Tieftemperaturbedingungen kann daher nur unter gleichzeitiger Beachtung der maximalen Belastungsfrequenz bzw. -geschwindigkeit entwickelt werden.
Physikalisch bedeutet das Einfrieren einer PU-Hydraulikdichtung, dass die Weichsegmente des Werkstoffs komplett erstarren. Der Bereich dieses Phasenübergangs ist durch verschiedene physikalisch-chemische Vorgänge gekennzeichnet und mit unterschiedlichen Methoden messbar. Standard für die Ermittlung dieser Kälterichtwerte sind die differenzielle Thermoanalyse (DSC) oder der Torsionsschwingungsversuch (TSV oder auch TSD genannt), mit dem das wichtige viskoelastische Verhalten eines Werkstoffs beschrieben wird.
Der Richtwert Tg(DSC) des Hydraulikdichtungswerkstoffs 94 AU 21100 liegt bei -54 und der Tg(TSD) bei -42 °C. Der in manchen Fällen auch zur Beschreibung des Kälterichtwertes benutzte TR10-Wert dieses Werkstoffs liegt bei -57 °C. Dieser Hydraulikdichtungswerkstoff verfügt also noch bei -50 °C über einen erheblichen Teil seiner elastomeren Dichtungseigenschaften. Gegenüber Standardwerkstoffen ist sein Modul kaum angestiegen, oder konkret, er versteift in erheblich geringerem Maße.
Mithilfe des Polyurethans 94 AU 21100 konnte der Tieftemperaturbereich für Hydraulikdichtungen also um etwa 20 K gesenkt werden. Das Rückstellvermögen der Hydraulikdichtungen dieser neuen Tieftemperaturgeneration ist entscheidend verbessert. Damit wird die Funktionsreserve signifikant erhöht, sodass mobile Hydrauliksysteme auch bei extremen Minusgraden, in Einzelfällen bis -50 °C, keinerlei nennenswerte Leckage beim Start zeigen.
Keine Kompromisse in der Gesamtleistungsfähigkeit
Natürlich hat dieser Tieftemperatur-Polyurethan-Werkstoff identische physikalische Werte für Härte und Zugfestigkeit wie Standard-PU-Werkstoffe, so müssen diesbezüglich keine Kompromisse in der Gesamtleistungsfähigkeit gemacht werden. Zudem bietet das 94 AU 21100 eine im Vergleich zu anderen Werkstoffen niedrige Reibung, sodass durch diesen Werkstoff auch der Stick-Slip-Effekt erheblich reduziert wird.
Für den Kranhersteller und die japanischen Forscher und Techniker ist deshalb der Tieftemperaturwerkstoff 92 AU 21100 ein enormer Zugewinn an Sicherheit und Produktivität, denn die Hydraulikdichtungen des Ladekrans wurden auf Dichtungen aus dem Tieftemperatur-Polyurethanwerkstoff umgerüstet. Beim ersten Testlauf betrug die Außentemperatur -27,5 ºC. Das in dem Ladekran eingesetzte Öl Avia Artic 32 hatte zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme eine Temperatur von -27,8 °C. Die Dichtungen aus dem Tieftemperatur-Polyurethan funktionierten einwandfrei und es kam zu keinerlei Leckage.
Der erweiterte Funktionsbereich dieses Dichtungswerkstoffs zu sehr tiefen Temperaturen bietet somit ausreichend Spielraum, um auch bei Ausnahmesituationen noch einsatzfähig zu sein. Seit dem Einbau der Simrit-Tieftemperaturdichtungen trat im Bereich der Zylinder des Auslegers und der Stützzylinder. zu keinem Zeitpunkt mehr Öl aus. Offenbar haben auch die langen Standzeiten des Krans mit Spitzen-Tieftemperaturen von bis zu -76 ºC keine nachteiligen Auswirkungen auf das Funktionsverhalten nach dem Auftauen und Inbetriebnehmen zu Anfang des antarktischen Sommers. Diese Simrit-Dichtungen sind eben hart gesotten wie ein Kaiserpinguin.
Freudenberg Simrit, Tel.: 01805 746748, E-Mail: info@simrit.de
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