Startseite » Verbindungstechnik »

Manipulationsschutz Parryplug bietet mehr Sicherheit in der Schraubtechnik

Schraubtechnik
Manipulationsschutz Parryplug schützt Schrauben einfach, schnell und sicher vor unbefugtem Lösen

Judith Ivonne Joosten ist bei der Böllhoff GmbH als Produktmanagerin für Direktverschraubungen sowie für den Schrauben-Manipulationsschutz Parryplug tätig. Was zu der Entwicklung dieses Produktes führte, wie es eingesetzt wird und was Konstrukteure beachten sollten, erläutert sie im Interview.

Das Interview führte Thomas Preuß, freier Journalist in Königswinter

Inhaltsverzeichnis
1. Vorteile des Manipulationsschutzes Parryplug
2. Anwendungsmöglichkeiten des Manipulationsschutzes
3. Werkstoff, Größe und DIN-Norm – Ausführungen der Parryplugs
4. Worauf muss der Konstrukteur beim Manipulationsschutz mit Parryplug achten?

Preuß: Frau Joosten, fangen wir ganz einfach an: Was ist Parryplug?

Judith Ivonne Joosten: In erster Linie ist Parryplug ein innovativer Manipulationsschutz, der Schrauben vor unbefugtem, aktiven Lösen schützt.

Preuß: Gegen „innovativ“ bin ich als Journalist etwas allergisch …

Joosten: Ich verwende den Begriff hier sehr bewusst. Parryplug ist ein neuartiges Verschlusselement, dass sich durch eine äußerst simple und schnelle Handhabung auszeichnet. Fünf oder sechs Parryplugs sitzen auf einer kleinen Platine, die als Handlinghilfe dient. Das Element wird dann – wortwörtlich – im Handumdrehen in den Innenantrieb der Schraube eingebracht und schützt dort sehr viel besser vor ungewolltem Zugriff als die bekannten Lösungen.

Boellhoff_Parryplug_Einbauprozess.jpg
Die Parryplugs sind einfach in der Handhabung. Das Bild zeigt die Einbauschritte, hier für Schrauben mit Innensechskant-Profil: (a) Handlinghilfe mit den Plugs ansetzen und in das Schraubenprofil eindrücken, dann (b) die Handlinghilfe drehen, um den Plug abzulösen, (c) fertig.
Bild: Böllhoff

Vorteile des Manipulationsschutzes Parryplug

Preuß: Also zum Beispiel im Vergleich zum klassischen Verkleben oder Versiegeln der Schraubenantriebe oder auch gegenüber Abreißschrauben …

Joosten: Genau. Entweder sind diese Verfahren sehr aufwendig, wie die Arbeit mit einem Flüssigklebstoff: Sie müssen die Schraube reinigen, der Kleber muss erst aushärten, das kostet alles Zeit. Und wenn die Versiegelung – ob Klebstoff oder Siegellack – entfernt und neu aufgebracht wird, haben Sie trotzdem keinen Nachweis darüber, dass dort manipuliert wurde. Oder Sie arbeiten mit Abreißschrauben; dann verbleibt an der Abreißstelle aber eine offene Fläche ohne die Beschichtung, womit die Stelle korrosionsanfälliger ist.

Preuß: Was ist mit weiteren Möglichkeiten: Man kann auch kleine Kugeln in das Profil einschlagen …

Joosten: Das geht zwar recht schnell, kann aber zu übermäßigen Belastungen des Bauteils führen. Ist daher auch nicht immer zu empfehlen, zumal das Handling mit den kleinen Kugeln recht „fummelig“ ist. Diese alternativen Varianten, also auch das Kleben oder Versiegeln, haben gemeinsam, dass Sie die Schrauben anschließend nicht mehr so ohne weiteres lösen können, wenn dies zu Wartungs- oder Reparaturzwecken eben doch einmal nötig sein sollte. Bei Parryplug geht aber genau das.

Tipps zu Verfahren und Anwendung chemischer Schraubensicherungen

Preuß: Ich kann also einen Parryplug wieder entfernen, wenn die Maschine einmal gewartet oder repariert werden muss. Wie funktioniert das, und kann ich ihn danach noch einmal verwenden?

Joosten: Zum Lösen liefern wir ein Spezialwerkzeug mit; damit geht es problemlos. Der Parryplug wird dabei zerstört, Sie müssen anschließend einen neuen Plug einsetzen. Ohne das Werkzeug ist es zwar auch „irgendwie“ möglich, aber das ist wirklich extrem aufwendig und dauert sehr lange.

Anwendungsmöglichkeiten des Manipulationsschutzes

Preuß: Welche Schrauben, welche Anwendungen schützen Ihre Kunden mit Parryplugs?

Joosten: In erster Linie geht es um sicherheitsrelevante Anwendungen, zum Beispiel Sicherheitsschalter von Maschinen. Ob Kunststoff- oder Werkzeugmaschinen, Roboterzellen oder Laserschweißanlagen, Abfüllanlagen in der Getränke- oder Kosmetikindustrie, ganz egal. Laut DIN ISO 14119 sind zum Beispiel alle Anlagenteile, die elektrischen Strom führen oder auf irgendeine Weise strahlen, vor ungewolltem Eingriff zu schützen. Dabei müssen auch die Sicherheitsschalter selbst gesichert werden! Viele Anwendungen finden wir daher an Schaltpaneelen, an Schutzgittern um Anlagen oder an kleineren Gehäusen von sicherheitsrelevanten Komponenten.

Boellhoff_Parryplug_Gitter.jpg
Viele Anwendungen für Parryplugs finden sich an Schutzgittern um Anlagen oder an kleineren Gehäusen von sicherheitsrelevanten Komponenten. Zur Verdeutlichung des Plug-Sitzes im Profil des Schraubenkopfes ist dieser an der linken Tür grafisch „aufgeschnitten“.
Bild: Böllhoff

Preuß: Dabei sind dann vermutlich immer nur vergleichsweise wenige Schrauben an einer Maschine oder Anlage mit Parryplugs zu schützen.

Joosten: In der Tat geht es in der Regel pro Maschine nur um eine einstellige Anzahl an Schrauben. Das sollte jedenfalls immer auch das konstruktive Ziel sein: Ein Schutzgitter oder Gehäuse schützt die sicherheitskritischen Teile, aber das Gitter selbst wird seinerseits mit möglichst wenig Aufwand, aber eben zuverlässig, gesichert. Wobei es einige Ausnahmen gibt, beispielsweise Sicherheitszäune, bei denen die Anzahl der zu sichernden Schrauben höher ist.

Preuß: Welche Erfahrungen oder Anforderungen erfüllt der Manipulationsschutz noch, abgesehen von den in der genannten Norm niedergelegten, gesetzlichen Vorgaben?

Joosten: Unser Manipulationsschutz kann auch als Nachweis im Rahmen der Gewährleistung dienen. Einer unserer Kunden aus dem Anlagenbau hatte einmal den Verdacht, dass der Anwender an der Maschine herumhantiert hatte, er konnte es aber nicht beweisen. Damit war er in der Gewährleistungspflicht. Nun verhindert er derartige Eingriffe durch den Einsatz von Parryplugs.

Auch als Designelement für hochwertige Produkte lassen sich die Elemente nutzen, da sie ja die Schraubenantriebe verblenden. Das ist zum Beispiel auf Displays sehr praktisch. Ein drittes Feld, das immer größer wird, ist der Diebstahlschutz im Baubereich, vor allem an Photovoltaikanlagen. Der Bau zählt zwar traditionell nicht zu unseren Kernkunden, aber hier werden dann gleich alle Schrauben gesichert, so dass wir den Markt sehr genau beobachten.

Böllhoff bietet Vielzahl mechanischer Schraubensicherungen

Werkstoff, Größe und DIN-Norm – Ausführungen der Parryplugs

Preuß: Aus welchem Werkstoff werden die Elemente hergestellt?

Joosten: Wir arbeiten mit PBT GF30: Polybutylen-Terephthalat mit 30-prozentigem Glasfaseranteil. Das Material ist ein thermoplastischer Kunststoff, hat eine hohe Härte bei gutem Presssitz, lässt sich schwer verformen und ist UV-beständig sowie hitze- und kältestabil im Bereich von –50 bis +200 Grad Celsius.

Preuß: In welchen Größen und für welche Antriebsprofile ist Parryplug verfügbar?

Joosten: Wir haben mit dem Innensechskant begonnen. Dafür stehen Parryplugs für Schlüsselweiten von SW 3 bis SW 8 zur Verfügung, was je nach Kopfgeometrie der Schraube Formaten von M4 bis M12 entspricht. In diesem Frühjahr haben wir das Element auch für Innensechsrund-Schrauben auf den Markt gebracht. Aktuell bieten wir die Größe T25 an, entsprechend M5er Schrauben. Wir sind aber offen für kundenspezifische Anwendungen in anderen Formaten.

Preuß: Sind unterschiedliche Farben möglich?

Joosten: Im Prinzip können wir alle RAL-Farben erzeugen, bleiben aber auch gern bei unseren Standards. Wenn ein Kunde „seine“ spezifische Farbe möchte, die auf dem Markt einzigartig ist, versuchen wir, auch dies zu ermöglichen.

Ecotech-Service und Spezialverbindungselemente von Böllhoff

Preuß: Gibt es außer der genannten DIN ISO 14119 weitere Normen oder Richtlinien, die bei der Anwendung von Parryplugs zu beachten wären?

Joosten: Für die Anwendung an sich nicht. Aber als Maschinenbauer müssen Sie immer die anwendungs- und bauteilspezifischen Normen beachten. Oder die Vorgaben der CE-Kennzeichnung zum Beispiel. Unsere Anwendungsabteilung Ecotech unterstützt und berät bei all diesen Fragen sehr umfassend; wir haben reichlich Erfahrungen in allen Industriebranchen und können auch gern Referenzen liefern.

Preuß: Kann ich die Parryplugs einfach online irgendwo im Netz bestellen? Dann könnte ich mir die Gewährleistung ja doch erschleichen …

Joosten: Die Elemente sind absichtlich nicht in unserem E-Shop erhältlich und liegen auch im Handel nicht einfach so im Regal. Wir wollen die Sicherheit gegen unerlaubten Eingriff möglichst hoch halten. Außerdem ist es unser Anspruch, alle Endkunden zu kennen und dafür alle Parryplug-Verkäufe nachverfolgen zu können.

Böllhoff Handlinghilfe mit sechs Parryplugs
Parryplugs werden jeweils zu sechst auf einer kleinen Platine, die als Handlinghilfe dient, ausgeliefert.
Bild: Böllhoff

Worauf muss der Konstrukteur beim Manipulationsschutz mit Parryplug achten?

Preuß: Was sollte ein Konstrukteur beachten, wenn er Schrauben mit Parryplugs sichern möchte?

Joosten: Wichtig ist, sich im Vorfeld jeder Konstruktion Gedanken zu machen: Brauche ich überhaupt einen Manipulationsschutz? Und wenn ja, welchen will ich verwenden. Wenn Kunden mit einer bereits bestehenden Konstruktion zu uns kommen und dann am liebsten nichts mehr ändern wollen, kann es schwierig werden. Allein schon, wenn die Schrauben kein geeignetes Profil haben. Muss das geändert werden, sind damit andere Schrauben nötig. Dann ändern sich oft gleichzeitig die Drehmomente, was die Konstruktion wieder anders fordert.

Wenn man sich für den Einsatz von Parryplugs entschieden hat, sollte man sich an den bestehenden Profilen orientieren. Alles geht schneller, wenn die gewünschten Abmessungen verfügbar sind. Sonderlösungen setzen wir selbstverständlich immer gern um, aber wenn für den Kunden Zeit Geld ist, ist er mit den Standards immer besser dran. Und man sollte bei der Konstruktion genügend Platz rund um die betreffenden Schrauben einplanen und diese nicht zu tief in das Bauteil versenken, damit man die Handlinghilfe ansetzen und die Parryplugs gut einpressen kann.

Preuß: Wo liegen die Grenzen dieses Manipulationsschutzes?

Joosten: Erst mal muss man zugestehen, dass es den einen, absoluten, Manipulationsschutz nicht gibt. Mit Gewalt bekommt man alles hin – oder eben kaputt. Wenn die zu schützenden Schrauben im späteren Betrieb nicht zu Reparatur- oder Wartungszwecken gelöst werden müssen, wäre man sicher mit einem Einwegantrieb oder einer Abreißschraube besser bedient. Wenn also der Fokus auf einem möglichst hohen Schutz liegt, raten wir eher zu einer irreversiblen Lösung.

Preuß: Und worauf muss der Anwender achten? Gibt es typische Fehlbedienungen?

Joosten: Fehler sind im Prinzip ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass man den Einsatz natürlich immer vergessen kann – falls das als Bedienungsfehler zählt. Das Produkt ist so einfach und selbsterklärend anzuwenden, dass man keine Schulung benötigt. Ansetzen, eindrücken, Handlinghilfe drehen, fertig!

Unsere Whitepaper-Empfehlung


Hier finden Sie mehr über:
Systems Engineering im Fokus

Ingenieure bei der Teambesprechung

Mechanik, Elektrik und Software im Griff

Video-Tipp

Unterwegs zum Thema Metaverse auf der Hannover Messe...

Aktuelle Ausgabe
Titelbild KEM Konstruktion | Automation 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts
Webinare

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper
Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de