Inhaltsverzeichnis
1. Know-how-Transfer beschleunigt Produktentwicklung
2. Rentabilität stand bereits vorab fest
3. Montageprozess vereinfacht
4. Lösbarkeit ist gegeben
5. Manipulationsschutz möglich
6. Den kompletten Prozess planen
7. Von der Vorauswahl bis zur Serienfertigung
8. Beschaffung kleiner Mengen als Plus
9. Projektbegleitung optimiert Ergebnis
Bosch Rexroth stellte vor kurzem das eLION-Portfolio für elektrisch angetriebene Arbeitsmaschinen vor. Die modulare und skalierbare Plattform zur Elektrifizierung mobiler Arbeitsmaschinen umfasst Motoren, Inverter, Getriebe, Software und Zubehör sowie darauf abgestimmte Hydraulik. Das System wurde speziell für den Off-Highway-Bereich und seine herausfordernden Umgebungsbedingungen entwickelt.
Für die Gestaltung und Auslegung der Verbindungstechnik am Inverter holte man sich Unterstützung bei Böllhoff Ecotech, dem Engineering Consulting Service der Böllhoff GmbH in Bielefeld. Denn auch die Verbindungstechnik musste für die harschen Einsatzbedingungen – mit Vibrationen, Schmutz, Stößen und hohen Temperaturunterschieden – ausgelegt werden.
Know-how-Transfer beschleunigt Produktentwicklung
Im Rahmen der Produktentwicklung definierte Bosch Rexroth zunächst die funktionalen Anforderungen an den Inverter. Beim Thema Schraubverbindungen stand dann das Ecotech-Team von Böllhoff den Elektrotechnik- und Hydraulikspezialisten beratend mit Detailwissen zur Seite. „Bosch Rexroth konnte auf diese Weise das bei uns vorhandene Know-how direkt abrufen“, beschreibt Andre Röhr, Teamleiter Anwendungstechnik bei Böllhoff, die Zusammenarbeit.
Böllhoff betreibt bei Bosch Rexroth seit vielen Jahren das C-Teile-Management. Darüber hinaus ist man ebenfalls langjähriger Ansprechpartner bei Fragen rund um die Verbindungstechnik, um bestehende Produkte zu optimieren und weiterzuentwickeln. Als es dann 2020 darum ging, die Verschraubung des Gehäuses sowie der elektrischen Verbindungen des Inverters auszugestalten, waren die Wege entsprechend kurz. In gemeinsamen Meetings besprachen die Experten von Bosch Rexroth und dem Konstruktionsdienstleister FEV mit Maximilian Betz, Anwendungstechniker bei Böllhoff, die Ausgangsbasis und trafen grundsätzliche Entscheidungen bezüglich der Auswahl der Verbindungselemente.
Schraubfallanalyse führt zur passenden Lösung
Nach Analyse der Schraubfalldaten – Materialien, Einschraubtiefen, Ausführung der Bohrungsdome, mögliche Montagemethoden – sowie der Zeitpläne wurden die möglichen Geometrien für eine Direktverschraubung an den Gehäuseverbindungen bewertet. Die Entscheidung fiel zugunsten der selbstfurchenden Schrauben ALtracs Plus. Via Softwaretool des Herstellers Ejot konnte man die Kräfte in der Verbindung sehr schnell prognostizieren. „Normalerweise müsste man für eine Direktverschraubung sehr viel mit realen Prototypen oder Dummies testen, um die passenden Parameter wie Einschraubtiefen, Bohrungsdurchmesser, Anzugsmomente und Vorspannkräfte an den Schraubpunkten zu bestimmen“, berichtet Anwendungstechniker Betz. „Das Software-Tool hat das sehr vereinfacht und war einer der Hauptgründe, warum wir diese Schraube gewählt haben.“ So konnte das Ecotech-Team sämtliche Direktverschraubungen vibrationssicher auslegen und abgesicherte Angaben an die Entwicklung und die Konstrukteure der Gussteile liefern.
Rentabilität stand bereits vorab fest
Die Wirtschaftlichkeit der Verbindung mit Direktverschraubung konnte Böllhoff Ecotech ebenfalls bereits durch Berechnungen nachweisen, noch bevor die erste Schraube angezogen wurde. „Oft reicht es aus, die notwendige Bohrungsqualität schon im Guss zu realisieren – hier konnten wir die nötigen Toleranzen aber nicht erreichen, weshalb in diesem Fall die Löcher letztendlich doch gebohrt wurden“, so Betz weiter. Die Gestaltung der Bohrungsdurchmesser, Entlastungsfasen und Einschraubtiefen haben das Team der Anwendungstechnik lange beschäftigt. Es musste schraubfallspezifisch die Geometrien anpassen, bis die perfekten Werte ermittelt waren und mit einheitlichen Drehmomenten gearbeitet werden konnte.
Montageprozess vereinfacht
Da die Arbeitsgänge Gewindeschneiden, Reinigen und Kontrolle der Gewinde entfallen, ist die Direktverschraubung wirtschaftlicher als eine reguläre metrische Verschraubung. Auch die Gefahr des Fressens durch ungerades Ansetzen der Schraube am vorgefertigten Innengewinde entfällt, da die Schraube selbst erst das Gewinde erzeugt. Der eigentliche Montageprozess ist daher einfach und beherrschbar. Beim Ausbilden des Gewindes entstehen zwar keine Späne, aber etwas Abrieb. Daher musste im Vorfeld bereits geprüft werden, ob dieser – speziell bei Durchgangsbohrungen – Probleme beispielsweise bei stromführenden Teilen verursachen kann. Beim eLION-Projekt waren hierzu Sacklöcher vorgesehen, in deren Taschen alles problemlos aufgefangen wird und die Montage damit nicht beeinträchtigt ist.
Lösbarkeit ist gegeben
Die selbstfurchenden Schrauben können zudem auch wieder herausgeschraubt und erneut eingesetzt werden, etwa im Service-Fall. „Natürlich kann die Schraube dabei theoretisch auch erneut ein Gewinde schneiden – in der Praxis ist mir das aber in 15 Jahren nicht untergekommen“, versichert Teamleiter Andre Röhr. Im Normalfall suche sich auch diese Schraube einen möglichen Gegenpart und drehe sich dann eher in ein bestehendes Gewinde ein. Im Servicefall und dem damit verbundenen Öffnen und Wiederverschließen des Invertergehäuses wäre zudem eher mit Handwerkzeugen zu rechnen, bei denen der Monteur ‚fühlt‘, ob er das bestehende Gewinde erwischt oder nicht. „Dies ist vom Montageverhalten durchaus einer metrischen Schraube vergleichbar, da es ja auch mit dieser passieren kann, dass sie neben dem Gang greift.“ Das dazu erforderliche hohe Drehmoment aber übt kein versierter Monteur aus, sondern er setzt die Schraube neu an. Zumal durch die Gewindefurchzone sichergestellt ist, dass es selbst bei einer vorsätzlich um 10 bis 15 Grad schräg angesetzten Schraube nicht zu Problemen kommen kann. Geht die Sonderschraube verloren, kann sie auch durch ein reguläres metrisches Pendant ersetzt werden. Bei selbstfurchenden Schrauben sind zudem keine weiteren Sicherungsmaßnahmen gegen selbsttätiges Lösen zu ergreifen.
Manipulationsschutz möglich
Bosch Rexroth forderte außerdem, die Verbindungen an der Gehäuseaußenseite manipulationssicher zu gestalten. Hier griff Böllhoff auf eine inzwischen hauseigene Lösung zurück: den Parryplug. Der Kunststoff-Stopfen wird in die Öffnung für den Steckschlüssel gedrückt, der Innenantrieb der Schraube ist dadurch verschlossen. Die Schraube kann auf diese Weise nicht mehr bewegt werden. Der Parryplug kann nur mit Hilfe von Werkzeugen oder durch Ausbohren entfernt werden. So lässt sich mit diesem einfachen Element eine Manipulation auch an einem Norm-Schraubenantrieb verhindern.
Das Sicherungselement ist übrigens nicht im freien Handel erhältlich. Nur der Monteur mit Berechtigung hat passende Exemplare dabei und kann so den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. „Die Hemmschwelle, etwas auszubohren, ist wesentlich höher, als eine Schraube einfach unbemerkt zu öffnen“, bestätigt Röhr. „Das System ist eine Alternative zu Sonderantrieben, für deren Montage weltweit Sonderwerkzeuge notwendig wären.“ Sowohl die Einfachheit der Montage, als auch die Wirtschaftlichkeit des Systems sprechen für den Parryplug. In Baumaschinen fungiert der Stopfen auch als Schutz, denn der Kunststoff lässt sich leichter wieder aus einer Schraube lösen als beispielsweise Betonreste.
Den kompletten Prozess planen
„Einfach nur den Einkauf auf selbstfurchende Schrauben umstellen und die Werker dann damit alleine zu lassen, funktioniert natürlich nicht“, fährt der Teamleiter fort. „Wenn der Facharbeiter am Band damit nicht klar kommt, verliert so ein Produkt schnell an Akzeptanz im Unternehmen und auch darüber hinaus.“ Daher sei es sehr vorteilhaft, bei Projekten dieser Art einen Partner wie Böllhoff Ecotech zu involvieren, der solche Aspekte schon im Vorfeld bedienen könne.
Als die ersten Prototypen montiert wurden, lief das – erwartungsgemäß – nicht sofort glatt. „Jeder realistisch denkende Ingenieur weiß, dass in diesem Stadium noch das ein oder andere anzupassen ist“, ergänzt Anwendungstechniker Maximilian Betz. So ließen sich bei den ersten Versuchen konstruktionsbedingt nicht alle Schrauben vollständig senkrecht eindrehen, bei anderen konnten die prognostizierten Anzugsmomente nicht erreicht werden. „Die Gründe konnten wir aber schnell erkennen und entsprechende Hinweise an die Konstrukteure und die Fertigung geben. Dann lief alles glatt.“ Die Eignung der Direktverschraubung konnte so durch die Beratung schnell nachgewiesen werden.
„Wenn der Facharbeiter am Band mit einer Lösung nicht klar kommt, verliert ein Produkt schnell an Akzeptanz im Unternehmen – deswegen ist es sehr vorteilhaft, bei Projekten dieser Art einen Partner wie Böllhoff Ecotech zu involvieren.“
Von der Vorauswahl bis zur Serienfertigung
Böllhoff Ecotech unterstützt daher nicht nur bei der Vorauswahl der Produkte und der Auslegung der Verbindung, sondern auch auf dem Weg zur Serienfertigung. Dazu gehört laut Andre Röhr auch, die möglichen Schwankungen und Toleranzen von Bauteil, Schraube und Montage zu betrachten und den Prozess entsprechend sicher auszulegen. „Das funktioniert aber nur zusammen mit den Entwicklern, dem Qualitätsmanagement und der Montageabteilung des Kunden.“
Böllhoff betreibt zudem ein eigenes Labor inklusive Prüffeld. Dort können etwaige Probleme auch selbst untersucht werden. Die Ergebnisse werden dokumentiert, um anhand dieser eine Lösungsfindung herbeizuführen. „Das unterscheidet uns vom klassischen Ingenieurdienstleister“, betont Maximilian Betz. Die ersten Prototypen wurden daher direkt bei Böllhoff hinsichtlich ihrer Tauglichkeit untersucht. Dabei erkannten die Experten schnell, dass die Bearbeitung weiter optimiert werden muss. „Jemand, der damit weniger erfahren ist, hätte Unstimmigkeiten in diesem Stadium eventuell nicht erkannt. Bei später auftretenden Problemen an der Verbindung wäre dann eventuell eher die Direktverschraubung an sich als untauglich angesehen worden.“
Beschaffung kleiner Mengen als Plus
Ein weiterer Vorteil ist, dass Böllhoff den Markt sehr genau kennt und bereits für die Vorserienfertigung spezielle Sonderschrauben beschaffen kann. Bei den Stromschienen-Verschraubungen waren das etwa Kombischrauben mit zwei Scheiben – eine Spannscheibe und eine als Unterlegscheibe – und zusätzlicher mikroverkapselter Klebstoff zur Sicherung. Hier waren mehrere Faktoren zu beachten:
- Konstante Flächenpressung an den Kupferteilen trotz hohen Temperaturschwankungen,
- Verbindungen von Kupfer, Stahl und Aluminiummaterialien sowie
- Vibrationssicherheit gegen selbsttätiges Lösen.
„Solche Produkte in kleinen Mengen zu beschaffen, ist nicht ganz einfach“, berichtet Betz. „Bei Schrauben gelten 10.000 Stück noch als eher kleine Losgröße.“ Böllhoff sei aber als Großhändler mit keinem Produkt verheiratet. „Wir können den Kunden daher absolut neutral beraten, uns aus allen Töpfen bedienen und dadurch die optimale Lösung für die jeweilige Verschraubung empfehlen.“
Projektbegleitung optimiert Ergebnis
Zum eLION-Projekt stießen die Böllhoff-Experten im Herbst 2020, im darauffolgenden Frühjahr wurden erste Prototypen montiert. Nach Abschluss der Vorserie wurde vor Ort an der Montagelinie mit den Entwicklern von Bosch Rexroth jeder Schraubprozess noch einmal geprüft und die Schraubparameter wurden validiert. „Wir sind nach wie vor unterstützend an Bord, um die Verbindungen und deren Montageprozesse auf dem Weg zur Serienlösung weiter zu optimieren – bis es wirklich absolut top passt“, betont Böllhoff-Spezialist Betz.
Künftig möchten die Ecotech-Experten auch durch Online-Seminare dabei unterstützen, das Wissen bei Bosch Rexroth zu erweitern – so dass die Produktentwickler sensibilisiert für diese Themen sind und selbstständig ähnliche Herausforderungen angehen können. „Wir wollen bewusst nicht bei jedem Projekt beteiligt sein – sondern Basiswissen und Projektierungsaufgaben vermitteln und als Problemlöser zur Verfügung stehen“, fasst Teamleiter Andre Röhr zusammen. Deswegen böte man die Beratungsdienstleistung auch kostenlos an, selbst wenn dafür viele Termine, Berechnungen und Versuche erforderlich seien. „Unser Lohn ist die langjährige Kundenbeziehung – die Systempartnerschaft.“ Die besten C-Teile seien schließlich jene, die keiner bemerke, schließt sich Maximilan Betz an. „Sie sind unauffällig und funktionieren einfach. Das wollen wir bei Böllhoff Ecotech für alle von uns verkauften Produkte erreichen.“
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