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Offene Steuerungstechnik erlaubt Einsatz eigener Software

Automatisierung bei Spritzgießmaschinen
Offene Steuerungstechnik erlaubt Einsatz eigener Software

Servomotorisch angetrieben, bietet die neue Heißkanallösung Yudrive 2 von Yudo EU einige Vorteile gegenüber hydraulisch oder pneumatisch angetriebenen Systemen. Die steuerungstechnische Umsetzung profitierte dabei von der PC-basierten Steuerungstechnik von Beckhoff. Die konsistente und offene Steuerungssoftware ermöglichte die Integration der von Yudo entwickelten Formflusssimulationssoftware. Vorteile ergaben sich auch hinsichtlich der Kompaktheit der Steuerungstechnik.

 

Thomas Kosthorst, Business Management Plastic Processing Machines/Hydraulic Applications, Beckhoff Automation

Am Anfang des Entwicklungsprozesses der neuen Heißkanallösung Yudrive 2 von Yudo EU stand die Idee, ein Heißkanalsystem auf Basis der Servomotortechnik zu realisieren. Kommen bei herkömmlichen Systemen hydraulisch oder pneumatisch angetriebene Nadeln zum Öffnen und Schließen der Düse zum Einsatz, verspricht eine servomotorische Lösung Vorteile in Bezug auf Prozesssteuerung, Qualität, Energieeffizienz, Größe und Rückstandsfreiheit.

„Dazu brauchten wir einen innovationsfreudigen Partner im Bereich der Automatisierung“, berichtet Francisco Milhinhos, Geschäftsführer von Yudo EU. „Über den portugiesischen Distributor Bresimar stießen wir auf Beckhoff und die leistungsstarke PC-basierte Steuerungstechnik.“ Gemeinsam konnte man so das sehr flexible, präzise und effiziente Heißkanalsystem Yudrive 2 entwickeln.

Kompakte Lösungen für I/O, IPC und Motion Control

Da die Kompaktheit eines der Hauptkriterien bei der Lösungssuche war, entschied sich Yudo für Ethercat-Steckmodule der EJ-Serie als I/O-Ebene. Diese basieren auf den bewährten Ethercat-Klemmen, jedoch verfügen die EJ-Module anstelle von Klemmkontakten auf der Vorderseite über einen Steckverbinder auf der Rückseite, der ein direktes Aufstecken auf eine applikationsspezifische Leiterkarte ermöglicht. Dieses Signal Distribution Board – in diesem Fall eine kundenspezifische Entwicklung von Beckhoff – enthält neben den Steckmodulen auch die Anschlussebene für die Sensoren und Aktoren. Dies ermöglicht einen kleineren Formfaktor der kompletten I/O-Lösung sowie weitere Vorteile im Fertigungsprozess des Yudrive 2.

Durch den einfachen Anschluss von EJ-Modulen und vorkonfektionierten Kabeln an die Signal Distribution Boards entfällt die zeitaufwändige und fehleranfällige Einzeladerverdrahtung. Das spart Zeit und senkt die Kosten sowie den Bedarf an geschultem Fachpersonal. Der gleiche Vorteil zeigt sich auch bei Reparatur und Wartung.

Größe der Steuereinheit um 70 % reduziert

Der Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6015, der ebenfalls auf dem Signal Distribution Board montiert ist, trägt gleichermaßen zum geringen Platzbedarf der gesamten Lösung bei. Insgesamt konnte die Größe der Steuereinheit im Vergleich zu einer herkömmlichen Lösung um 70 % reduziert werden, so Francisco Milhinhos. Die gesamte Steuerung ist in einem Aluminiumgehäuse gekapselt und kann je nach Einbausituation beim Kunden entweder direkt auf oder neben dem Spritzgieß-Werkzeug platziert werden.

Ein einziges Signal Distribution Board kann bis zu vier Servoendstufen EJ7211-9414 mit One Cable Technology (OCT) und STO-Funktionalität aufnehmen, die jeweils einen AM8122-Servomotor ansteuern. Für jedes Signal Distribution Board steht eine 1-phasige Stromversorgung von Beckhoff zur Verfügung: ein 24-VDC-Gerät PS1011-2410-0000 mit 10 A Ausgangsstrom und 240 W Ausgangsleistung sowie zwei 48-VDC-Geräte PS3011-4820-0000 mit 20 A Ausgangsstrom und 960 W Ausgangsleistung. Typische Heißkanalsysteme, die von Yudrive 2 gesteuert werden, bestehen aus bis zu 16 Nadelverschlusseinheiten, für die der Anschluss von 16 Servomotoren nötig ist. In diesen Fällen können weitere Signalverteiler mit einer frei einstellbaren Anzahl von Schiebern und der entsprechenden Anzahl von Ethercat-Steckmodulen EJ7211-9414 und Servomotoren AM8122 angeschlossen werden. Dies ermöglicht eine modulare Systemarchitektur, bei der immer ein Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6015 als zentrale Steuerungseinheit fungiert.

Anpassung von Motorkennlinie und Getriebeübersetzung

Während des Einspritzvorgangs sorgen Servomotor und Schneckengetriebe für eine lineare Bewegung der Nadel mit entsprechendem Drehmoment. Die Motorkennlinie und die Getriebeübersetzung mussten optimal auf die Anforderungen an Einbauraum und Drehmoment abgestimmt werden. Durch die hauseigene Entwicklung und Fertigung von Servomotoren konnte Beckhoff die speziellen Anforderungen dieses Einspritzvorgangs erfüllen. Eine modifizierte Wicklung sowie die Anpassung von Welle und Flansch sorgen dafür, dass der Servomotor AM8122 die geforderte Leistung ohne Vergrößerung des Formfaktors liefert und die mechanische Kopplung zum Schneckengetriebe ermöglicht.

Damit konnte auch die kompakte Bauweise der Lösung sichergestellt und der bewährte Getriebetyp in der Konfiguration beibehalten werden. Folglich ersetzte die Servotechnik die übliche Fluidtechnik, wodurch das Risiko einer Produktverunreinigung durch Ölleckagen eliminiert und Ausschuss in der Produktion vermieden wird. Darüber hinaus reduzierte der höhere Wirkungsgrad der Servomotorlösung den Energiebedarf im Vergleich zu herkömmlichen Konzepten.

Materialfluss-Simulation erhöht Effizienz und Flexibilität

Auch softwareseitig profitiert der Yudrive 2 von der PC-basierten Steuerungsphilosophie von Beckhoff, wie Francisco Milhinhos bestätigt: „Yudo hatte bereits eine Formflusssimulationssoftware für den gesamten Einspritzprozess entwickelt, welche die Erstarrungsgeschwindigkeit des eingespritzten Rohmaterials und andere Prozessgrößen wie Druck und Temperatur berücksichtigt. Diese Software konnte nahtlos in die neue Steuerungsarchitektur integriert werden.“ Als Ergebnis der Simulation kann ein Rezept generiert werden, das dann auf den C6015 geladen und in Twincat 3 ausgeführt wird.

Mit dem Start des Einspritzvorgangs werden die Werkzeugventile schrittweise geöffnet und geschlossen. Der Einsatz von Twincat 3 NC PTP Motion Control in Kombination mit der dynamischen und kompakten Servolösung ermöglicht eine hochpräzise Regelung der Verschlussnadeln. Dies führt zu einer gesteigerten Prozessqualität, Kosteneinsparungen und einem reduzierten Materialverbrauch, da das Auftreten von ablaufendem Material, Oberflächendefekten und fehlerhaften Teilen minimiert wird. Twincat 3 NC PTP ermöglicht darüber hinaus auch einen Wechsel von der Positions- zur Drehmomentregelung zur Laufzeit. Auf diese Weise kann das Drehmoment der Servoachse während des Öffnens und Schließens des Nadelverschlusses geregelt werden, was eine Überlastung der Nadel verhindert und somit die Lebensdauer erhöht. Der intelligente Steuerungsansatz verbessert auf diese Weise zum einen die Produktqualität, bringt aber auch dem Endanwender eine noch nie dagewesene Flexibilität.

Yudrive 2 kann mit einer Vielzahl von Werkzeugen kombiniert werden, um unterschiedliche Teile zu produzieren, da Twincat 3, das Herzstück von Yudrive 2, automatisch den Typ des an die Steuerung angeschlossenen Werkzeugs erkennt. Die Anpassung des Spritzgießprozesses ist dann innerhalb des bekannten Workflows von der Simulation bis zur Rezepturbereitstellung und -ausführung möglich. Die Vielseitigkeit von Yudrive 2 führt auch zu weitreichenden Standardisierungsmöglichkeiten, die dem Anwender Investitionssicherheit für zukünftige Produkte bieten, da das gleiche Steuerungssystem auch in Kombination mit neuen Werkzeugen verwendet werden kann.

Wartung und Service profitieren

Eine gemeinsame Steuerungsplattform vereinfacht zudem den Betrieb und die Wartung, da nur ein Systemtyp gewartet werden muss. Die Bediener werden durch umfassende Diagnoseinformationen unterstützt. Die Anzeige der Diagnosedaten erfolgt über ein von Yudo entwickeltes, reaktionsschnelles HTLM5-basiertes HMI, das über ADS mit Twincat 3 kommuniziert. Ein Fernzugriffspunkt wird über einen WLAN-USB-Stick CU8210-D001 eingerichtet, der außerhalb des Gehäuses montiert und durch einen IP66-Gehäusedom CU8210-M001 von Beckhoff geschützt ist. Dies ermöglicht die einfache Anbindung mobiler Geräte wie etwa Tablets, auf denen das HMI in einem Browser dargestellt wird. Damit stehen dem Bediener eine Vielzahl von Funktionen zur Verfügung, wie etwa das manuelle Laden einer Rezeptur, das Testen des Öffnens und Schließens von Nadelventilen sowie die Überwachung von Temperatur, Drehmoment und Motorposition. Dadurch konnte die Prozesstransparenz deutlich verbessert werden, was die Qualität der Produkte und die Verfügbarkeit der Maschine weiter erhöht.

Fazit

„Yudrive 2 hat es uns ermöglicht, uns einen Schritt vor unseren Mitbewerbern zu positionieren“, fasst Francisco Milhinhos das Ergebnis der Entwicklung zusammen. „Mit dieser Lösung haben wir ein neues Modell eines kompakten, robusten und effizienten Elektroantriebs auf den Markt gebracht, das es dem Kunden ermöglicht, eine Reihe von Problemen zu lösen, die mit herkömmlichen Methoden nicht zu bewältigen sind. Alle gestellten Anforderungen sind erfüllt worden.“ Da Yudo ein multinationales Unternehmen mit mehreren Fertigungszentren für Werkzeuge und Heißkanalsysteme ist, dürften auch andere Märkte von der innovativen Lösung profitieren. So wird Yudrive 2 derzeit in den Yudo-Produktionsstätten in China eingeführt. (co)

www.beckhoff.de

Weitere Details zur PC-basierten Steuerungstechnik für Kunststoffmaschinen


Der Anwender

Yudo EU S.A. ist Teil des 1980 gegründeten multinationalen Unternehmens Yudo mit Hauptsitz in Südkorea, das sich auf Lösungen für die Kunststoffindustrie und Heißkanalsysteme für Spritzgieß-Werkzeuge spezialisiert hat sowie mit neun Produktionsstätten, 19 Tochtergesellschaften und 19 Vertretungen auf fünf Kontinenten präsent ist. Yudo ist in allen Anwendungsbereichen der Kunststoff-Spritzgießindustrie tätig, zum Beispiel in der Automobilindustrie, der Medizintechnik, bei Haushaltsgeräten, Verpackungen und Körperpflegeprodukten.

Yudo EU wurde 2003 in Portugal gegründet und entwickelt Heißkanal-Spritzgießsysteme hauptsächlich für den europäischen und amerikanischen Markt. Heißkanalsysteme werden in Spritzgießwerkzeugen eingesetzt, um zu verhindern, dass der geschmolzene Kunststoff abkühlt und aushärtet, bevor er in die Kavität eingespritzt wird. Ein Heißkanalsystem besteht aus Heißkanälen und einem Nadelverschlusssystem zur Steuerung des Einspritzvorgangs in die Kavität sowie einer Regeleinheit.

www.yudoeu.com

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