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Roboter-Automatisierungs-Baukasten ermöglicht flexible Kinematik

Roboter als integraler Bestandteil der Maschine
Eine Kinematik für jede Applikation

Mit dem modularen Industrieroboter-Baukasten Atro ermöglicht Beckhoff die Umsetzung produktionsfertiger Maschinen mit komplett integrierter Robotik und eigener Kinematik. Das Engineering profitiert dabei von der Integration in die hauseigene PC-basierte Steuerungstechnik. Ein Pluspunkt ist die interne Medienführung für Daten, Energie und Fluide. Diese wurde so realisiert, dass sich alle Achsen endlos drehen können.

 

Uwe Bonin und Thomas Rettig, Produktmanagement Atro, Beckhoff, Verl

Inhaltsverzeichnis

1. Zwei Grundmodule mit Antrieb als Basis
2. Zusatzmodule für passende Roboterstrukturen
3. Interne Medienführung als Plus
4. Systemintegration ermöglicht einfaches Engineering
5. Automatisierungssystem aus einer Hand
6. Freiheit der Konstruktion bleibt erhalten
7. Nachgefragt: „Der Programmieraufwand sinkt deutlich“
8. Systemvorteile

Automation Technology for Robotics (Atro) nennt sich ein neues Konzept für Robotik-Applikationen der Beckhoff Automation GmbH & Co. KG, Verl. Dabei handelt es sich um einen modularen Baukasten, aus dem sich flexibel für jede Anwendung die passende Roboterkinematik zusammenstellen lässt.

Anwender können aus den zur Verfügung stehenden Modulen nahezu beliebige Roboterbauformen für ihre Anwendung erstellen – angefangen bei einer simplen 1-Achs-Rundtakttisch-Applikation über Delta-Kinematiken bis hin zu mehrachs-seriellen Robotern. Entscheidend für eine einfache Inbetriebnahme und Handhabung ist dabei die ganzheitliche Perspektive von Beckhoff, denn erst die direkte Integration des Robotersystems in die hauseigene PC-basierte Steuerungstechnik ermöglicht eine wirklich durchgängig optimierte Komplettlösung für die Maschine beziehungsweise Anlage. Dies reduziert die Anzahl der benötigten Steuerungen, auch bei mehreren Robotern, auf einen Industrie-PC.

Zwei Grundmodule mit Antrieb als Basis

Eine Atro-Kinematik ist aus aktiven Gelenken – den Motormodulen – aufgebaut. Die Motormodule gibt es in unterschiedlichen Bauformen: gerade Module in I-Form oder abgewinkelte Module in L-Form, die in fünf Leistungsgrößen ausgeführt werden. Jedes Motormodul bildet ein vollständiges Antriebssystem für eine Achse des Roboters, das heißt die gesamte Elektronik zur Regelung der Achsen ist in den Modulen verbaut: ein Ethercat-basierter 48-V-Servoverstärker, der Motor mit Dual-Geber und Bremse sowie ein hochkompaktes Getriebe. Die Robotersteuerung reduziert sich dadurch auf eine einfache Steuerung oder integriert sich in die bereits vorhandene Maschinensteuerung. Als externe Komponenten werden somit lediglich eine Spannungsversorgung und eine Steuerung benötigt, was den Platzbedarf im Schaltschrank erheblich reduziert.

Zusatzmodule für passende Roboterstrukturen

Neben den aktiven Motormodulen gibt es folgende Verbindungsmodule ohne eigenen Antrieb:

  • Basismodule als Sockel, inklusive der Medieneinspeisung,
  • Linkmodule in I-, L- und Y-Form zur Realisierung individueller Roboterkonfigurationen, und
  • Systemmodule, mit denen sich Zusatzfunktionen wie etwa eine Kamera integrieren lassen.

Mit all diesen Komponenten können individuell und flexibel passende Roboterstrukturen für unterschiedlichste Applikationen zusammengestellt werden, denn nicht immer wird ein 6-Achs-Knickarmroboter benötigt. Eine Pick-and-place-Aufgabe kommt häufig mit vier Freiheitsgraden aus und benötigt daher auch nur vier Achsen.

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Zwei eingesparte Antriebsachsen verringern entsprechend die Kosten und reduzieren das Gewicht beziehungsweise erhöhen die zulässige Traglast. Weiterhin können mit den gleichen Motor- und Linkmodulen ganz unterschiedliche Kinematiken zusammengestellt werden, was die Varianz im Lager minimiert und die Flexibilität vergrößert. Zumal die standardisierten Motormodule zusammen mit Linkmodulen in den unterschiedlichen Ausführungen und Längen eine fast unbegrenzte Zahl an Mechanik-Kombinationen zur Umsetzung eigener Kinematiken ermöglichen. Hierzu zählen:

  • 1-Achs-Rundtakttisch mit integr. Energieführung
  • 2-Achs-Nachführungseinheit
  • 3-Achs-Delta-Roboter
  • 4-Achs-Pick-and-place-Roboter
  • 5-Achs-Palettier-Roboter
  • 6-Achs-seriell-Roboter
  • 7-Achssystem zur Erhöhung der Reichweite/Gelenkigkeit für schwer zugängliche Umgebungen.

Interne Medienführung als Plus

Alle verwendeten Module sind über das Atro-Interface miteinander verbunden, das eine starre Verbindung garantiert und zudem die eingespeisten Medien intern durchleitet. Daten, Energie und Fluide (Druckluft, Vakuum oder Wasser) werden somit in der Atro-Kinematik durch die Module innen geführt. Herkömmliche Roboterlösungen führen diese außen und sind daher in der Rotation und Nutzung des Arbeitsraums eingeschränkt. Diese Limitierung entfällt bei Atro vollständig – jede Achse ist endlos drehbar, was eine bessere kartesische Erreichbarkeit sowie kurze Positionierungswege ermöglicht. Weiterhin werden Störkonturen etwa aufgrund außen liegender Kabel und insbesondere bei Cobots Störmomente durch eine externe Medienführung vermieden.

innenliegende_Medienführung_vom_Sockel_bis_zum_Endeffektor
Einer der wesentlichen Systemvorteile ist die innenliegende Medienführung vom Sockel bis zum Endeffektor. Sie erlaubt zudem eine endlose Drehung aller Achsen.
Bild: Beckhoff

Hinzu kommt, dass über die Atro-Interfaces die Medien wieder ausgeleitet werden und sich nahezu beliebige Roboter-Werkzeuge – etwa mechanische, pneumatische oder elektrische Greifersysteme – einfach anbinden lassen. Außerdem sind alle Mediendurchführungen konstruktiv so ausgeführt, dass die endlose Drehung der Achsen durchgängig bis hin zum Endeffektor erhalten bleibt.

Systemintegration ermöglicht einfaches Engineering

Mit Atro bietet Beckhoff ein hochflexibles Robotersystem, das durch die tiefgehende Integration in die Automatisierungssoftware Twincat über alle wesentlichen Maschinenfunktionalitäten verfügt. Hierzu zählen Bildverarbeitung für komplexe Applikationen (Griff in die Kiste), Verbesserung der Bewegungsperformance durch Machine Learning oder die direkte Cloud-Anbindung für Analyse und Wartung. Durch die Verwendung von offenen Schnittstellen und universellen Standards werden ein Plug-and-play der erstellten Roboterkonfiguration sowie ein einfaches Engineering ermöglicht.

Laseraugen für die Robotik

Die in einer Steuerung konzentrierte Funktionsvielfalt minimiert die Hardware-Kosten, sorgt für Synchronität aller Komponenten sowie geringe Totzeiten in der Datenkommunikation. Dies beinhaltet auch die direkte Kombination mit Transportlösungen wie XTS und XPlanar. Weitere Bereiche wie etwa Kommunikation, funktionale Sicherheit und die eigentliche Applikation lassen sich mit geringem Aufwand erstellen. Das ermöglicht nicht nur die Konfiguration einer leistungsfähigen Gesamtlösung mit maximiertem Anlagen-Output, sondern auch eine deutliche Reduzierung des Maschinen-Footprints.

Automatisierungssystem aus einer Hand

Mit der Erweiterung des Beckhoff-Portfolios durch Atro bekommen Maschinenbauer und Anwender erstmals die Möglichkeit, komplett integrierte Automatisierungslösungen umzusetzen. Der ganzheitliche Systemgedanke kommt dabei doppelt zum Tragen: Zum einen mit optimal abgestimmten Soft- und Hardwarekomponenten aus einer Hand – von der Spannungsversorgung der Maschine bis hin zu Cobot-fähigen Modulen –, zum anderen mit einer kompletten Integration aller Funktionalitäten auf einer Steuerungsplattform – Robotik, PLC, Vision, Safety, Cloud, Machine Learning usw.

Atro markiert damit als nahtlos eingebundene Steuerungskomponente einen Wendepunkt in der Entwicklung von Robotern und ermöglicht es dem Maschinenbau, ‚produktionsfertige‘ Maschinen mit komplett integrierter Robotik und eigener Kinematik anzubieten. Die Zukunfts- und Investitionssicherheit der Maschine wird dabei durch die Modularität und Skalierbarkeit der kompletten Lösung sichergestellt. Der Roboter kann flexibel an unterschiedlichen Maschinen eingesetzt und die Applikation einfach an neue Aufgaben angepasst werden.

Freiheit der Konstruktion bleibt erhalten

Entscheidend ist hierbei die absolute Freiheit in der Roboter- oder Cobot-Konfiguration. Denn erst durch die skalierbaren und einfach steckbaren Motor- und Linkmodule lassen sich nicht nur individuelle, sondern auch jederzeit erweiter- und veränderbare Roboterlösungen realisieren. Maschinenbauer können flexibel ihre eigenen Kinematiken umsetzen und Endanwender ihre Robotiklösung zu jedem Zeitpunkt einfach und schnell den veränderten Produktionsbedingungen anpassen. Und zwar sehr effizient: Die jeweiligen Strukturen werden von der Steuerung gescannt und die Twincat-Robotik-Funktionen erstellen automatisch die entsprechende Steuerungsapplikation – samt digitalem Zwilling. (co)

www.beckhoff.com

Weitere Details zum Robotik-Baukasten Atro


Nachgefragt: „Der Programmieraufwand sinkt deutlich“

Was ist der Hauptvorteil eines in die Automatisierungstechnik integrierter Roboterbaukastens?

Dr. Guido Beckmann (Beckhoff): Eine Hauptaufgabe bei der Roboterintegration besteht bisher darin, die Schnittstellen zwischen den Steuerungssystemen zu beherrschen. Das benötigt in der Regel sehr viel Aufwand – bis zu 80 % des Programmieraufwands –, der nicht wertschöpfend ist. Im Atro-System übernimmt eine PC-basierte Steuerung mit der Automatisierungssuite Twincat all diese Aufgaben und hilft gleichzeitig, dass alle Prozesse synchronisiert zueinander arbeiten und die Daten allen Prozessen gleichzeitig zur Verfügung stehen. Dadurch werden auch komplexe Applikationen möglich: Die Kombination aus Liniensteuerung, Vision und Robotersteuerung kann für die Vereinzelung von Produkten in Sortierprozessen genutzt werden (Griff in die Kiste). Machine-Learning-Funktionalitäten in der Steuerung können bei der Optimierung von Bewegungen und der Pfadplanung helfen. Bewegungseinschränkungen gibt es nicht, da alle Achsen des Atro-Systems endlos rotieren können. Und letztendlich reduziert der Wegfall einer externen Robotersteuerung den Platzbedarf im Schaltschrank erheblich.

Dr._Guido_Beckmann,_Senior_Produktmanager_Atro,_Beckhoff
„Der Kunde kauft nur das, was er braucht, und nicht das, was auf dem Markt verfügbar ist“, sagt Dr. Guido Beckmann, Senior Produktmanager Atro bei Beckhoff.
Bild: Beckhoff

Gibt es wirtschaftliche Punkte, die für das System sprechen?

Beckmann: Der wirtschaftliche Hauptvorteil für den Anwender liegt darin, dass sich der Roboter erstmals aus der Anwendung ableitet und nicht wie bisher umgekehrt. Der Kunde kauft nur das, was er braucht, und nicht das, was auf dem Markt verfügbar ist. Mit unserem System können wir garantieren, dass der Kunde immer das effizienteste System – angepasst an die Anwendung – zusammenstellen kann. Die Verwendung der gleichen Motor- und Linkmodule in unterschiedlichen Zusammenstellungen verringert zudem die Varianz im Lager, reduziert dadurch Kosten und erhöht gleichzeitig die Flexibilität. Im Falle einer Störung können einzelne Module schnell ausgetauscht werden – dazu muss nicht mehr wie bisher der ganze Roboter durch einen bestellten Spezialisten gewartet werden. Das reduziert die MTTR-Zeiten (Mean Time To Repair) und erhöht somit die Verfügbarkeit der Maschine für die Applikation.

Gibt es Vorteile mit Blick auf die Nachhaltigkeit?

Beckmann: Der nachhaltigste Aspekt ist, dass mit diesem neuen System nur so viele Achsen installiert werden, wie sie für die Anwendung wirklich notwendig sind. Denn nicht jede Applikation benötigt einen 6-Achs-seriellen Knickarm-Roboter. Palettieraufgaben können mit fünf Freiheitsgraden gelöst werden, Pick-and-Place-Aufgaben häufig auch mit vier Freiheitsgraden oder mithilfe einer 3-Achs-Delta-Kinematik. Im Jahr 2022 wurden zirka 200.000 6-achsige Roboter weltweit installiert. Wir gehen davon aus, dass ca. 40 % mit einem 5-achsigen System ausgekommen wären. Für eine reine Pick-and-Place-Anwendung reicht das aus, teilweise werden sogar weniger Achsen benötigt. Damit hätten wir ca. 100.000 Achsen eingespart. Das wiederum würde 20.000 5-achsigen Robotern entsprechen.


Systemvorteile

Wie von der PC-basierten Steuerungstechnik von Beckhoff gewohnt kann der Anwender alle Vorteile der offenen Steuerungsarchitektur nutzen. Das Atro-System – ein vollständiges Roboter-System, das die Anforderungen der entsprechenden Norm EN ISO 10218-1 erfüllt – kann an alle denkbaren Schnittstellen in der Zellen- beziehungsweise Anlagenkommunikation (Profinet, EtherNet/IP, OPC UA) oder an eine Cloud-Lösung angebunden werden. Als hochleistungsfähiges Kommunikationssystem wird Ethercat für die Ansteuerung der Module im Sub-Millisekunden-Takt genutzt. Dies bedeutet unter anderem auch eine einfache Integration von I/Os und Zustellachsen.

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