In konventionellen berührenden Dichtungssystemen presst der hydraulische Druck die Dichtungsringe auf die Gleitfläche. Dichtelemente dieser Art zeichnen sich durch eine hohe Dichtheit bei guten Laufeigenschaften aus. Reibung und Verschleiß der Dichtungen steigen aber mit zunehmendem Druck an. Auch können Stick-slip-Effekte auftreten, die eine einwandfreie Bewegung des Zylinders erschweren. Schließlich kann bei kleinen Amplituden der Schmierfilm unter der Dichtkante abreisen, was zu Verschleißerscheinungen sowohl auf den Dichtflächen als auch auf den Gegenlaufflächen an Zylinderrohr oder Kolbenstange führt. Wenn die Amplitude kleiner als die Dichtungsbreite ist, tritt dieser Effekt besonders stark auf. Denn hier ist die Bewegung zu kurz, um neues Fluid als Schmierstoff zwischen Dichtung und Lauffläche zu fördern. Als Folge besteht die Gefahr, dass sich die Dichtung in die Lauffläche eingräbt und dabei metallische Bauteile und die Dichtung selbst beschädigt.
Für viele Anwendungen besonders im Test- und Prüfbereich hat Hänchen nun ein neues Dichtsystem für den Kolben und für die Kolbenstange entwickelt. Bei der Dichtung Servoseal kommen Verbundwerkstoffe ins Spiel, um Anwendungen mit kleinen Amplituden zu realisieren, ohne dass Verluste durch Funktionsöl, Reibung oder Verschleiß auftreten. „H-CFK ist ein hochfester Werkstoff. Aus ihm stellen wir die Rückhalteringe her, die die hydraulische Anpressung auf die Dichtfläche reduzieren“, erläutert Klaus Wagner, Leiter der Entwicklung des Familienunternehmens. „Außerdem können wir so Umsätze generieren, die bisher nicht möglich waren.“ Die Erfahrung in der Verarbeitung von Carbon konnte Hänchen in den vergangenen Jahren bei der Produktion und Entwicklung des eigenen Werkstoffes H-CFK sammeln.
Durch den Einsatz dieser H-CFK-Rückhalteringe entstehen Dichtsysteme, die sich durch sehr geringe Reibwerte auszeichnen. Die Haft- und Gleitreibung von Servoseal ist nur geringfügig über den Werten der Drosselspaltsysteme Servofloat und Servobear. Sie liegen aber weit unter den Werten berührender Systeme wie Servocop.
Die Servoseal-Dichtungen sind materialbedingt bis zu einer Temperatur von +80 °C einsetzbar. Der Kunststoff und das verbaute H-CFK haben eine hohe Beständigkeit gegenüber verschiedenen Medien. Der Einsatzbereich, ein äußerst hochfester Werkstoff, ist sehr weit: So kann die Servoseal in die Standardbaureihen 120 und 300 ebenso eingesetzt werden wie in der Prüfzylinder-Baureihe 320. Das bietet Prüfanwendern jetzt die neue Möglichkeit, bei leichten Prüfaufgaben auch trotz kleiner Amplituden bei Frequenzen bis 25 Hz, geringen Seitenkräften und hohen Beschleunigungen auf die kostengünstigere Baureihe 300 umzusteigen. Und das mit allen beschriebenen Vorteilen: wenig Reibung, wenig Verschleiß und kein Funktionsöl wie bei Drosselspaltdichtungen. Mit dieser Baureihe sind auch Hübe bis 1500 mm und Schwenkbewegungen des Zylinders realisierbar. Aber auch die typischen Prüfzylinder der Baureihe 320 für hochdynamische Bewegungen und hohe Seitenkräfte können in vielen Einsatzfällen mit dem Servoseal ausgestattet werden und damit einen besseren hydraulischen Wirkungsgrad erzielen. Zudem kann oft ein kleineres Regelventil eingesetzt werden, da bei Verwendung von Servoseal der Funktionsölstrom einer Drosselspaltdichtung entfällt. Das spart Kosten und erhöht je nach Einsatzfall auch die realisierbare Dynamik.
Seit Februar 2017 ist die Servoseal am Markt, der Verkauf startet im Februar 2018. „Vorteile der Servoseal sind, dass es weniger Leckage an Kolben und Stange gibt, der benötigte Volumenstrom ist geringer, außerdem sind die Ventilnenngrößen kleiner, was eine höhere Frequenz möglich macht“, berichtet Marketingleiterin Sarah Bässler. „Für unsere Kunden wird es günstiger, da es zu weniger Verlust des hydraulischen Wirkungsgrads kommt.“ Mit dem neuen Dichtungsring erhofft sich das Unternehmen neben Einsparungen von bis zu 40 % auch Marktanteile von den Wettbewerbern zu gewinnen.
Durch vernetzte Kompetenz noch besser als der Markt
„2017 war für uns unter den Gesichtspunkten technische Entwicklung und Umsatz ein sehr positives Jahr.“ So fasst Tanja Hänchen, Sprecherin der Hänchen-Geschäftsführung zusammen. „Wir haben in den vergangenen nicht so wachstumsstarken Jahren viel in Zukunftstechnologien investiert. Mit der Weiterentwicklung von Produkten wie Hydraulikzylindern, der Entwicklung des neuen Werkstoffs H-CFK, dem Ausbau von Antriebssysteme und Maschinen konnten wir Zukunftssignale geben. Und die aktuelle Entwicklung bestätigt, dass wir auf einem guten Kurs sind.“ Wer heute die Homepage oder den Messestand des schwäbischen Unternehmens besucht, findet vielfältige Angebote. Sie haben eines gemeinsam: Sie alle entstanden, weil Hänchen praktisch die gesamte Wertschöpfungskette für hochwertige Antriebe und ihre Anwendungen seit Jahrzehnten abdeckt und systematischen Kompetenztransfer betreibt.
So sind Ratio-Drive-Antriebssysteme eine konsequente Weiterentwicklung aus der Welt der hydraulischen Antriebe. Dies gilt ebenso für den neuen Verbundwerkstoff H-CFK, für Sonderprüfmaschinen, Maschinenelemente, Sicherheitskonzepte und Software für Antriebe. Auch hydraulische Produkte wie die Klemmung Ratio-Clamp, Schwingungs- und Körperschalldämpfer und Druckübersetzer haben das Hydraulik-Gen sozusagen im Fluid. Deshalb ist das Familienunternehmen mit rund 200 Mitarbeitern, darunter über zehn Auszubildende, und einem um etwa 10 % gewachsenen Umsatz zum Vorjahr ein bewährter Ansprechpartner für Entwicklung, Produktion und Service von der Einzelkomponente bis zum System.
Erfolgreich ist Hänchen auch durch ein neues Verständnis von Serien, die für kundenspezifische Anwendungen gedacht sind. Wo der Anwender mittelfristig mehr als 30 Hydraulikzylinder benötigt, lassen sich im Rahmen der Lean-Fertigung günstige, ganz individuelle Lösungen ohne Prototypenrisiko entwerfen und produzieren. Hier kommen für den Einzelfall spezifische Optimierungen zum Tragen. „Allerdings reicht dieses Instrument nicht aus, denn wir müssen mehr in die Breite gehen“, weiß die Unternehmerin. „Damit die Lean-Methode besser verinnerlicht wird, haben wir begonnen, sie auf die zweite Stufe zu heben. Auch ein neues Hallenlayout steht auf dem Plan.“
Ende 2016 wurde im bayrischen Oettingen mit dem Bau des Sägezentrums mit Hochregallager begonnen, in dem 200 t Rohmaterial gelagert werden können. „Wir hatten das Sägen outgesourct, dann aber überprüft und festgestellt, dass es besser ist, wenn wir es wieder selbst machen“, verdeutlicht Tanja Hänchen. „Dadurch sparen wir auch eine Menge Zeit und wir sind auf die Automatisierung vorbereitet.“
Details zu Hydraulikzylindern
von Hänchen
„Wir können so Umsätze generieren, die bisher nicht möglich waren“