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Masse bringt Klasse

Hydraulisches hochdynamisches Servoventil
Masse bringt Klasse

Die Massenproduktion und der Einsatz von Piezoaktoren in der Automobilindustrie ermöglichen den Aufbau eines hochwertigen Servoventil-Prototyps am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen (IFAS) der RWTH Aachen. Die damit erzielte Ventildynamik ist etwa doppelt so hoch wie die von heute kommerziell verfügbaren High Response-Ventilen vergleichbarer Baugröße.

 

Das Zeitverhalten eines steifen hydraulischen Antriebs wird vorwiegend durch die Ventildynamik geprägt. Bei der Forderung nach größeren Amplituden bei hohen Frequenzen stehen hydraulische Antriebe mit elektrodynamischen Antrieben im Wettbewerb, da ein Hydraulikzylinder auch noch bei kleinsten Amplituden hohe Kompressionsvolumenströme benötigt. Zur Steigerung der Dynamik von hydraulischen Antrieben sind daher Ventile nötig, die einen möglichst großen Volumenstrom bei hohen Ansteuerfrequenzen dem Antrieb zur Verfügung stellen können.

In direktgesteuerten Ventilen wird die Dynamik neben der Eigenträgheit des Schiebers durch die Ummagnetisierungsgeschwindigkeit konventioneller Ventilaktoren (Proportionalmagnet, Torque-Motor, Tauchspule) sowie durch die auf den Schieber wirkenden Strömungskräfte begrenzt. In solchen Ventilen sind aufwändige konstruktive strömungskraftreduzierende Maßnahmen erforderlich. Dagegen werden in vorgesteuerten Ventilen die Betätigungskräfte des Schiebers bis zu zehnmal so groß wie die Strömungskräfte, so dass die Ventildynamik in diesem Fall vielmehr durch die Begrenzung des Vorsteuervolumenstroms eingeschränkt wird. Das Zeitverhalten der Ventilaktoren innerhalb des Vorsteuersystems fließt ebenfalls in die Gesamtdynamik des Ventils ein.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurde am IFAS ein hochdynamisches Servoventil konzipiert, konstruiert und erprobt. Das Projekt wurde durch die Stiftung Industrieforschung und Forschungsfond des Fachverbandes Fluidtechnik im VDMA unterstützt.
Aufbau des Servoventils
Das Ventil besteht aus einer konventionellen hydraulischen Hauptstufe eines 4/3-Servoventils mit einem Nennvolumenstrom von 32 l/min bei einem Druckabfall von 35 bar pro Steuerkante und einem Vorsteuersystem, das vier Vorsteuerventile beinhaltet. Jedes Vorsteuerventil ist als ein 2/2-Ventil ausgeführt, das durch einen Piezoaktor stetig verstellt werden kann. Die Verstellung erfolgt unmittelbar durch einen Piezoaktor ohne jegliche mechanische oder hydraulische Wegvergrößerungssysteme. Durch die Steuerung der Durchflüsse über die Vorsteuerventile werden die Drücke Pav und Pbv in den Vorsteuerkammern geändert, die den Hauptschieber antreiben. Der Hauptschieber steuert den Volumenstrom in den Arbeitsanschlüssen A und B und wird in einem Lageregelkreis mit einem PID-Regler betrieben.
Die hohe Ventildynamik wird dadurch erschlossen, dass zum einen die Vierkantensteuerung mit ihrer größten Leistungsverstärkung innerhalb der Vorstufe eingesetzt wird und zum anderen die hohe Stelldynamik der Piezoaktoren genutzt wird.
Als Piezoaktoren werden Multilayers von Siemens VDO mit einem Nominalhub von 40 µm, einer maximalen Kraft von 2 kN und einem Spannungsbereich von 0 bis 160 V aus dem Common-Rail-Dieseleinspritzsystem der Generation PCR2 verwendet.
Aufgrund des geringen Hubes des Piezoaktors muss eine relativ hohe Druckdifferenz von 150 bar an jedem Vorsteuerventil anliegen, um den erforderlichen Vorsteuervolumenstrom zur Verfügung zu stellen. Die relativ hohe Verlustleistung wird durch die angestrebte Ventildynamik in Kauf genommen.
Hohe Grenzfrequenzen
Die Vorsteuerventile wurden zur Verringerung der Leckage in Schiebersitzbauform ausgeführt. Die verminderte Leckage der Vorsteuerventile ist für einen schnellen Druckaufbau in den Vorsteuerkammern von Bedeutung. Da eine äußere, auf den Piezoaktor wirkende Druckkraft zu einer Hubreduktion führt, werden die Vorsteuerventile statisch Druck ausgeglichen ausgelegt. Zur Berechnung der stationären Strömungskräfte während des Durchflusses eines Vorsteuerventils wurde ein CFD-Programm herangezogen. Hierbei wurde der Einfluss unterschiedlicher Geometrieparameter des Vorsteuerventils auf die Strömungskraft untersucht. Das Vorsteuerventil wird durch einen Piezoaktor geöffnet und durch eine steife Membran geschlossen.
Insgesamt wurde eine Ventildynamik erreicht, die ca. doppelt so hoch ist wie von heutigen kommerziell verfügbaren High-Response-Ventilen vergleichbarer Baugröße. So wird beispielsweise eine Grenzfrequenz von 310 Hz bei einem Eingangssweepsignal von 40 % erzielt. Die effektive Hubamplitude des Hauptschiebers beträgt bei dieser Frequenz ±0,25 mm. Bei dieser Amplitude steuert die Hauptstufe einen Volumenstrom von ca. 10 l/min bei einem Druckabfall von 35 bar pro Steuerkante. Auch im Großsignalbereich von 90 % wird eine Grenzfrequenz von 130 Hz erreicht, die dem Zeitverhalten konventioneller Ventile dieser Baugröße überlegen ist. Bei der Großsignalansteuerung führt der Hauptschieber eine Hubamplitude von ±0,78 mm aus und steuert einen Volumenstrom von etwa. 29 l/min bei einem Druckabfall von 35 bar pro Steuerkante. In solchen Anwendungen, wo die Systemdynamik durch ein Ventil eingeschränkt wird, bringt das hier vorgestellte Piezoventil Vorteile. Als Beispiele können Werkstoffprüfmaschinen, Fahr- und Flugsimulatoren, Stanzmaschinen, Spritzgießmaschinen sowie aktive Schwingungsdämpfung in Werkzeugmaschinen genannt werden. Die Vielzahl der verwendeten Standardkomponenten wie Piezoaktoren, Piezoverstärker, Hauptstufe und Positionssensor begünstigen eine industrielle Umsetzung des Ventils.
Kühlung der Aktoren notwendig
Trotz des hervorragenden Zeitverhaltens des Ventils müssen die Verlustleistung und die Baugröße der Ansteuerelektronik der Piezoaktoren kritisch betrachtet werden. Statt der hier verwendeten analogen Verstärker muss die Eignung von schaltenden Verstärkern kleinerer Baugröße mit Energierückgewinnung für diesen Ansteuerfrequenzbereich untersucht werden. Schließlich muss die Eigenerwärmung der Piezoaktoren bei hohen Frequenzen überwacht werden. Im kontinuierlichen Dauerbetrieb im Großsignalbereich können in der gekapselten Piezokeramik durch eine schlechte Wärmeabfuhr Temperaturen oberhalb der zulässigen Curie-Temperatur (150 °C bei PCR2-Aktoren) entstehen und den Aktor zerstören. Abhilfe können Aktoren schaffen, die vom Druckmedium aktiv gekühlt werden können. Die Entwicklung solcher Aktoren ist momentan Gegenstand der Forschung in der Automobilindustrie, wo die Piezoaktoren durch den Kraftstoff gekühlt werden sollen.
Dem Einsatz von Piezoaktoren in Hydraulikventilen standen bisher die geringe Zuverlässigkeit, der hohe Preis und der geringe Hub entgegen. Jedoch wurden in der Piezotechnologie in den letzten Jahren auf diesen Gebieten entscheidende Fortschritte erzielt. So wurde der Nennhub nahezu verdoppelt und Lastspiele von 109 werden heutzutage in Common-Rail-Systemen erreicht. Gleichzeitig sinken die Kosten der Aktoren durch die großen Stückzahlen in der Automobilindustrie, so dass zu erwarten ist, dass der Piezoaktor mittelfristig als ein kommerzielles Aktorprinzip für den Ventilbau zur Verfügung stehen wird.
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