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Getriebeloses Kraftpaket

Offshore-Windenergie: Generator nach dem Transversalfluss-Prinzip
Getriebeloses Kraftpaket

Die Zahl der Offshore-Windparks im Meer steigt ständig – und damit auch die Leistungsansprüche an diese Windenergieanlagen. Mit zunehmender Leistung erhöht sich allerdings auch das Gewicht und Volumen der Generatoren in den Gondeln. Für die Turmkonstruktion ist es deshalb wichtig, Generatoren mit großer Leistungsdichte zu installieren. Wenn es gelingt, die Traglast stark zu verringern, werden kleinere Gondeln oder größere Leistungen ermöglicht.

Der oben beschriebene Weg ist mit herkömmlicher Generator-Technologie jedoch kaum vorstellbar. Seit einigen Jahrzehnten sind die bisherigen Drehfeldmaschinen weiterentwickelt worden, so dass die Grenzen ihrer Ausnutzung erreicht sind. Eine deutliche Steigerung ihrer Leistungsdichte ist gegenwärtig nicht zu erwarten. Spürbare Gewichts- beziehungsweise Volumenreduktionen sind nur mit völlig neuen Maschinenkonzepten erreichbar.

Die Entwicklung eines neuartigen Höchst-Moment-Synchrongenerators in der Ausführung mit transversaler Flussführung bietet eine Alternative, um die Kraftdichte eines Windenergiegenerators bei deutlich geringeren Außenmaßen im Vergleich zu den konventionellen hochpoligen Synchrongeneratoren oder den getriebebehafteten doppeltgespeisten Asynchrongeneratoren zu steigern. Seit Jahren forscht der Sondermaschinenbauer Lloyd Dynamowerke aus Bremen in enger Kooperation mit dem Bremer Centrum für Mechatronik (BCM) daran, mit diesem Konzept Generatorgewichte und Volumen um etwa zwei Drittel gegenüber den konventionellen Direktantrieben zu verringern. Die Partner wollen einen kürzeren Triebstrang mit deutlich weniger Komponenten als bei der klassischen Getriebelösung realisieren. Mit Erfolg: Ende Februar wurde ein Prototyp in Betrieb genommen, der die Funktionalität des Prinzips nachweist. Die 50-kW-Maschinen dienen nun als Forschungsobjekt an der Universität Bremen, um die Technologie weiterzuentwickeln.
Gemeinsam mit dem Centrum für Innovative Verfahrenstechnik (CENTIV) wurde nun der nächste Schritt unternommen. Im jetzt anstehenden Vorhaben, das von der EU mit 2,5 Mio. € gefördert wird, soll die Leistung des Transversalflussgenerators um das Zwanzigfache auf 1 MW hochgeschraubt werden. Die Projektpartner gehen davon aus, dass die weitere Steigerung der Leistung auf 3, 6 oder mehr MW anschließend nur noch ein kleiner Entwicklungsschritt sein wird.
Transversalflussgenerator: mehr Freiheitsgrade
Mit einem Transversalflussgenerator (TFG) als Windenergiegenerator ergeben sich grundlegend neue Freiheitsgrade zur Konstruktion hochpoliger Generatoren bei kleinem Durchmesser. Beim TFG wird der magnetische Fluss quer zur Bewegungsrichtung geführt. Kennzeichnend für den Aufbau sind die längs zum Ständerumfang geführten Ringspulen. Die transversale Flussführung ermöglicht eine bedeutend bessere Ausnutzung des Bauvolumens des Generators. Durch eine hochpolige Maschine mit konzentrierter Kraftdichte bei relativ kleinem Durchmesser, wie sie für Windenergieanlagen sehr großer Leistung benötigt wird, wird das Leistungsgewicht entscheidend reduziert.
Die größten Nachteile des kompakten TFG sind hohe Drehmomentpulsationen und starke Geräusche sowie Vibrationen. Sie werden durch Vortriebskraft- und Normalkraftschwankungen hervorgerufen. Mittels einer intelligenten Regelung der Strangströme durch die heutige Stromrichtertechnik lassen sich diese Schwankungen allerdings nahezu vollständig vermeiden. Schnellschaltende Leistungshalbleiter in neuartigen Vollumrichtern verformen dabei derart die Ströme, dass sie die Drehmo-mentschwankungen verhindern.
Der entscheidende Vorteil des Höchst-Moment-Synchrongenerators ist, dass er ohne Getriebe auskommt. Energieverluste, die durch die Drehmomentwandlung im Getriebe entstehen, treten nicht mehr auf. Es ergeben sich Materialeinsparungen bei Kupfer, Dynamoblech und vor allem bei der Stahlkonstruktion des Turmes und der Gründung. Diese Vorteile sind bei Offshore-Anlagen besonders bedeutsam, weil das Fundament tief in den Boden eingerammt werden muss. Auch bei Spezialschiffen, Krankosten und Montagekosten auf See sind diese Einsparungen wichtig. Durch den getriebelosen Direktantrieb werden darüber hinaus Wartungsarbeiten reduziert, da das verschleißbehaftete Getriebe und Betriebsstoffe wie das Getriebeöl im Triebstrang entfallen.
Herstellung zuverlässiger Permanentmagnete
Das Prinzip der Maschine ist nicht neu: Erste Konzepte für Synchronmaschinen mit transversaler Flussführung wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt. Wegen der damals nicht verfügbaren Leistungsstellglieder konnte sich dieser Maschinentyp aber nicht durchsetzen. Bis heute ist die kommerzielle Nutzung der Technologie noch nicht geglückt, weil die Hürden – insbesondere bezüglich der Vibration – sehr hoch waren. Die ausdauernden Forschungsarbeiten von LDW und BCM, die auch vom Land Bremen unterstützt wurden, haben sich jedoch ausgezahlt. Alle Projektbeteiligten sind sehr optimistisch, dass der Transversalflussgenerator in den kommenden Jahren zur Marktreife geführt werden kann.
Zunächst müssen jedoch noch einige Herausforderungen bewältigt werden. Im Offshore-Bereich sind die Generatoren permanent der salzhaltigen und feuchten Luft ausgesetzt und unterliegen großen Temperaturschwankungen. Ein hoher Entwicklungsbedarf liegt daher insbesondere auch bei der Herstellung von zuverlässigen Permanentmagneten für die Maschinen. Hierzu bringt Atlas Magnetics Europe aus den Niederlanden das erforderliche Spezialwissen in den Verbund ein.
Für das EU-Projekt „Wingy Pro“ haben BCM und LDW aber auch noch weitere Partner ins Boot geholt. Die intelligente Leistungselektronik zur Energieeinspeisung wird von Converteam entwickelt, einem weltweit tätigen Unternehmen für elektrische Antriebstechnik und Leistungselektronik. Um den Technologietransfer zu Windenergieanlagenherstellern und Betreibern nach Ost-Europa zu tätigen sowie auch neue Investoren zu begeistern, beteiligt sich die rumänische Technologieberatungsfirma Tritecc an dem Vorhaben.
Das Projekt, an dessen Ende der funktionstüchtige 1-MW-Generator stehen soll, ist auf vier Jahre angelegt. Die EU fördert das Vorhaben, weil es einen spürbaren Beitrag zum Erreichen der europäischen Klimaschutzziele leisten kann. Bis 2020 soll der Anteil der Windenergie am europäischen Energiemix von gegenwärtig 3,7 % auf 12 bis 14 % steigen.
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