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Stahlherstellung: Per Elektrolichtbogenofen zu Green Steel

Werkstoffe: Zu den Chancen der Dekarbonisierung in der Stahlherstellung
Per Elektrolichtbogenofen zu Green Steel

Elektrolichtbogenofen oder Hochofen? Bei der Stahlherstellung bietet die Elektrolichtbogenofen-Route einen vielversprechenden Weg hin zur Dekarbonisierung – und damit Green Steel. Sie senkt den CO2-Footprint deutlich und ermöglicht über den Einsatz von Schrott den Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft – bis hin zu hochlegierten Qualitätsstählen. Stahlhersteller wie die Swiss Steel Group setzen deshalb auf diese Technologie bei der Bekämpfung des Klimawandels. Gelingen kann dies, wenn die gesamten Branche diesen Weg konsequent verfolgt und Fördermittel gleichberechtigt und sinnvoll eingesetzt werden.

Anina Berger, Vice President Corporate Marketing and Communications und Helmut Freiherr von Fircks, Communications, Steeltec AG, Schweiz

Tipp: Die Swiss Steel Group ist Aussteller unserer Konferenz Engineering 2036, die den Ideenaustausch zum Thema Nachhaltigkeit fördern will.

Inhaltsverzeichnis

1. Was unterscheidet Elektrolichtbogenofen und Hochofen?
2. Ungleiche Förderung ist nachteilig
3. Vorteile der Elektrolichtbogenofen-Route
4. Schrott – ein wertvoller Rohstoff
5. Herausforderungen im Umgang mit Schrott
6. Der Energie-Mix ist entscheidend
7. Nachhaltigkeit-Standards ermöglichen den Vergleich
8. Green Steel für den täglichen Einsatz

Die Stahlindustrie steht vor einer epochalen Herausforderung: Die Dekarbonisierung. Angesichts des wachsenden Drucks zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und der Notwendigkeit, den Klimawandel einzudämmen, müssen Stahlhersteller alternative Wege finden, um ihre Produktion umweltfreundlicher zu gestalten. In diesem Kontext gewinnt die Elektrolichtbogenofen-Route zunehmend an Bedeutung und verspricht eine nachhaltigere Zukunft für die Stahlindustrie.

Was unterscheidet Elektrolichtbogenofen und Hochofen?

Traditionell wurde Stahl hauptsächlich durch die Hochofen-Route hergestellt, die auf der Verhüttung von Eisenerz mit Koks basiert. Dieser Prozess ist jedoch äußerst energieintensiv und führt zu erheblichen CO2-Emissionen. Als Antwort darauf hat die Elektrolichtbogenofen-Route (EAF – Electric Arc Furnace) in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Dieser immer noch innovative Ansatz (bereits 1878 wurden erste Patente dazu angemeldet) nutzt Elektrizität, um Stahl aus Schrott oder direkt reduziertem Eisen herzustellen, wodurch der CO2-Ausstoß drastisch verringert wird.

Diesen Weg muss die Hochofen-Route noch gehen und benötigt für diese Transformation erhebliche Investitionen, die nur mit staatlicher Unterstützung machbar sind. In industriell großformatigem Ansatz ist die angestrebte Methode noch nicht erprobt – und ob damit die erforderlichen Qualitäten zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden können wird sich zeigen. In kleinerem Umfang, in den sogenannten Direktreduktionsanlagen, funktioniert es. Hier wird das Eisenerz durch Erdgas reduziert, zukünftig soll das grüner Wasserstoff übernehmen, der aus heutiger Sicht zu ganz erheblichen Kosten beiträgt. Das Verfahren, die sogenannte Direktreduktion, ist seit langem bekannt und wurde in der Vergangenheit gerade wegen der enormen Kosten kaum angewandt.

Ungleiche Förderung ist nachteilig

An dieser Stelle muss man auch die Frage nach der Wettbewerbsverzerrung stellen? Nachdem die Hochofen-Route sehr hohe Subventionen erhält, um in die Lage versetzt zu werden, eine Technologie zu nutzen, die die Elektrolichtbogenofen-Route seit langem erfolgreich nutzt, stellt sich die Frage nach dem Gleichgewicht. Auch die EAF-Route muss im Rahmen der Transformation erhebliche Kosten schultern, um weiter ihre herausragende Rolle in der CO2-Bilanz der Stahl herstellenden Unternehmen zu behalten und auszubauen und so ihren Beitrag zur Reduzierung von Emissionen zu leisten. Auch auf dieser Route darf und will man nicht stehen bleiben und es muss die Frage erlaubt sein, warum seitens des Staates nicht gerade auch die gefördert werden, die technologisch die Nase vorne haben?

Beispielhaft kann man die Swiss Steel Group mit ihren Werken in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, den USA und Kanada nennen, die sich entschieden hat, die Elektrolichtbogenofen-Route zu ihrem Hauptproduktionsweg zu machen. Sie ist übrigens auch Sieger des diesjährigen Deutschen Nachhaltigkeitspreis.

Engineering 2036: Nachhaltigkeit – mehr als ein Buzzword?

Vorteile der Elektrolichtbogenofen-Route

Durch den Einsatz von Elektrolichtbogenöfen in allen ihren Werken, kann sie ihren Stahl ohne den Einsatz von Kohle oder Koks herstellen, was zu erheblichen Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen führt. Lediglich die Elektroden sind aus Graphit und die Schlacke wird mit Kohlenstoffdraht aufgeschäumt. Aber auch an dieser Stelle arbeitet man bereits an emissionssparenden Innovationen. Wie beispielsweise der Elektrodenkühlung und dem Aufschäumen mittels recyceltem Plastik. Darüber hinaus ermöglicht die Flexibilität dieses Prozesses eine effiziente Nutzung von recyceltem Schrott als Rohstoff, was zur Kreislaufwirtschaft beiträgt und die Abhängigkeit von Eisenerz, aus umweltschädlichem Tagebau, wird reduziert. So wurden etwa im Jahr 2022 von Swiss Steel 2,0 Millionen Tonnen Schrott recycelt, was das Unternehmen auch zu einem der führenden europäischen Recyclingunternehmen werden lässt.

Noch etwas zur Flexibilität der Elektrolichtbogenofen-Route. Ihr großer Vorteil ist, dass man den Ofen abschalten kann – ein Hochofen dagegen muss 24/7 laufen. So kann man auf schwankende Nachfrage und Energiesituationen reagieren und die Produktion anpassen. Das gilt auch für den Stromüberschuss im Netz. Die EAF-Route kann Lastspitzen senken und das Netz entlasten, indem sie ihre Öfen gezielt einsetzt. Dieser Punkt verdient in der Öffentlichkeit mehr Beachtung.

Schrott – ein wertvoller Rohstoff

Schrott ist die Basis der Elektrolichtbogenofen-Route und damit ein sehr wichtiger und wertvoller Rohstoff. Stahl wird nicht verbraucht, sondern immer wieder neu genutzt. Die Kreislaufwirtschaft führt zu einer höheren Ressourceneffizienz. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Region wie Europa nicht Schrottreserven genauso anlegt, wie wir es auch mit anderen, systemrelevanten Rohstoffen tun. Dies wäre auch eine Antwort auf den steigenden Schrottbedarf in Europa und auf dem Weltmarkt und könnte zu etwas mehr Preisstabilität beitragen.

Im Schrott liegt aber auch eine weitere große Möglichkeit zur Reduktion des CO2-Footprints bei der Herstellung hochlegierter und rostfreier Stähle. Man geht zunehmend mehr den Weg der Abkehr von reinen Primärlegierungen wie Ferronickel, Ferromangan oder Ferromolybdän hin zu von vorn herein hochlegiertem Schrott. Gerade bei Hochleistungsstählen liegt der Anteil der Legierungszuschläge bisweilen bei über 30 Prozent. Die sind wiederum in ihrer Beschaffung besonders Energie- und CO2-intensiv.

Was sind Eisenmetalle?

Herausforderungen im Umgang mit Schrott

Entsprechend bedeutsam wird es daher, künftig vermehrt mit Qualitätsschrott anstelle von Reinmetallen zu legieren. Ganz vermeiden lässt sich der Einsatz von Primärlegierungen nicht, insbesondere für einige Spezialgüten mit speziellen Anforderungen. Um dennoch die Scope-3-Emissionen weiter zu senken, braucht es sowohl metallurgische als auch recyclingtechnische Innovationen – eine der Stärken des metallurgischen Labors der Swiss Steel Group der Ugitech in Ugine, Frankreich.

Zu den dort entwickelten Innovationen zählt das Projekt Ugi`Ring, an dem man gemeinsam mit regionalen Partnern arbeitet. Das auf zehn Jahre ausgelegte, staatlich geförderte Projekt wird helfen, den Bedarf an Primärlegierungen zu senken und so die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und den CO2-Footprint des ausgebrachten Materials weiter zu senken.

Ziel ist das weltweit erste „zirkuläre“ Stahlwerk, in dem eigene Sekundärlegierungen aus Reststoffprodukten wie Batterien, Katalysatoren und Ähnlichem hergestellt werden. So macht man sich auch unabhängig von Primärlegierungs-Lieferungen aus politisch manchmal instabilen Förderländern.

Der Energie-Mix ist entscheidend

In der Regel verwenden die Stahlwerke der Elektrolichtbogenofen-Route den Energie-Mix, der ihnen in ihrer jeweiligen Umgebung zu vertretbaren Preisen angeboten wird. Man ist aber auch in der Lage, ganz gezielt nur Strom aus regenerativen Energiequellen einzukaufen, was wiederum eine drastische Auswirkung auf den CO2-Footprint des Materials hat, das in diesen Stahlwerken hergestellt wird. So liegt beispielsweise die Qualität Green Steel Climate+ der Swiss Steel Group in ihrem CO2-Footprint bis zu 83 Prozent unter dem weltweiten Durchschnitt der Stahlerzeugung.

Was kann der CO2-Fußabdruck – und was nicht?

Die Entscheidung der Swiss Steel Group, auf die Elektrolichtbogenofen-Route zu setzen, spiegelt den Wandel in der gesamten Stahlindustrie wider. Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, ihre Produktionsprozesse zu überdenken und umweltfreundlichere Alternativen zu verfolgen. „Dieser Paradigmenwechsel ist nicht nur eine Reaktion auf regulatorische Anforderungen, sondern auch ein Akt der unternehmerischen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und zukünftigen Generationen“, so Frank Koch, CEO der Swiss Steel Group. Um die strategische Entscheidung zur Dekarbonisierung zu untermauern, hat man sich daher auch den Zielsetzungen der Science Based Targets Initiative (SBTi) angeschlossen mit der Zielsetzung, in diesem Jahr den Fahrplan zu weiterer Dekarbonisierung zu validieren.

Nachhaltigkeit-Standards ermöglichen den Vergleich

Die SBTi erarbeitete auch einen Net-Zero-Standard für Unternehmen. Dieser bietet eine klare und wissenschaftlich fundierte Definition von Netto-Null und ist ein weltweit erster Rahmen in der Privatwirtschaft für die Festlegung von langfristigen, ambitionierten und wissenschaftsbasierten Netto-Null-Zielen. Diese sollen bis 2050 erreicht werden.

Als einer der ganz wenigen Stahlhersteller weltweit hat sich die Swiss Steel Group auch dem Carbon Disclosure Project (CDP) angeschlossen. Das CDP-Projekt ist eine im Jahr 2000 in London gegründete Non-Profit-Organisation. Ihr Ziel ist es, dass Unternehmen sich gegenseitig Transparenz über ihre Emissionen verschaffen, um möglichst genaue Werte über die gesamte Wertschöpfungskette ermitteln zu können.

Green Steel für den täglichen Einsatz

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Die Swiss Steel Group will mit Green Steel den CO2-Footprint der Stahlproduktion deutlich senken und damit ihren Teil dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen.
Bild: Swiss Steel Group

Man ist also schon weit vorangekommen bei der Elektrolichtbogenofen-Route. Tatsächlich ist sie im Moment die einzige, bei der man bereits verlässlich Green Steel für jede Anwendung produzieren und jeden Tag auch Green Steel kaufen kann – aber zur Erreichung der weiteren Ziele gibt es noch viel zu tun.

Insbesondere die Verfügbarkeit von erschwinglicher und nachhaltiger Elektrizität sowie die Entwicklung leistungsfähigerer Elektrolichtbogenofen-Technologien sind entscheidende Faktoren für ihren langfristigen Erfolg. Die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit ist das Gebot der Stunde. Da können sich kurzfristige Veränderungen bei den Netzentgelten schon einmal heftig auswirken. Hier könnten beispielsweise PPA`s (Power Purchase Agreements) von Konsortien einen Lösungsansatz darstellen. Die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Industrie und Forschungseinrichtungen ist in jedem Fall unerlässlich, um diese und andere Hindernisse zu überwinden und die Dekarbonisierung der Stahlindustrie voranzutreiben.

Insgesamt steht die Elektrolichtbogenofen-Route für einen vielversprechenden Weg zur Dekarbonisierung der Stahlherstellung. Momentan ist sie absolut führend. Durch den Einsatz von innovativen Technologien und nachhaltigen Praktiken werden Stahlhersteller wie die Swiss Steel Group eine führende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels übernehmen. Es liegt nun an der gesamten Branche, diesen Weg konsequent zu verfolgen und eine nachhaltige Zukunft für die Stahlindustrie zu gestalten. (co)

swisssteel-group.com

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