Im Fall der Richard-III-Aufführung entsteht in Verbindung mit einem schwarzen Bretterverschlag mithilfe des Mahlguts eine Art überdimensioniertes Silo, das den düsteren Resonanzraum für das Shakespeare-Drama schafft. Der Bretterverschlag besteht aus Brettern mit geeigneter Maserung, die so befestigt wurden, dass sie möglichst schnell wieder zu demontieren sind. Nach jeder Aufführung müssen alle Teile des Bühnenbilds zerlegt, EPP in Schütten aufgenommen und auf Lkw verladen werden, da das Magazin des Residenztheaters unter großer Platznot leidet.
Besondere Aufmerksamkeit gilt jedoch dem aus EPP-Teilen bestehenden Bühnenboden. Bei dem hier verwendeten Werkstoff Expandiertes Polypropylen, kurz EPP, handelt es sich um einen thermoplastischen Partikelschaumstoff auf Basis des Kunststoffes Polypropylen. Der Kunststoffschaum zeichnet sich besonders durch seine mechanischen Eigenschaften aus. Durch seine Elastizität und Stoßsicherheit kommt EPP daher insbesondere in der Auto- und Verpackungsindustrie häufig zum Einsatz.
Aus Verschnittmaterial der Verpackungsproduktion
Bei dem im Residenztheater verwendeten Material handelt es sich um Produktionsverschnitt aus der Verpackungsindustrie. Die im Produktionsprozess von Formteilen zwangsläufig entstehenden Verschnittteile werden normalerweise vom Kunststoffrecycling-Unternehmen Fischer eingesammelt und mithilfe von mehreren Produktionsschritten wiederverwertet. Die so entstehenden Mahlgüter und Regranulate können dann wieder in die Herstellung neuer Produkte einfließen. Die Fischer-Gruppe besitzt bundesweit zehn Standorte und handelt und verarbeitet in diesen Kunststoffabfälle aller Art. Als Spezialist für Kunststoffrecycling war sie daher der perfekte Ansprechpartner für die Auswahl des passenden Materials für den Bühnenboden der Richard-III-Aufführung.
Die EPP-Teile der Fischer-Gruppe bilden auf der Bühne eine fast gleichmäßige, horizontale Ebene. Da der Bühnenuntergrund unter dem Material jedoch nach hinten deutlich abfällt, beträgt die Schüttung im vorderen Bereich nur wenige Zentimeter, wohingegen das Material im hinteren Bereich etwa 2 m tief ist. Aus diesem Bereich steigen die Schauspieler mithilfe von raffinierten Luken auf und wieder ab. Keine Vorhänge, keine Durchgänge, keine Türen. Der Zuschauer kann sich aufgrund des schlichten Bühnenbilds voll und ganz auf das Geschehen und die schauspielerische Leistung konzentrieren.
Werkstoff eignet sich für lockeren Bühnenboden
Auf der Suche nach einem unscheinbaren und leicht zu bespielenden Bühnenuntergrund für die Aufführung Richard III stießen Regisseur und Bühnenbildner auf den Werkstoff EPP. Mithilfe dieses Werkstoffs konnte die Fantasie eines lockeren Bühnenbodens, aus dem die Schauspieler auf- und wieder absteigen können, Wirklichkeit werden. Bei der Auswahl des Materials spielten verschiedene Anforderungen eine Rolle. Hierzu zählten z. B. die schwarze Farbe, die toxikologische Unbedenklichkeit, die fehlende Geräuschentwicklung und das geringe Gewicht. Letzteres war besonders wichtig, da das Bühnenbild wie bereits erwähnt aufgrund des ständigen Programmwechsels immer wieder ab- und aufgebaut werden muss. All diese Eigenschaften erfüllt das von Fischer produzierte Recycling-Mahlgut mit einer Korngröße von etwa 2 bis 4 cm.
Die hervorragenden Eigenschaften waren nicht zuletzt dafür verantwortlich, dass die anfängliche Skepsis der Beteiligten gegenüber dem neuen Materials letztendlich der spielerischen Begeisterung wich. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn auch in Zukunft der Werkstoff EPP in der Bühnentechnik weiter zum Einsatz kommt. bec
Mehr Informationen zum Theaterstück und die nächsten Aufführungstermine:
Detaillierte Informationen zur individuellen Herstellung von Mahlgütern:
Ifat 2018: Halle A6, Stand 323
PLUS
Richard III von William Shakespeare
Zuerst muss, wer an die Macht will, sich gegen die eigenen Leute durchsetzen. Nach einem blutigen Bürgerkrieg hat die Partei der Yorks über den anderen Arm der Herrscherfamilie, die Lancasters, gesiegt. Für Richard ist die Partei also die Familie. Auf den vorderen Listenplätzen finden sich seine älteren Brüder, angeheiratete Verwandtschaft und kleine Prinzen. Einer nach dem anderen wird ermordet werden. Anschließend muss die Zustimmung des Publikums erlangt werden, mächtige Lords mit ihren Interessen und besorgte Bürger mit ihren Ängsten. Die Inszenierung ist auf allen Ebenen, die Shakespeare seinen Richard durchspielen lässt, das Entscheidende, von der Königsfamilie bis zu den kleinen Leuten. Aber nicht die Sorgfalt der Vorbereitung oder der Faltenwurf der Ausführung ist das Bestechende an Richards Spiel, sondern das Sprunghafte, Offensichtliche, im Wortsinne Unverschämte seiner Auftritte bindet das allgemeine Interesse und macht ihn zum unbestrittenen Anziehungspunkt und Zentrum auf der öffentlichen Bühne. Sein Erfolg wie sein Scheitern liegen in Richards erschütterndem Ein-Satz-Programm begründet, das allem, dem falschen Spiel und seiner Aufdeckung, der panischen Lust am Aufstieg wie am Untergang, dem wilden Humor wie der kalten Verachtung zugrunde liegt: „I am myself alone.“
„Mit EPP-Mahlgut wurde ein lockerer Bühnenboden, aus dem die Schauspieler auf- und wieder absteigen können, realisiert