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Ableitfähige Materialien schützen elektrotechnische Bauteile

Werkstoffe
Ableitfähige Materialien – Gefahr durch elektrostatische Entladung vermeiden

Antistatische Beutel und Folienschläuche aus Polyethylen (PE) sind essentielle Produkte für die Herstellung, Lagerung und den Transport von elektronischen Bauteilen. Diese speziellen, ableitfähigen Materialien dienen dazu, elektrostatische Entladungen und somit potentielle Schäden an elektronischen Komponenten zu verhindern. Doch wie kommt es zu elektrostatischen Aufladungen, welche Risiken bringen sie mit sich und auf welche Weise können ableitfähige Umverpackungen Bauteile davor schützen?

Inhaltsverzeichnis
1. Das Prinzip der elektrostatischen Aufladung
2. Gefahrenpotentiale im chemischen Labor
3. Wie können Anlagen und elektronische Bauteile vor elektrischer Entladung und Funkenbildung geschützt werden?
4. Antistatische Beutel und Folienschläuche als ESD-Produkte
5. Von nichtleitend zu ableitfähig
6. Sichtbarkeit antistatischer Eigenschaften

Im Betrieb oder im chemischen Labor vermag der Schaden, den Elektrostatik anrichten kann, große Ausmaße anzunehmen. So kann in entsprechenden Umgebungen eine elektrostatische Entladung mittels Funkenbildung sogar zu einem Explosionsfall oder Brand führen. Aber auch für den Menschen unmerkliche Entladungen haben das Potential, empfindliche elektrische Komponenten nachhaltig zu schädigen.

Das Prinzip der elektrostatischen Aufladung

Einer elektrostatischen Entladung geht die Ansammlung von elektrischer Ladung auf der Oberfläche eines Materials voraus. Ursachen für die elektrostatische Aufladung sind vielfältig – von synthetischen Materialien bis hin zu Umwelteinflüssen.

Eine der häufigsten Ursachen ist die sogenannte Kontaktaufladung. Kommen zwei Materialien miteinander in Kontakt, kann ein durch Reibung ausgelöster Elektronenübergang an ihrer gemeinsamen Grenzfläche stattfinden. In der Folge entsteht auf einer der Oberflächen eine Schicht negativer Ladung, auf der anderen wiederum verbleibt eine positive Überschussladung. Wird dieses Ungleichgewicht der Ladungen bei anschließender Trennung der geladenen Oberflächen nicht wieder restlos aufgehoben, verbleiben zwei Ladungen entgegengesetzter Polarität auf den beiden Gegenständen, was auch als triboelektrischer Effekt bezeichnet wird. Durch häufiges Reiben der Gegenstände aneinander läuft dieser Vorgang mehrfach hintereinander ab. Besonders zwischen isolierenden Stoffen, zu denen die meisten Kunststoffe zählen, können sich so große Ladungsdifferenzen aufbauen, da die Reibungselektrizität nicht abfließen kann.

Dieser Prozess kann beispielsweise in der Kunststoffverarbeitung, bei der Herstellung von Verpackungsmaterialien wie Kunststoff-Folien oder Beuteln oder bei der Handhabung von elektronischen Bauteilen auftreten.

KUZ prüft Kunststoffe für Anwendungen in der Elektrotechnik/Elektronik

Gefahrenpotentiale im chemischen Labor

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass sich dieses Phänomen nicht nur auf Feststoffe beschränkt, sondern an allen Grenzflächen zwischen festen und/oder flüssigen Phasen auftreten kann. So lassen sich in manchen Fällen auch bei der Förderung von Flüssigkeiten in aufladbaren Schläuchen durch Eigenreibung innerhalb des Mediums sowie durch dessen Reibung am Schlauchinneren elektrostatische Aufladungen beobachten. Dies lässt sich durch den Einsatz elektrisch ableitfähiger, sogenannter antistatischer Schläuche, unterbinden.

Selbst in weniger kritischen Arbeitssituationen, etwa dem Befüllen von Laborbehältern wie Kanistern oder Fässern, kann dies zur ernsthaften Gefahr werden. Auch für solche Anwendungen stehen antistatische Laborkanister und ableitfähige Ablasshähne zur Verfügung.

Elektrostatische Entladungen sind dazu im Stande, explosionsfähige Gemische aus Gasen, Dämpfen, Nebeln oder Stäuben zu entzünden. Zu ihrer Kategorisierung, ihrer Vermeidung und hinsichtlich zu treffender Schutzmaßnahmen wurden in der EU eine Reihe von Vorschriften und Richtlinien erarbeitet, die als ATEX-Leitlinien bekannt sind. Die Bezeichnung ATEX ist dabei ein Akronym für den französischen Begriff „ATmosphères EXplosives“ und bezieht sich sowohl auf Produkte als auch auf den Umgang mit ihnen im Betrieb.

Wie können Anlagen und elektronische Bauteile vor elektrischer Entladung und Funkenbildung geschützt werden?

Wie in vielen anderen Fällen gilt auch hier: Die beste Schutzmaßnahme ist, Gefahren gar nicht erst entstehen zu lassen. Durch die Auswahl geeigneter und korrekt geerdeter Komponenten, welche das Ableiten elektrostatischer Ladung ermöglichen, anstatt diese anzuhäufen, lässt sich Reibungselektrizität adäquat vorbeugen.

Eine wichtige Kennzahl solcher Materialien ist ihre Leitfähigkeit, welche umgekehrt proportional zu ihrem Widerstand ist. Besonders von Bedeutung ist der sogenannte spezifische Oberflächenwiderstand, dem Maß, dem auf der Oberfläche eines Materials fließenden elektrischen Strom zu widerstehen, sowie der spezifische Durchgangswiderstand. Je nach Höhe dieses Widerstands bezeichnet man ein Material als isolierend, elektrisch ableitend oder leitfähig, wobei äußerliche Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur einen Einfluss auf die elektrostatischen Eigenschaften eines Materials haben können.

Isolatoren oder Nichtleiter wie beispielsweise Keramiken, Glas, Diamant oder die meisten Kunststoffe weisen einen hohen Widerstand von mehr als 109 Ohm auf. Sie leiten Ladungen also nur schlecht ab und sind deswegen zur Vermeidung von elektrostatischer Aufladung nicht geeignet. Ihr Gegenstück bilden leitfähige und ableitfähige Materialien. Als ableitfähig bezeichnet man Materialien mit einem Oberflächenwiderstand zwischen 105 bis 109 Ohm, ab einem Widerstand kleiner als 105 Ohm gelten Materialien als elektrisch leitfähig. Beide sind in der Lage, elektrische Ladungen abzuführen und somit das Gefahrenpotential explosions- bzw. brandgefährdeter Stoffe zu reduzieren. Jedoch garantiert die bloße Verwendung von Werkstoffen letzterer Klassen nicht automatisch die Vermeidung gefährlicher elektrostatischer Entladungen! Erst durch die geeignete Erdung der jeweiligen Elemente ist man auf der sicheren Seite.

Antistatische Beutel und Folienschläuche als ESD-Produkte

Suchen Anwender nach Materialien oder Gegenständen, die eine Prävention vor elektrostatischen Entladungen bieten sollen, ist die Bezeichnung „antistatisch“ ein guter Orientierungspunkt. So zeichnen sich etwa in der Verpackungsindustrie antistatische Beutel und antistatische Folienschläuche durch bestimmte Merkmale aus, die sie von herkömmlichen Verpackungsmaterialien unterscheiden. Wie „gewöhnliche“ Folien schützen Folienschläuche und Verpackungsbeutel Waren vor Nässe, Schmutz und anderen äußeren Einflüssen, bieten jedoch zusätzlich einen effektiven Schutz vor elektrostatischen Entladungen.

Antistatische Beutel und Folienschläuche bestehen zumeist aus Massenkunststoffen wie Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP). Beide Werkstoffe sind gleichzeitig robust und flexibel, was ihre Anwendung in den verschiedensten industriellen Anwendungen erlaubt. Allerdings gelten sie auch als klassische Isolatoren – durch welchen „Kniff“ werden sie also zu ableitfähigen Produkten?

Von nichtleitend zu ableitfähig

Prinzipiell gibt es verschiedene Ansätze zur Herstellung ableitfähiger Antistatikverpackungen.

  • Eine Möglichkeit besteht darin, das Verpackungsmaterial mit einer leitfähigen Beschichtung zu versehen. Diese kann auf verschiedene Weise aufgetragen werden, zum Beispiel durch Auftragen von leitfähigen Lösungen und anschließender Trocknung. Auch lässt sich die Verpackung mit einer dünnen metallisierten Schicht überziehen, was durch Aufdampfen des Metalls oder Aufbringen metallisierter Folien gelingt. Die Beschichtung auf der Oberfläche des Materials bewirkt dann das Ableiten der elektrostatischen Ladungen.
  • Ein anderer Weg besteht darin, dem Basispolymer mittels Compoundieren leitfähige Additive wie Ruß, Kohlefasern, metallische Partikel aus Kupfer und Aluminium oder leitfähige organische Verbindungen zuzumischen. Durch Blasextrusion oder andere nachgelagerte Verarbeitungsschritte erhält man dann Folien und Beutel mit entsprechenden elektrisch ableitenden Eigenschaften.
Reichelt ableitfähige Materialien rosa Verpackung
Die Farbe Rosa ist für einen ESD-Grundschutz festgelegt. Antistatisches Verpackungsmaterial dieses Farbtons reicht in vielen Fällen bereits aus, um elektrostatisch gefährdete Leiterplatten und andere elektronische Baugruppen zuverlässig zu verpacken. Bild: Reichelt Chemitechnik

Die Wahl des geeigneten Verfahrens hängt von den spezifischen Anforderungen der Anwendung und den Materialeigenschaften ab. Um eine effektive Ableitung von elektrostatischen Ladungen sicherzustellen, ist jedoch immer wichtig, dass die leitfähige Beschichtung homogen aufgebracht wird bzw. die Füllstoffe im Polymer gleichmäßig verteilt sind.

Die Größe und Form von antistatischen Beuteln und Folienschläuchen können je nach den Anforderungen der verpackten Produkte variieren. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen, von kleinen Beuteln für mikroelektronische Bauteile, wie Platinen, Leiter, Grafikkarten oder Speichersteine, bis hin zu großen Folienschläuchen für den Transport empfindlicher elektronischer Geräte.

Sichtbarkeit antistatischer Eigenschaften

Als Spezialist für ESD-Anwendungen in der Mikroelektronik führt Reichelt Chemietechnik neben Standardfolien auch ESD-Folienbeutel sowie ESD-Folienschläuche zum Schutz elektrostatisch gefährdeter Bauteile (EGB) im Sortiment. Sie sind aus einem modifizierten, permanent antistatischen Polyethylen mit einem Oberflächenwiderstand von ca. 104 Ohm gefertigt, durchgängig leitfähig und verschweißbar.

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Die Elektroleit-Verpackungsbeutel und die Elektroleit-Folienschläuche sind schwarz eingefärbt. Ihnen wurde zur Erhöhung der Leitfähigkeit Rußpartikel beigesetzt.
Bild: Reichelt Chemitechnik

Aminfreie Folienschläuche und Folienbeutel sind transluzent und rosa eingefärbt. Die Farbe Rosa ist dabei für einen ESD-Grundschutz festgelegt. Antistatisches Verpackungsmaterial dieses Farbtons reicht in vielen Fällen bereits aus, um elektrostatisch gefährdete Leiterplatten und andere elektronische Baugruppen zuverlässig zu verpacken.

Die Elektroleit-Verpackungsbeutel und die Elektroleit-Folienschläuche sind dagegen schwarz eingefärbt, ihnen wurde zur Erhöhung der Leitfähigkeit Rußpartikel beigesetzt. ESD-Verpackungen mit dieser Farbgebung bieten einen noch höheren Schutz gegen elektrostatische Entladungen. Für besonders empfindliche Waren sind sie das Mittel der Wahl. (eve)

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