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Kälte? Kein Problem!

Neuer Gusswerkstoff für den Tieftemperatureinsatz
Kälte? Kein Problem!

Stähle, die im Tieftemperaturbereich zum Einsatz kommen, müssen Temperaturen von bis zu -196 °C standhalten. Bisher wird dabei auf austenitische Stähle zurückgegriffen, die jedoch besonders dickwandig gegossen werden müssen. Der neue kaltzähe Werkstoff Dux Cryo weist bei einer guten Zähigkeit deutlich höhere Festigkeitswerte auf. Vorteil: Gussteile lassen sich dünnwandiger konstruieren – das spart Gewicht und senkt die Kosten.

Die Autorin Katharina Weber ist Fachjournalistin in Montabaur

Anstatt auf austenitische setzt man bei Schmolz + Bickenbach Guss für Aufgaben im Tieftemperaturbereich jetzt auf martensitische Stähle. Das ist das Ergebnis eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten Forschungsprojekts. Diese Werkstoffe lassen sich ausgezeichnet vergüten und weisen damit auch eine deutlich höhere Streckgrenze (Rp0,2 ≥ 490 N/mm²) auf als die alternativ einzusetzenden austenitischen Stähle – eine Eigenschaft, die bei solch extremen Temperaturen von besonderem Vorteil ist.
Allerdings werden nicht nur an die Festigkeit, sondern auch an die Zähigkeit (KV (- 196 °C) ≥ 40 J) besondere Ansprüche gestellt. Voraussetzung für eine hohe Zähigkeit bei tiefen Temperaturen sind vor allem niedrige Gehalte an ausgewählten Spurenelementen. Andernfalls führen die dadurch hervorgerufenen Seigerungen zu einer Versprödung des Gussteils. „Für uns bestand die Herausforderung darin, die sichere Herstellung der Gussteile mit dem Fokus auf einem optimierten Gefüge und damit einer ausreichenden Zähigkeit zu realisieren – und zwar ohne dass Risse im Volumen des Gussteils auftreten“, erklärt Dr. Petra Becker, Leiterin Forschung & Entwicklung bei Schmolz + Bickenbach Guss, die Aufgabenstellung.
Analytik, Metallurgie und Wärmebehandlung
Ausgangspunkt des Forschungsprojekts war der kaltzähe Werkstoff X8Ni9 – dieser wird als Blech- und Schmiedematerial standardmäßig für Anwendungen bis -196 °C eingesetzt. Eine Gussvariante des Werkstoffs existierte aufgrund der hohen Rissempfindlichkeit des grobkörnigen Primärgefüges bisher aber nicht. Ziel war es, durch die Kombination von Erkenntnissen aus Analytik, Metallurgie und Wärmebehandlung den Werkstoff auch als Gussmodifikation darzustellen.
Neben ausführlichen Werkstoffuntersuchungen und einer umfassenden Literaturrecherche wurde dazu mit externen Experten zusammengearbeitet. Dabei griff man auf moderne Technologien zurück, beispielsweise auf eine Simulation der Gießtechnik, thermodynamische Berechnungen des Werkstoffes und der Wärmebehandlung und neue Analysemethoden zur Auswertung der Untersuchungsergebnisse. So wurde unter anderem festgestellt, dass die Anforderungen an den Reinheitsgrad der Einsatzstoffe sowie an die Schmelz- und Formtechnik von besonderer Bedeutung sind. Zusätzlich müssen die Wärmebehandlungsparameter hochpräzise eingestellt werden.
Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse erfolgte im Anschluss eine Versuchsfertigung – von der Erschmelzung und dem Abguss über die Wärmebehandlung bis zur mechanischen Erprobung. Nach dem Abguss wurden die Gussteile dabei umfangreichen Kontrollen unterzogen. Das umfasste neben Sicht- und Farbeindringungsprüfungen auch Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass das Legierungskonzept zusammen mit den gewählten Abkühlbedingungen tatsächlich rissfreie Gussstücke generiert. Zusätzlich fand zur Optimierung der mechanischen Kennwerte eine Reihe von Wärmebehandlungsversuchen statt.
Kaltzäher Werkstoff mit erhöhter Streckgrenze
Ergebnis dieser Versuchsreihe ist der neue kaltzähe Werkstoff Dux Cryo. Dieser zeichnet sich durch eine erhöhte Streckgrenze und eine hervorragende Tieftemperaturzähigkeit aus. Damit kann das Gussteil deutlich dünnwandiger konstruiert und gebaut werden. Das ermöglicht eine höhere Gestaltungsfreiheit, spart Gewicht und senkt die Kosten und schont Ressourcen. „Aufgrund der chemischen Zusammensetzung ist der neue Werkstoff günstiger als Austenite – er enthält bei ähnlichen Nickelgehalten kein Chrom“, präzisiert Becker. Zusätzlicher Vorteil: Er lässt sich problemlos mechanisch bearbeiten. Der Werkstoff ist für alle Bereiche geeignet, in denen mit Temperaturen zwischen -100 und -196 °C gearbeitet wird, beispielsweise überall dort, wo Kryogene wie Trockeneis oder flüssiger Sauer- und Stickstoff zum Einsatz kommen. Das gilt unter anderem für Luftverflüssigungs- und -zerlegungsanlagen, in denen Luftkomponenten durch thermische Trennverfahren getrennt werden, um Stickstoff, Sauerstoff, Argon und andere Edelgase in hochreiner Konzentration und in flüssiger Form sowie gasförmig zu gewinnen.
Ein weiteres zukunftsträchtiges Einsatzfeld ist darüber hinaus die Erdgasverflüssigung: Hier wird das Erdgas in sogenannten LNG-Terminals auf bis zu -164 °C heruntergekühlt – entsprechend hoch sind die Anforderungen an die eingesetzten Komponenten. Ähnliches gilt für die Kaltvermahlung und das kryogene Recycling. Diese Verfahren werden beispielsweise in der Lebensmittelindustrie und im Bereich der Verbundstoffe genutzt.
Ziel ist dabei die Zerkleinerung von Werkstoffen mit geringem Erweichungspunkt. „Auch in den Bereichen Bodengefrierung, industrielle Kältetechnik sowie Ölsandgewinnung könnten für diesen Werkstoff noch interessante Potenziale liegen“, erläutert Dr. Becker. Das Gleiche gilt für alle Bauteile, die bei tiefen Außentemperaturen eingesetzt werden: ob Pumpen in Alaska oder Offshore-Anwendungen in der Tiefsee.
Schmolz + Bickenbach, Vera Jansen, Tel.: 02151 764-1257, E-Mail: v.jansen@ schmolz-bickenbach.com

Vorteile auf einen Blick
Dux Cryo
  • Hohe Festigkeit und hohe Streckgrenze
  • Hervorragende Tieftemperaturzähigkeit
  • Möglichkeit der dünnwandigeren und trotzdem verformungsstabilen Konstruktion
  • Weniger Gewicht, weniger Kosten
  • Unsere Whitepaper-Empfehlung
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