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Intelligent schmieden

Prozessüberwachung in der Massivumformung
Intelligent schmieden

Im Rahmen des IGF-Forschungsprojekts „Intelligente Schmiedewerkzeuge zur Fehlerreduktion in der Massivumformung“ (AiF 17009 N) wurden intelligente Schmiedewerkzeuge und eine spezifische Software entwickelt, die eine Identifikation von Schmiedefehlern sowie eine Formfüllungsüberwachung ermöglichen.

Die Autoren: Anatoli Bogdanov und Björn Eilert, IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover GmbH

Um die Qualität von Schmiedeteilen innerhalb des Herstellprozesses zu prüfen, wurden bereits verschiedene Konzepte entwickelt, die überwiegend auf Sensoren basieren. Beispielsweise wurde von Doege ein Analysesystem für Schmiedeprozesse auf Basis von optoelektrischen Sensoren entwickelt [1]. Behrens stellt einen automatisierten Präzisionsschmiedeprozess mit integriertem Messwerterfassungs- und Diagnosesystem auf Basis von Sensortechnik vor [2]. Kong entwickelte ein System zur Vorhersage der Lebensdauer von Schmiedewerkzeugen auf Basis von Sensoren, die akustische Emissionen während des Umformprozesses erfassen [3].
Der Einsatz von Sensoren in der Warmmassivumformung hat den Nachteil, dass es aufgrund der hohen Kräfte und Temperaturen nicht möglich ist, die Sensoren dauerhaft unmittelbar in der Kontaktzone zwischen Gesenk und Werkstück zu integrieren [5]. Im Rahmen des vorgestellten Konzepts werden daher einfache elektrische Kontakte anstelle von Sensoren im Schmiedewerkzeug integriert.
Fehler schnell und sensorlos erkennen
Das Grundprinzip, um Schmiedefehler mithilfe von elektrischem Strom zu erkennen, wurde von Wesnigk entwickelt und untersucht [4]. Dieses wurde um ein Konzept zur Überwachung der Formfüllung erweitert, auf Industrieprozesse angewendet und praktisch umgesetzt.
Zur Identifikation von Schmiedefehlern wird eine elektrische Spannung (1,5 V) zwischen isoliertem Ober- und Untergesenk angelegt (vgl. Abb. links). Die Isolierung stellt sicher, dass kein Strom als Störsignal durch das Pressengestell fließt. Sobald sich die Presse schließt und die Umformung des Werkstoffs beginnt, fließt Strom durch das Werkstück zwischen Ober- und Untergesenk. Der Spannungsverlauf hängt von den Parametern und daher auch von Fehlern des Schmiedeprozesses ab. Somit kann für jeden Schmiedeprozess ein charakteristischer Spannungsverlauf bestimmt werden. Legt man den Verlauf eines Gutprozesses zugrunde, kann im Serienbetrieb durch eine Messung der Spannung der Prozess überwacht werden.
Für die Formfüllungsüberwachung werden elektrische Kontakte in den hinsichtlich der Formfüllung kritischen Bereichen der Gesenke eingebracht (vgl. Abb. rechts). Die Kontakte in Form von kegelförmigen Elementen sind mittels einer keramischen Beschichtung elektrisch vom Gesenk isoliert. Die Überwachung erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie bei der Fehleridentifikation, indem eine Spannung zwischen Gesenk und isoliertem Kegelelement angelegt wird. Erst wenn alle Kontakte im Stromkreis geschlossen sind, ist von einer vollständigen Formfüllung auszugehen.
Besteht beim Umformprozess Kontakt zwischen Werkstück und Gesenken bzw. Kegelelementen, wird der Spannungsabfall am jeweiligen Messwiderstand erfasst und mithilfe eines Panel-PCs ausgewertet. Das Messsystem besteht aus den elektrischen Kontakten in den Gesenken, entsprechenden Messkabeln und einem über USB-Schnittstelle angeschlossenen Messgerät. Dieses konvertiert das analoge Messsignal in ein digitales Signal und übermittelt es zur Auswertung an die Software auf dem Panel-PC.
Zur Auswertung wurde eine spezifische Software entwickelt, die die erfassten Messwerte mit zuvor ermittelten und gespeicherten Hüllkurven vergleicht. Hierdurch ist eine sofortige Aussage über Gutteil oder Ausschuss möglich. Die Auswertungssoftware dient dem Erfassen, Darstellen und Analysieren der aufgenommenen Messsignale. Die Programmoberfläche besteht aus einem Bedien-, Grafik- und Statistikbereich sowie einer intuitiven Zustandsanzeige für den Maschinenbediener. Im Bedienbereich kann die Messung bzw. Prozessüberwachung gesteuert und eingestellt werden. Der Grafikbereich dient zur Anzeige der aufgenommenen Messsignale sowie der oberen und unteren Grenzen (Hüllkurven) von Prozessen, die Gutteile ergeben.
Die Visualisierung des Signals erfolgt durch die Darstellung der erfassten Spannungen auf der Amplitudenachse (vertikal) in Volt über der Zeitachse (horizontal) in Sekunden. Im Statistikbereich werden die gesammelten Ergebnisse der Schmiedeprozesse dokumentiert. Den Werkstückzustand kann der Schmied unmittelbar anhand der Zustandsanzeige, basierend auf einem einfachen Ampelprinzip, ablesen. Die Ermittlung des Werkstückzustands wird anhand der Amplitude und Zeitdauer des Messsignals durchgeführt und kann in drei Kategorien eingeteilt werden: Werkstückzustand in Ordnung, nicht in Ordnung oder im kritischen Bereich.
Mit Hilfe des entwickelten Überwachungssystems ist es möglich, die Qualität von Schmiedebauteilen unmittelbar nach dem Umformprozess zu bewerten und Schmiedefehler frühzeitig zu identifizieren, bevor die Bauteile in nachfolgenden Prozessen weiterbearbeitet werden. Hierdurch kann Zeit im Herstellungsprozess eingespart und die Prozessstabilität erhöht werden. I
Literatur
[1] Doege, E.; Schomaker, K.-H.; Brendel, T.: Sensors and Diagnostic Systems in Forming Machines. In: CIRP Annals – Manufacturing Technology, vol. 41 (1992), Issue 1, pp. 323–326
[2] Behrens, B.-A.: Entwicklung eines automatisierten Präzisionsschmiede- prozesses mit integrierter Qualitätsprüfung. Dissertation, Universität Hannover, 1997
[3] Kong, L. X.; Nahavandi, S.: On-line tool condition monitoring and control system in forging processes. In: Journal of Materials Processing Technology, Volumes 125–126, 9. September 2002, Pages 464–470
[4] Wesnigk, T.: Sensorlose Prozessüberwachung beim Gesenkschmieden. Universität Hannover, Dissertation, 2004
[5] Krause, A., Stonis, M., Behrens, B.-A.: Sensorlose Prozessüberwachung von Schmiedeprozessen. In: MEFORM 2012 – Werkstofftechnologie und Umformtechnik, 28.-30. März 2012, Freiberg, S. 191–201

Info & Kontakt
IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover gemeinnützige GmbH Anatoli Bogdanov Tel.: 0511 27976-226 bogdanov@iph-hannover.de www.iph-hannover.de
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