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Forschende ebnen Graphitschmierung den Weg ins Wälzlager

Wälzlager
Forschende ebnen Graphitschmierung den Weg in die Hochdruckanwendung

Forschende ebnen Graphitschmierung den Weg in die Hochdruckanwendung
Wie verhält sich die Graphitschmierung bei hohen Anpressdrücken von mehreren Gigapascal, wie sie etwa im Wälzlager auftreten? Diese Frage beantworteten Forschende des Fraunhofer IWM und des KIT. Bild: Aleksandr Matveev/stock.adobe.com

Bislang war unklar, ob sich der Festkörperschmierstoff Graphit auch bei hohen Anpressdrücken, etwa in Wälzlagern, einsetzen lässt. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM und des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) konnten das gängige Reibungsmodell zur Erklärung der Wirkungsweise nun erweitern. Ziel ist, auf Basis der Erkenntnisse in einem Folgeprojekt ein graphitgeschmiertes Axialwälzlager zu entwickeln.

Harsche Umgebungsbedingungen, hohe Temperaturen und mitunter auch die Lebensmittelverarbeitung erfordern Festschmierstoffe. Eine bereits recht lange bekannte Möglichkeit dazu bietet die Graphitschmierung. Eines jedoch ist bislang allen ihren Anwendungen gemein: Es handelt sich um Reibvorgänge, bei denen nur niedrige Anpressdrücke herrschen.

Doch wie verhält sich die Graphitschmierung bei hohen Anpressdrücken von mehreren Gigapascal, wie sie etwa im Wälzlager auftreten? Diese Frage stellten sich Forschende des Fraunhofer IWM in Freiburg gemeinsam mit KIT. Zudem untersuchten sie, welche Rolle die Luftfeuchtigkeit bei der Graphitschmierung spielt: Denn bei zu geringer Luftfeuchte funktioniert die Schmierung nicht, stattdessen kommt es zu einer Kaltverschweißung der beiden Reibpartner.

Das physikalische Adsorptionsmodell von Savage lieferte bislang eine grobe Erklärung – ihm zufolge wird die oberste Graphitlage mit Wasser gesättigt und somit passiviert. Der eigentlich reaktionsfreudige Graphit wird reaktionsträge.

Strukturänderung hin zu turbostratischem Kohlenstoff

„Das Adsorptionsmodell von Savage war zwar allgemein anerkannt“, sagt Carina Morstein, Wissenschaftlerin in der AG „Angewandte Nanotribologie“ am Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT. „Doch wurde es vor allem unter sehr niedrigen Flächenpressungen getestet. Wir haben daher Experimente bei sehr hohen als auch bei sehr niedrigen Flächenpressungen durchgeführt.“ Morstein setzte die Graphitschichten auf den Reibpartnern also verschiedenen Drücken aus, fertigte Querschnitte an und untersuchte diese mit dem Transmissionsmikroskop. „Bevor die Schichten dem Druck der Reibung ausgesetzt werden, erkennt man lange Lamellen in der Graphitschicht. Nach dem Druck und dem Gleiten jedoch sind diese verschwunden, stattdessen ist eine Art Verwirbelung von Graphit zu erkennen, die ein wenig an ein Van-Gogh-Bild erinnert“, fasst Morstein zusammen. „Durch die Scherung im Reibkontakt tritt also eine Strukturänderung vom polykristallinen System hin zu turbostratischem Kohlenstoff auf, die bisher noch in keinem Modell berücksichtigt wurde“, sagt Prof. Dr. Martin Dienwiebel vom IAM.

Quantenchemische Simulation erhärtet Beobachtung

Die Forschenden am Fraunhofer IWM erhärteten diese Beobachtung durch quantenchemische Simulationen: Auch hier bleiben die Graphitkristalle unter Druck nicht stabil, sondern bilden stattdessen gebogene Ketten. Wie vom Savage-Modell vorhergesagt, werden die obersten Schichten jedoch mit Wasser abgesättigt. „Das Savage-Bild ist nicht schlecht, es fehlt jedoch die Umordnung im Graphit. Es ist nicht mehr Graphit, der auf Graphit reibt, sondern turbostratischer Kohlenstoff reibt über turbostratischen Kohlenstoff“, sagt Prof. Dr. Michael Moseler, Leiter der Gruppe „Multiskalenmodellierung und Tribosimulation“ am Fraunhofer IWM. Selbst bei niedrigen Drücken bildet sich diese turbostratische Schicht: Je mehr Druck, desto mehr Graphit wandelt sich um – und desto dicker wird die „verwirbelte“ Schicht. „Wir haben das gängige Modell der Graphitschmierung also erweitert und somit eine bessere Basis zum Verständnis der Graphitschmierung gelegt. Dies eröffnet zahlreiche neue Anwendungen“, freut sich Morstein.

Graphitschmierung geht auch bei hohen Drücken

Doch: Was heißt das nun für die Reibung? Funktioniert die Schmierung trotz der Umwandlung der schmierenden Graphitschicht auf den Reibpartnern? „Auf jeden Fall: Die Schmierung funktioniert sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Drücken“, sagt Moseler. „Wir konnten somit erstmals nachweisen, dass sich die Graphitschmierung beispielsweise auch im Axiallager einsetzen lässt.“ Wie das genau aussehen kann, wollen die Forschenden in einem Folgeprojekt untersuchen: An dessen Ende soll ein graphitgeschmiertes Axialwälzlager stehen. (eve)

Graphitschmierung_Wälzlager_Grafik
Die Struktur der Graphitschicht vor (a) und nach (b) dem Gleitexperiment und bei hohen Drücken (c)
Bild: Fraunhofer IWM, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
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