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Elastische Kleb- und Dichtstoffe mit silanvernetzenden Polymeren

Spezialitäten für´s Spezielle
Elastische Kleb- und Dichtstoffe mit silanvernetzenden Polymeren

Durch die Verfügbarkeit neuer Rohstoffe konnten in den letzten Jahren zusätzliche Kleb- und Dichtstoffklassen erschlossen werden. Diese benötigt man insbesondere für Spezialanwendungen oder als Funktionsprodukte, zum Beispiel im Brandschutz. Der Trend zum Einsatz neutralhärtender Systemen, wie er in den letzten Jahren bereits begonnen hat, wird sich verstärkt fortsetzen. Auch die klein- und mittelständische Industrie sowie das Handwerk werden davon profitieren.

Seit rund 50 Jahren sind elastische, chemisch vernetzende Dichtstoffsysteme auf Basis von Silikonen, Polysulfiden und Polyurethanen im Markt. Während Silikone und Polysulfiddichtstoffe ursprünglich für Bauanwendungen entwickelt wurden, konnten sich die seit den 60erJahren bekannten Polyurethane relativ früh auch andere Anwendungen beispielsweise in der Transportmittelindustrie und der Allgemeinen Industrie erobern.

In den 70er-Jahren wurde erkannt, dass luftfeuchtigkeitshärtende Polyurethane auch als elastische, halbfeste Klebstoffe hervorragende Dienste taten, zum Beispiel bei dem heute standardmäßigem Verkleben von Windschutzscheiben für Automobile.
Anfang der 80er-Jahre wurden die genannten drei Dichtstofftechnologien ergänzt durch sogenannte silanmodifizierte Polymere. Aus diesen ebenfalls luftfeuchtigkeitsreaktiven Produkten lassen sich viele unterschiedliche elastische Dicht- und Klebstoffe formulieren. Nach den damaligen noch sehr bescheidenen Anfängen trat diese Produktgruppe einen Siegeszug bei industriellen und handwerklichen Verarbeitern an, der noch heute unvermindert anhält. In letzter Zeit wenden diese Produkte nicht nur industrielle Kunden, sondern auch zunehmend der Handwerks- und Do-it-yourself-Bereich an.
Wie vielfältig die Technologie der silanhärtenden Polymere mittlerweile ist und welchen Nutzen der Anwender daraus ziehen kann, wird im folgenden an aktuellen Neu- und Weiterentwicklungen beschrieben.
Definition silanhärtende Systeme
Bei einem silanhärtenden System tragen die Kettenenden eines beliebigen Polymermoleküls Silangruppen, die unter Zufuhr von Luftfeuchtigkeit aktiviert werden und so unter Vernetzung zu einem gummielastischen Netzwerk verbinden. Bei dieser Reaktion werden immer kleine, gelegentlich deutlich riechende Moleküle abgespalten. Bei den seit Jahrzehnten bekannten Acetat-Silikonen zum Beispiel ist es die charakteristisch riechende Essigsäure, bei anderen Silikonen sind es zum Teil auch weniger geruchsintensive Abspaltprodukte.
Neues von den Silikonen
Auch wenn die Abspaltung eines geruchsintensiven Moleküls beim Härten mancher Silikone einen guten Indikator für die noch nicht vollständige Durchhärtung darstellt, gibt es doch zunehmend Anwendungen, bei denen die Geruchsbildung als lästig empfunden wird.
Essigsäure (bei einem anderen System werden alkalische Amine abgespalten, die nach Fisch riechen) ist chemisch aggressiv und kann beispielsweise im Elektronikbereich Kupferbahnen angreifen und das abgedichtete Bauteil vorschnell unbrauchbar machen. Benzamid- und oximhärtende Silikone spalten weit weniger aggressive Produkte ab – sie sind seit vielen Jahren im Einsatz, auch wenn bei den oximhärtenden Silikonen über eine potenzielle Schädlichkeit des Abspaltprodukts diskutiert wird. Die daraufhin entwickelten Alkoxysilikone spalten geruchlich unauffällige und chemisch inerte Alkohole ab.
Litten frühere Formulierungen noch unter dem Widerspruch schneller Durchhärtung nur bei kurzer Lagerstabilität und umgekehrt, ist es mittlerweile gelungen, gut lagerstabile und rasch durchhärtende Systeme zu formulieren.
In seltenen Fällen wird allerdings auch die Abspaltung von Alkoholen nicht gewünscht. Abhilfe könnten die noch nicht verbreiteten Enoxysilikone sein, bei denen das chemisch inerte Aceton als Spaltprodukt frei wird. Allerdings sind die hierfür notwendigen Enoxyvernetzer nur schwierig zu synthetisieren und daher vergleichsweise teuer. Auch muss noch erhebliche Arbeit geleistet werden, um die Lagerstabilität der Enoxysilikone so weit zu erhöhen, dass sie auch für einen breiten Markt akzeptabel ist.
Derzeitig erhältliche Spezialprodukte haben noch so kurze Lagerzeiten, dass sie nur für ganz spezielle industrielle Prozesse, beispielsweise in der Elektronikindustrie mit hochkontrollierten Prozessbedingungen eingesetzt werden können.
Silanmodifizierte Polyoxypropylen-Dichtstoffe
Bestand bei allen Silikondichtstoffen das Polymerrückgrat aus Polysiloxaneinheiten, konnte vor einigen Jahrzehnten von japanischen Forschern ein Polyoxypropylenrückrat mit feuchtigkeitsreaktiven Silangruppen versehen werden. Diese sogenannten MS-Polymere (MS=Modifiziertes Silan) wurden ursprünglich für Baudichtstoffe entwickelt, haben sich in Europa aber im Wesentlichen für industrielle Anwendungen durchgesetzt.
Aufgrund des interessanten Eigenschaftsprofils, das Dichtstoffe aufweisen, die mit MS-Polymeren formuliert wurden, entwickelten sich die Produkte rasch zum Problemlöser für kritische Fälle. Insbesondere wurde und wird die primerlose Haftung auf verschiedensten Metallen von vielen Anwendern positiv hervorgehoben. Auch auf kritischen Metallen wie poliertem V2A- und V4A-Stahl sowie Blei, Kupfer oder Messing kann permanente Haftung ohne Primer erzielt werden. Dadurch fällt der durchaus kritische Schritt des Primerauftrags und der -ablüftung weg, von den Kosten dafür ganz zu schweigen. Ein Primer muss in der exakten Schichtstärke aufgetragen werden und innerhalb des Ablüftefensters mit dem Dicht- oder elastischen Klebstoff überschichtet werden, damit die Verbindung hält.
Mit den ursprünglich zur Verfügung stehenden MS-Polymertypen konnten im Wesentlichen weiche, hochelastische Dichtstoffe formuliert werden. Diese sind in Europa seit über 15 Jahren bekannt und werden im Innen- und Außenbereich eingesetzt.
Seit einiger Zeit stehen höherverzweigte und kürzerkettige Polymere zur Verfügung, aus denen sich ausgezeichnete elastische Klebstoffe mit Reißfestigkeiten von 4 bis 6 MPa formulieren lassen. Dadurch steht dem Anwender neben der bekannten Polyurethantechnologie eine weitere Möglichkeit zur Verwendung elastischer Klebstoffe zur Verfügung – und zwar ebenfalls in der Regel ohne die Verwendung von Primern zur Haftverbesserung. Der zukünftige Trend bei MS-polymerbasierenden Produkten dürfte in einer weiteren Verbesserung der Gesamtprodukteigenschaften liegen, wie auch in der Formulierung von Spezialprodukten mit besonderen Eigenschaften wie Flammfestigkeit, elektrische (Nicht-)Leitfähigkeit oder Medienbeständigkeit. Die Einglasung von Automobilscheiben mit MS-Polymer-basierenden Produkten ist für manche Hersteller bereits heute schon ein Thema.
Silanmodifizierte Acrylatdichtstoffe
Beim Herstellen von Acrylatpolymeren kann man alkoxysilangruppenhaltige Monomere einpolymerisieren und so zu feuchtigkeitsreaktiven Rohstoffen gelangen. Die gewonnenen silanisierten Acrylate lassen sich allein jedoch nicht in Dichtstoff-Formulierungen verwenden, denn die resultierenden Produkte wären zu spröde. In Abmischung mit MS-Polymer jedoch ergeben sich weiche bis mittelfeste, gut aushärtende Massen. Durch den Anteil an Acrylatpolymer verbessert sich die UV- und Wärmestabilität der erhaltenen Dichtstoffe und damit auch deren Bewitterungsverhalten, welche dann besser ist als das reiner MS-Polymerdichtstoffe.
Während der Aushärtung der silanmodifizierten Acrylatdichtstoffe tritt ein interessantes Phänomen auf: Im Übergang zwischen flüssiger (pastöser) und elastischer Phase ergibt sich bei gewissen Formulierungen für 10 bis 30 min ein haftklebriger Zustand – ähnlich dem, wie er von lösungsmittelhaltigen Haftklebstoffen bekannt ist. Während dieses Zustands können zwei Substrate, die dünn mit dem acrylathaltigen Klebdichtstoff beschichtet wurden, gefügt werden, ohne dass sie gleich wieder auseinanderfallen. Sie haften damit zunächst nur physikalisch aneinander wie es die konventionellen, lösungsmittelhaltigen, nicht vernetzten und damit hitzeempfindlichen Haftklebstoffe tun.
In diesem Fall läuft die chemische Vernetzung auch nach dem Fügen der Teile weiter. Nach der vollständigen Aushärtung ist die ehemalige Fügestelle weder optisch noch mechanisch vom übrigen Klebstoff unterscheidbar und gut temperaturstabil.
Aufgrund einer gewissen Polarität der Arylatanteile eignen sich diese Dicht- und Klebstoffe auch gut zum Verkleben und Abdichten von Glas. Ohne Füllstoffe und verfärbende Materialien ergeben sich glasklare Formulierungen. Diese eignen sich für Anwendungen, bei denen die Kleb- oder Dichtstelle an der Grenze zweier Substrate optisch unauffällig gestaltet werden soll.
Silanmodifizierte Polyurethandichtstoffe
Die Grundstoffe für diese, ebenfalls noch recht junge Dichtstoffklasse wurden bereits in den 70er Jahren als Laborkuriositäten gehandelt, da sie relativ leicht aus isocyanathaltigen Polymeren und Organosilanen zugänglich sind. Trotzdem dauerte es viele Jahrzehnte – und es bedurfte neuer Rohstoffe, die es damals noch nicht gab – bis daraus kommerziell verwendbare Produkte entwickelt werden konnten. Diese Produktgruppe mit Bezeichnungen wie Hybridpolymer, Spur, Pusi oder Superflex beginnt Einzug in die Märkte zu halten.
Sie zeichnet sich dadurch aus, dass eine äußerst breite Rohstoffbasis zur Verfügung steht. Wie bei keiner anderen Technologie kann man kurz- und langkettige, lineare und verzweigte Ausgangsprodukte so miteinander kombinieren, dass entweder sehr weiche und dehnfähige Dichtstoffe oder festelastische Klebstoffe formuliert werden können. Dementsprechend breit ist auch der Anwendungsbereich, der von klassischen Dichtaufgaben im Bauwesen, in Industrie und Handwerk über Heimanwendung reicht und bei anspruchsvollen elastischen Verklebungen endet.
In den Labors der Dichtstoffhersteller wird bereits an einer neuen Rohstoffklasse zur Herstellung silanmodifizierter Polyurethane gearbeitet, mit sogenannten a-Silanen. Damit sollte es künftig möglich sein, lagerstabile und doch sehr schnell aushärtende Dicht- und elastische Klebstoffe zu formulieren, was insbesondere den Forderungen der Industrie nach immer höheren Band- und Produktionsgeschwindigkeiten Rechnung trägt.
Weitere Informationen
Silikone
KEM 602
Silanmodifizierte Polyoxypropylen-Dichtstoffe
KEM 603
Silanmodifizierte Acrylatdichtstoffe
KEM 604
Silanmodifizierte Polyurethandichtstoffe
KEM 605

Allgemeine Eigenschaften von MS-Polymer Dichtstoffen
  • primerlose Haftung auf vielen Substraten
  • hohe UV-Stabilität
  • sehr universelle Anwendbarkeit
  • überlackierbar mit Dispersionen und lösemittelhaltigen Lacken
  • lösemittelfrei
  • praktisch geruchlos während und nach der Aushärtung
  • frei von Isocyanaten und Silikonen
  • hohe Tieftemperaturelastizität
  • als ein- und zweikomponentige Systeme erhältlich
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