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Serie it‘s OWL: Praxisbeispiel Poppe + Potthoff

Serie it‘s OWL – Teil 4
Praxisbeispiel Poppe + Potthoff

Das Familienunternehmen Poppe + Potthoff Präzisionsstahlrohre GmbH macht eine Fertigungslinie für Präzisionsstahlrohre mit intelligent vernetzter Mess- und Sensortechnik fit für die Zukunft: Industrie 4.0. Im Rahmen eines Projektes arbeitet das Unternehmen am Technologiesprung für seine Kaltziehbank. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IEM entwickelt Poppe + Potthoff ein Konzept für die Mechatronisierung – mit Pionierfunktion für den gesamten Anlagenpark.

Kirsten Harting, Kommunikation Produktentstehung, Fraunhofer IEM

Stahlrohr ist nicht gleich Stahlrohr: Der spätere Anwendungszweck bestimmt die Qualitätsansprüche an das verarbeitete Metall genauso wie das Herstellungsverfahren. So werden etwa Präzisionsstahlrohre mit besonders kleinen Toleranzen durch Kaltzug gefertigt. Zwischen dem unverarbeiteten Rohling und dem maßgeschneiderten Rohr liegt dabei eine komplexe Prozesskette. „Die Qualität der Endprodukte hängt maßgeblich von einem reibungslosen Ablauf und grundlegender Kenntnis der Einflussfaktoren aus dem Prozess ab“, erläutert Bengt-Hennig Maas, Technischer Leiter bei der Poppe + Potthoff Präzisionsstahlrohre GmbH. „Störungen an einer Maschine wirken sich auf den Betrieb anderer aus – am Ende stehen Produktionsfehler oder ungewollte Maschinenstillstände durch defekte Werkzeuge.“

Prozessstabilität lautet das Stichwort. Die Einbindung mechatronischer Komponenten und intelligenter Datenauswertung machen es möglich. Sowohl der Zustand der einzelnen Maschinen und ihr Ineinandergreifen im gesamten Fertigungsprozess als auch die Produktmerkmale müssen stetig überwacht werden. Die Chancen liegen auf der Hand: Ungeplante Stillstände der Anlage können verhindert, Fehler besser rückverfolgt und der Produktausschuss verringert werden.

Aufrüsten mit neuen Technologien

Wie bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus ist der Maschinenpark von Poppe + Potthoff über Jahrzehnte gewachsen. Dementsprechend vielfältig sind die vorhandenen Anlagen. „Unsere ‚alten Schätzchen‘ sind produktiv und erfüllen ihren Zweck; eine komplette Erneuerung der Anlagen ist somit nicht notwendig und unter finanziellen Gesichtspunkten nicht sinnvoll“, erklärt Bengt-Hennig Maas die Ausgangssituation des Unternehmens. Bei der schrittweisen Aufrüstung ist also Kreativität gefragt – und eine systematische Herangehensweise. Zusammen mit dem Fraunhofer IEM integrieren Maas und sein Team nun neue Technologien in bestehende Anlagen.

Die mechatronische Optimierung der Prozess- und Maschinenüberwachung erfolgt bedarfsgerecht. Nach dem Retrofit-Prinzip analysieren die Projektpartner, wo genau eine Verbesserung vorhandener oder die Ergänzung neuer Mess- und Steuerungstechnik notwendig ist. „Bedarfsgerecht meint für uns nicht, die Grenzen des technisch Möglichen auszuloten“, berichtet Dr.-Ing. Christian Henke, Fraunhofer IEM. „Vielmehr sollen diejenigen Stellhebel angegangen werden, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen den größten Nutzen stiften.“ Die Referenzanlage des gemeinsamen Projekts ist eine Rohrziehmaschine des Unternehmens. Hier entstehen präzise Sonderanfertigungen.

Ganzheitliches Prozesswissen

Grundlage für die bedarfsgerechte Optimierung der Steuerungs- und Messtechnik ist eine umfassende Kenntnis über den Produktionsprozess sowie seine störenden und qualitätsbestimmenden Faktoren. Umfangreiches Prozesswissen schließt aber auch die Betrachtung der organisatorischen Abläufe und Abhängigkeiten mit ein:

  • Für welche Daten interessiert sich der kaufmännische Leiter
    genau?
  • Welche Messtechnik erlaubt es, Daten für die unterschiedlichen Sichten der jeweiligen Produktionsverantwortlichen zu erfassen?

Die ganzheitliche Systembetrachtung der Referenz-Rohrziehmaschine erarbeitet das Projektteam mithilfe eines Prozessmodells. „Prozesswissen spielt für uns eine immer größere Rolle“, so Bengt-Henning Maas weiter. „Dabei wollen wir unsere Mitarbeiter nicht überwachen – vielmehr steht im Vordergrund, schnell reagieren zu können und eine Datenbasis für die stetige Verbesserung und Extrapolation aus bekannten Prozessfenstern hinaus zu erhalten.“

Nach der Analyse des Ist-Zustandes ermittelt das Projektteam, welche weiteren Prozessdaten erforderlich sind, um den Fertigungsprozess möglichst umfassend zu überwachen. Dabei bezieht es Erfahrung und technisches Expertenwissen der Mitarbeiter ein. Verschiedene Einsatzszenarien zeigen thematisch abgegrenzte Umsetzungsoptionen auf. Eine Potenziallandkarte verdeutlicht die vielfältigen Zusammenhänge und Schnittmengen. Am Ende steht eine detaillierte Beurteilung aller Szenarien. Kriterien sind die gewünschten Funktionalitäten und ihre technische Realisierbarkeit sowie die damit verbundenen Aufwände und der absehbare Zeitkorridor.

Vision Intelligente Fabrik

Für die Kaltziehbank von Poppe + Potthoff entsteht im Rahmen des Projekts ein detaillierter Fahrplan für die bedarfsgerechte Mechatronisierung. Geeignete zusätzliche Sensorik, Steuerung und Aktorik werden ausgewählt und mit „einem Preisschild versehen“. Die Rohrziehmaschine wird zum Demonstrator für das erarbeitete Konzept, das langfristig auch auf weitere Anlagen angewendet werden soll. „Unsere Ergebnisse haben doppelten Nutzen für Poppe + Potthoff“, erläutert Christian Fechtelpeter, Fraunhofer IEM. „Durch unser Konzept bauen wir langfristig nutzbares Prozesswissen auf und gleichzeitig gehen wir in die exemplarische Umsetzung, die den direkten Nutzen verdeutlicht.“

In der Vision der Industrie 4.0 erfolgt die Prozessregelung der intelligenten Fabrik durch autonome Eingriffe der Maschinen auf Basis vernetzter Sensor- und Regelungstechnik. Intelligente technische Systeme ermöglichen eine Online-Prozess- und Zustandsüberwachung. Mit dem Projekt unternimmt Poppe + Potthoff erste Schritte zur datentechnischen Erweiterung seiner Produktion. „Industrie 4.0 in all seinen Facetten gibt es bei uns heute nicht und morgen sicher auch nicht“, so Bengt-Henning Maas abschließend. „Wir sind aber auf den Digitalisierungszug aufgesprungen, können an den technologischen Neuerungen partizipieren und uns damit dem Wettbewerb stellen.“ co


Info

Hintergrund

Im Technologie-Netzwerk it‘s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe – entwickeln über 170 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in 46 Projekten gemeinsam Lösungen für intelligente Produkte und Produktionssysteme. Das Spektrum reicht von intelligenten Automatisierungs- und Antriebslösungen über Maschinen, Fahrzeuge und Hausgeräte bis zu vernetzten Produktionsanlagen. Über ein innovatives Transferkonzept werden neue Technologien für eine Vielzahl von – insbesondere kleinen und mittelständischen – Unternehmen verfügbar gemacht. Ausgezeichnet im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gilt it´s OWL als eine der größten Initiativen für Industrie 4.0 in Deutschland.

www.its-owl.de

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