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IO-Link-over-SPE

Potential für die Zukunft
IO-Link-over-SPE

IO-Link hat sich als Standardschnittstelle für die Sensor-/Aktorebene etabliert. Die internationale Normung in IEC61131-9 und die Feldbusneutralität sind sicherlich zwei der wichtigen Faktoren, die für die heute beeindruckende Verbreitung verantwortlich sind. Mittlerweile steht eine breite Basis unterschiedlichster Sensor- und Aktortechnologien mit IO-Link-Schnittstellen zur Verfügung. Insgesamt sind heute rund 20.000 verschiedene IO-Link-Produkte auf dem Markt. IO-Link-over-SPE könnte eine konsequente Erweiterung des IO-Link-Standards sein.

 

Hartmut Lindenthal (Pepperl+Fuchs AG), Dmitry Gringauz (Banner Engineering Corp.), Frank Moritz (Sick AG) und Dr. Franz-Otto Witte (TEConcept GmbH)/Profinet International

Die Standardisierung von IO-Link geht jedoch weit über die Kommunikation hinaus, da z.B. Grundfunktionen wie Identifikation und Diagnose für alle Geräte in der Norm definiert sind. Hinzu kommt die IODD (I/O Device Description), eine systemunabhängige Beschreibungsmethode für IO-Link-Geräte, mit der die Geräte mit einer Vielzahl von Werkzeugen in unterschiedliche Systeme integriert und an diesen betrieben werden können. Mit der maximalen Kabellänge von 20 m zwischen Master und Terminal und einer typischen Prozessdaten-Aktualisierungsrate von 1 bis 5 ms werden die üblichen Anforderungen für Automatisierungsanwendungen in der Fabrikautomation erfüllt.

Die Weiterentwicklung von Ethernet-basierten Kommunikationsschnittstellen hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Insbesondere im industriellen Umfeld hat sich Ethernet als Basis für Feldbusverbindungen voll etabliert. Eine weitere treibende Kraft für die Ethernet-basierte Kommunikation im industriellen Umfeld ist natürlich die Anbindung bzw. Integration klassischer Automatisierungsanwendungen in IoT-Anwendungen im Rahmen der Industry-4.0-Anforderungen.

Die relativ neuen Entwicklungen und Standardisierungen in Richtung SPE – oder Single-Pair-Ethernet – rücken gerade für industrielle Anwendungen in den Fokus. Das einfache Twisted-Pair-Kabel dient sowohl der Datenübertragung als auch der Stromversorgung. Damit ist es auch möglich, Endgeräte – Sensoren oder Aktoren – auf der unteren Feldebene mit ausreichender Datenbandbreite zu betreiben. SPE ist inzwischen ein marktreifer Standard für den industriellen Einsatz.

Wird das Vordringen von SPE in industrielle Anwendungen bis in die untere Feldebene IO-Link verdrängen oder können IO-Link und SPE koexistieren? Könnte es überhaupt eine Lösung geben, die die Vorteile von IO-Link und Single-Pair-Ethernet kombiniert?

Auch mit diesen Fragen hat sich die IO-Link-Community auseinandergesetzt und ist zu einem relativ einfachen, aber sehr vielversprechenden Ansatz gekommen, der Anfang des Jahres als Konzeptstudie veröffentlicht wurde.

Single-Pair-Ethernet (SPE) – neuer Standard für die industrielle Automatisierung

SPE umfasst eine Reihe von Standards, die alle auf den Standards der IEEE-802.3-Familie aufbauen und eine standardisierte Struktur des Ethernet-Rahmens verwenden. Hier wird lediglich die Definition der physikalischen Schicht, d.h. der Verbindungsschicht, ausgetauscht. Die SPE-Standards unterscheiden sich hinsichtlich der definierten Übertragungsrate erheblich:

  • 10Base-T1 – 10 Mbit/s, Twisted-Pair
  • 100Base-T1 – 100 Mbps, Twisted-Pair
  • 1000Base-T1 – 1000 Mbps, Twisted-Pair

Für den industriellen Einsatz ist 10Base-T1 heute von primärem Interesse. Der zugehörige Standard – IEEE 802.3cg – wurde zu Beginn dieses Jahres verabschiedet und veröffentlicht und enthält Definitionen von drei Versionen:

  • 10Base-T1S (kurze Reichweite)
  • 10Base-T1L (mit großer Reichweite)
  • APL (Advanced Physical Layer – eigensicher)

10Base-T1S ist multidrop-fähig, d.h. es können mehrere Geräte an eine einzige Leitung angeschlossen werden. Die Kabellänge ist hier jedoch auf 15 bis 25 m begrenzt. Wie das „L“ im Namen andeutet, ist 10Base-T1L die Version für größere Leitungslängen („long reach“). 10Base-T1L definiert eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung und erlaubt eine Kabellänge (Twisted-Pair) von bis zu 1.000 m mit bis zu 60 W Leistung für das Endgerät. Hinsichtlich der Kommunikation ist APL voll kompatibel mit 10Base-T1L, unterstützt aber nicht die dort definierten Leistungsklassen. Aufgrund der besonderen Ex-Schutz-Anforderungen bis hinunter zur Zone 0 ist die verfügbare Leistung für das Endgerät bei APL auf ca. 500 mW begrenzt. Zudem ist die maximale Kabellänge gegenüber 10Base-T1L auf 200 m reduziert. Halbleiterlösungen für diese SPE-Schnittstellen, die 10Base-T1L und APL unterstützen werden, sind derzeit in der Entwicklung.

Was ist IO-Link-over-SPE?

In gängigen Anwendungen der Fabrikautomation erfüllt IO-Link problemlos die meisten Anforderungen. Da das Portfolio an IO-Link-Geräten ständig wächst und sich die Anwendungsbereiche entsprechend erweitern, stößt IO-Link in einigen Fällen an technologische Grenzen. So gibt es z.B. durchaus Anforderungen für die Übertragung von IO-Link über größere Entfernungen als die vorgegebene Grenze von 20 m. Auch Anforderungen an die IO-Link-Kommunikation in explosionsgeschützten Bereichen sind bekannt, und mit SPE 10Base-T1L und APL stehen nun Lösungen zur Verfügung, die diese Anforderungen erfüllen können.

Muss das IO-Link-System also für solche Anwendungen verlassen werden? Ethernet wird in der Regel mit TCP/IP- oder UDP-basierter Kommunikation assoziert. Die TCP/IP-Kommunikation erfordert im Vergleich zu IO-Link wesentlich komplexere Firmware-Strukturen und die Einhaltung der umfangreichen Security-Anforderungen in den Endgeräten. Die Fähigkeit zur Kommunikation wäre daher wahrscheinlich nur komplexeren Endgeräten vorbehalten. Wären die heute verwendeten IO-Link-Geräte mit TCP/IP-Kommunikation ausgestattet, würde die Anzahl der benötigten IP-Adressen buchstäblich explodieren. Auch die einfache Integration von IO-Link-Geräten in verschiedene Systemumgebungen würde sich erheblich ändern.

Warum also nicht das bestehende IO-Link-System beibehalten und um eine weitere physikalische Schnittstelle erweitern? Genau das ist der Ansatz des IO-Link-over-SPE-Konzepts. Bei IO-Link-over-SPE werden die IO-Link-Nachrichten in Ethernet-Frames gepackt und dann über einen SPE-Treiber über eine verdrillte Zweidrahtleitung übertragen, anstatt die IO-Link-Nachrichten als pulscodierte Telegramme über das klassische 3-adrige Kabel bei 24 V – ohne TCP/IP oder UDP – zu übertragen.

Mit anderen Worten: IO-Link ist immer noch IO-Link. Auch die Integration in übergeordnete Systeme bleibt gleich – lediglich das Kommunikationsmedium wird ausgetauscht. Das Mapping zeigt die Einbettung der IO-Link-Nachrichtenstruktur in einen Ethernet-Rahmen. Das bedeutet, dass für IO-Link eine bestimmte Nutzdatenstruktur erforderlich ist, die durch einen EtherType im Ethernet-Frame gekennzeichnet ist. Folglich ist für das gezeigte IO-Link-spezifische Mapping ein separater EtherType erforderlich.

Eine vollständige IO-Link-Nachricht passt in jeden Nutzdatenbereich eines Ethernet-Frames. Tatsächlich ist die IO-Link-Nachricht in der Regel wesentlich kürzer als die minimal mögliche Nutzdatenlänge des Ethernet-Rahmens. Das bedeutet, dass mehr Daten als erforderlich übertragen werden. Die resultierende Zykluszeit für den Austausch von Ethernet-Frames – und damit auch von IO-Link-Nachrichten – ist aufgrund der Übertragungsrate von 10 Mbit/s immer noch erheblich kürzer als bei Standard-IO-Link. Zukünftige Erweiterungen oder Änderungen des Protokolls können über den dargestellten Header vorgenommen werden.

Die Methode zur unveränderten Einbettung der bestehenden Nachrichtenstruktur von IO-Link in einen Ethernet-Rahmen ist der Grundgedanke von IO-Link-over-SPE. Dieses Verfahren ist auch der Schlüssel für eine einfache Migration zu SPE – IO-Link-over-SPE – und die Wiederverwendbarkeit von Implementierungen und Tools.

Unveränderte Struktur, neue Anwendungsszenarien

Wie wird ein IO-Link-over-SPE-System dann in eine bestehende Systemstruktur integriert? Erwartungsgemäß gibt es eigentlich keine nennenswerten Unterschiede außer dem Ersatz des 3-adrigen Standardkabels durch die Twisted-Pair-SPE-Verkabelung.

Die IO-Link-Master mit Standard-IO-Link-Ports werden durch IO-Link-Master mit SPE-Ports ersetzt. Ebenso erhalten IO-Link-Geräte nun SPE-Schnittstellen und werden ebenfalls direkt über die Twisted-Pair-Leitung vom Master mit Strom versorgt. Die mögliche Entfernung zwischen Master und IO-Link-Gerät erhöht sich beim SPE-System auf weit über 100 m (maximal 1.000 m). Darüber hinaus verfügt IO-Link-over-SPE auch über Hubs, die die binären oder analogen Signale der angeschlossenen Endgeräte wie gewohnt über IO-Link, jetzt aber über die SPE-Schnittstelle sammeln und übertragen.

Aufgrund der nun unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der Anschlussebene liegt die Idee der Konverter nahe. Eine Anwendung, bei der sich ein einzelnes oder wenige Endgeräte mehr als die maximal zulässige Entfernung von 20 m vom Master in einem Standard-IO-Link-System befinden würden, kann durch einen Konverter von Standard-IO-Link auf IO-Link-SPE abgedeckt werden. Das entsprechende Endgerät verfügt dann über einen SPE-Anschluss. Natürlich ist auch der umgekehrte Fall möglich. Soll ein Endgerät, das nur mit der Standard-IO-Link-Schnittstelle verfügbar ist, an einen IO-Link-SPE-Master angeschlossen werden, kann ein Konverter von IO-Link-SPE auf Standard-IO-Link Abhilfe schaffen. Der Fall, dass ein einzelnes Endgerät in einem System mit Standard-IO-Link-Komponenten in einer Umgebung mit Explosionsschutzanforderungen eingesetzt werden soll, kann durch einen IO-Link zu IO-Link-APL-Konverter abgedeckt werden.

Wie könnte ein möglicher Aufbau für eine Anwendung in einer eigensicheren Umgebung aussehen?

Die Grundstruktur zwischen einem IO-Link-Master und Endgeräten in der eigensicheren Umgebung ist identisch mit der bestehenden Struktur in der Umgebung mit Standard-IO-Link. Es wird eine APL-Version (Advanced Physical Layer) der SPE-Schnittstellenphysik verwendet. Die Entfernung zwischen Master und Endgerät ist damit auf 200 m begrenzt. Im IO-Link-APL-Master sind nun entsprechende Massnahmen zu treffen, um die eigensichere Trennung von Stromversorgung und Kommunikation mit dem übergeordneten System zu gewährleisten. Ein möglicher Ansatz, bei dem ein Hub analoge oder binäre Signale von eigensicheren Endgeräten erfasst und gemeinsam über IO-Link APL an den Master überträgt, wäre auch für die eigensichere Anwendung denkbar.

Eine Erweiterung mit Zukunftspotenzial

IO-Link über SPE ist kein weiteres Ethernet-basiertes Bussystem. Genau wie Standard IO-Link ist es eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung ohne Adressierung. Alle definierten Schnittstellen und Funktionen bleiben erhalten. Etablierte IO-Link-Integrationsstandards wie IODD, der OPC UA-Begleitstandard, JSON-Mapping und Feldbusintegration können weiterhin in genau der gleichen Weise verwendet werden. In Kombination mit dem IO-Link-Safety-Profile können auch sicherheitsgerichtete Anwendungen mit IO-Link-over-SPE realisiert werden.

Damit ist IO-Link-over-SPE eine voll kompatible Erweiterung des IO-Link-Standards mit folgenden Vorteilen:

  • Leitungslängen bis zu 1.000 m (200 m mit APL)
  • IO-Link-Kommunikation für eigensichere Anwendungen
  • Prozessdatenzyklen sind ca. 20 Mal schneller
  • Einfache Integration, genau wie Standard-IO-Link
  • Erheblich weniger Security-Anforderungen im Vergleich zu TCP/IP

Wird IO-Link-over-SPE die weit verbreitete Standard-IO-Link-Schnittstelle ersetzen? Sicherlich nicht. Bei IO-Link-over-SPE handelt es sich Stand heute um eine Konzeptstudie, die Möglichkeiten zur Leistungssteigerung in Verbindung mit einem wesentlich breiteren Anwendungsfokus aufzeigt. Eine SPE-Schnittstelle in einem IO-Link-Endgerät wird auf absehbare Zeit auch zu höheren Kosten im Vergleich zum Standard führen. Aus diesem Grund wird die bestehende 3-polige, 24-V-basierte IO-Link-Schnittstelle für die Vielzahl der bestehenden kostensensiblen Anwendungen weiterhin verwendet werden. IO-Link-over-SPE kann als eine konsequente Erweiterung des IO-Link-Standards mit viel Potential für die Zukunft angesehen werden. ge

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