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Blue-Vision von Vision & Control

Prozessstabilität und Nachvollziehbarkeit
Spezialist für blaues Licht und telezentrische Objektive

Die moderne Bildverarbeitung ist aus der industriellen Produktion nicht mehr wegzudenken. Sowohl zur Überwachung von Produktionsprozessen als auch zur Messung kleinster Dimensionen eignen sich die Vision-Systeme. Vor welchen Aufgaben die Hersteller solcher Systeme zurzeit stehen, welche Rolle die Künstliche Intelligenz bei der Auswertung künftig spielen wird und was bei der Wahl der Beleuchtung zu beachten ist, erläutert Dr. Jürgen Geffe, Geschäftsführer der Vision & Control GmbH in Suhl.

 

Interview: Andreas Gees, stv. Chefredakteur KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Wo liegen zurzeit die Herausforderungen bei der Bildverarbeitung, was den Markt und neue Technologien betrifft?

Dr. Jürgen Geffe (Vision & Control): Neben dem Fachkräftemangel sind es vor allem auch Veränderungen im Markt, die uns in der Branche vor große Herausforderungen stellen. Auch sehen wir es als wichtige Aufgabe an, neue Technologien zur Anwendungsreife zu entwickeln. Vor allem die Künstliche Intelligenz, die ist bei weitem nicht so entwickelt, wie in Marketingkreisen dargestellt. Das Messen kleinster Geometrien mit Hilfe der Bildverarbeitung ist eine bedeutende Anwendung in der Industrie. Das ist mit den Mitteln der KI bisher nicht möglich. Als Komponentenhersteller liefern wir ein umfangreiches Produktportfolio aus dem Katalog, als Entwickler und Produzent pflegen wir darüber hinaus zahlreiche OEM-Partnerschaften, vor allem für Optik, Beleuchtung und Software. In unseren Standardgeräten haben wir bisher kein Angebot zur KI, in unseren OEM-Partnerschaften arbeiten wir jedoch intensiv daran. Der Maschinenbau-Markt ist in Bewegung. Anbieter wandern ab, andere kommen zurück. Das Marktsegment der kleine Firmenintegratoren als einer unserer Stammbereiche schrumpft und als mittelständisches Unternehmen müssen wir darauf reagieren. Wir sind nicht in der ganzen Welt präsent, aber unsere Produkte sind es. Da wir eng mit großen Herstellern und Partnern zusammenarbeiten, können wir unsere Komponenten weltweit plazieren.

KEM Konstruktion: Welche Anforderungen müssen moderne Kamera- und BV-Systeme erfüllen, um die wachsenden Anforderungen in Produktion und Qualitätssicherung zu erfüllen?

Dr. Geffe: Vision & Control entwickelt seine Komponenten zuerst für den Katalog. Dann arbeiten wir in OEM-Partnerschaften daran, gezielt kundenspezifische Komponenten zu entwickeln. Dabei ist es für uns von Vorteil, dass wir hier in Thüringen die Entwicklung direkt im Unternehmen haben, wir haben auch die ganzen Entwicklungstraditionen beispielsweise in der Optik hier in der Region, und wir fertigen komplett im Haus. Dass wir die Komponenten in Deutschland entwickeln und produzieren, bietet uns eine hohe Flexibilität. Wir haben bei Vision & Control die telezentrischen, präzisen Vicotar-Blue-Vision-Objektive für Anwendungen mit hoher Auflösung und Tiefenschärfe eingeführt. Aber wir arbeiten aktuell auch an Komponenten für eine Vielzahl von IR-Anwendungen. Dabei geht es vor allem um höchste Präzision in der Qualitätssicherung, unter Umständen auch bei Schüttgut im freien Fall. Da wir über die gesamte Fertigungstiefe verfügen, können wir unsere Objektive sowohl für den blauen als auch für den infraroten Bereich optimieren. Im Infrarot-Bereich arbeiten wir bei etwa 850 nm, der Bereich NIR reicht bis 1000 nm und SWIR bis 1800 nm. Dabei handelt es sich dann um Wellenlängen direkt unterhalb der Wärmestrahlung. In diesem Bereich erzeugt das Licht sehr gute Wechselwirkungen mit Kunststoffen, sodass sich Materialien gut unterscheiden lassen. Im Bereich der Lebensmittelproduktion lassen sich Qualitätsunterschiede erkennen. Bei der Pommes-Frites-Produktion lässt sich beispielsweise ein hoher Zuckeranteil an den Enden erkennen, der zur unzulässigen Bräunung führt. SWIR-Kameras tragen so dazu bei, die Qualität zu optimieren, bevor die Chips in das Frittierfett gelangen.

KEM Konstruktion: Welche Bedeutung kommt der Auswahl einer geeigneten Beleuchtung zu?

Dr. Geffe: Der Beleuchtung kommt schon immer eine wesentliche Bedeutung zu, denn sie erweckt die Bildverarbeitungslösung eigentlich erst zum Leben. Ansätze, eine fehlende oder nicht optimale Beleuchtung durch KI-Algorithmen zu optimieren, werden zwar diskutiert, die Beleuchtung schafft jedoch erst erhebliche Reserven für die Zuverlässigkeit der Bildauswertung. Dazu werden reproduzierbare Verhältnisse benötigt, egal ob bei Sonneneinstrahlung oder unzureichenden Lichtverhältnissen über eine gesamte Produktionsschicht. Ziel ist es immer, über den Kontrast Kanten präzise darzustellen. Deshalb sollte man die Beleuchtung so gestalten, dass der Kontrast reproduzierbar ist und die geeignete Wellenlänge zum optimalen Ergebnis führt. Weiterhin ist es möglich, komplementäre Farben zu nutzen, und den Kontrast mit entsprechenden Farbfiltern zu verbessern. Eine weitere Alternative besteht darin, mit polarisiertem Licht zu arbeiten. Nur wenn die Objekte gut ausgeleuchtet sind, führen die Auswertealgorithmen zu optimalen Ergebnissen. Mangelnde Beleuchtung durch KI auszugleichen, wird in einigen Fällen sicher möglich sein. Das Messen kleinster Dimensionen ist aber bisher auf diese Weise nicht möglich. Ohne gute Beleuchtung lassen sich also keine qualifizierten Aussagen treffen.

KEM Konstruktion: Auflösung und Tiefenschärfe sind ein gegensätzliches Paar. Was ist in diesem Zusammenhang bei der Realisierung von Projekten generell zu beachten?

Dr. Geffe: Generell gilt, dass das Abblenden von Objektiven die Tiefenschärfe verbessert, weshalb Helligkeitsreserven immer von Vorteil sind. Nur durch geschicktes Balancieren mit Blende, Wellenlänge und Abbildungsmaßstab erreicht man für jede Aufgabe die bestmögliche Abbildung. Den Abbildungsmaßstab muss man dabei so wählen, dass das zu erfassende Objekt besonders groß dargestellt wird. Nur wenn man das wesentliche Bild optimal mit Auflösung der Kamera darstellt, ist eine zuverlässige Aussage möglich. Unsere Kunden benötigen immer eine sehr hohe Abbildungssicherheit, von 99,9 %. Ist sie geringer, ist die Ausschutzquote zu hoch.

KEM Konstruktion: Sie favorisieren Blue-Vision, warum mit blauem Licht arbeiten und welchen Einfluss hat die Technik auf Auflösung und Schärfentiefe?

Dr. Geffe: Das Abtasttheorem besagt, je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Auflösung. Nicht umsonst lassen sich beispielsweise mit sehr kurzwelligen Elektronenmikroskopen Auflösungen kleiner als im µm-Bereich erreichen. Möchte man aber mit Licht einer Wellenlänge arbeiten, das der Mensch noch sehen kann, bietet sich der blaue Bereich an. Im Laufe der Entwicklung waren zuerst die roten LEDs verfügbar, sodass sie auch heute bei der Beleuchtung vorherrschend sind. Erst dann kamen blaue LEDS hinzu, die die Basis von weißem Licht bilden. Wir verfügen heute über blaue LEDs mit sehr hohen Wirkungsgraden und guter Stabilität der Beleuchtung. Nicht sichtbares UV-Licht ist durchaus eine weitere Option und kommt ebenfalls zur Anwendung. Das menschliche Auge ist jedoch gefährdet und die biologische Sicherheit nicht gewährleistet. Deshalb sind die meisten Anwendungen auf das nahe UV-Licht ausgerichtet. Beim Einsatz von UV-Licht mit sehr geringer Wellenlänge entsteht außerdem unerwünschtes Ozon.

KEM Konstruktion: Sie entwickeln die Optiken für Ihre Systeme. Was sind die Eigenschaften der sogenannten Telezentrischen Optik, worin liegt der Vorteile gegenüber konventionellen Linsen?

Dr. Geffe: Vision & Control hat bereits Anfang der 1990er Jahre telezentrische Objektive in den Markt eingeführt, deren Vorteile sich aus der Besonderheit der Objektive ergeben. So sind sie aufgrund des parallelen Strahlengangs bestens für Messaufgaben geeignet. In Applikationen zur Inspektion von Glas und Edelstein ermöglicht die Wechselwirkung zwischen telezentrischem Objektiv und Prüfobjekt sehr hohe Kontraste und damit ein sicheres Erkennen von Einschlüssen und Unregelmäßigkeiten. Die telezentrische Perspektive – prinzipiell auf unendlich fokussiert oder mit parallelem Licht arbeitend, ermöglicht z.B. die Inspektion von Röhrenkatalysatoren. Durch die telezentrische Perspektive lassen sich alle Wabenquerschnitte gleichzeitig auf Durchgängigkeit überprüfen. Diese parallele Inspektion ist in einem gewissen Rahmen unabhängig vom Abstand, bei der Betrachtung bleibt das Objekt immer gleich groß. Aufgrund dieser Eigenschaft ist das Objektiv auch sehr gut für Messaufgaben geeignet. Man hat dabei zwar eine gewisse Unsicherheit durch die Bewegung, die lässt sich jedoch einfach kompensieren. Man kann mit diesen Objektiven extreme Kontraste realisieren: Ein Glas wird dann zum Beispiel schwarz dargestellt, und die Störung im Glas ist weiß. Mit konventionellen Objektiven ist das nicht möglich. Zu beachten ist aber, dass das Objektiv im Prinzip genauso groß sein muss wie z.B. der Querschnitt des Katalysators. Möchte ich große Objekte erfassen oder vermessen, benötige ich auch relativ große Objektive. Wir bieten eine Reihe von Objektiven, die für verschiedene Anwendungen geeignet sind. Bei sehr großen Objekten kommen dann beispielsweise auch sogenannte Fresnel-Linsen zum Einsatz. Für alle diese Aufgaben haben wir eine breite Palette von Objektiven für die Industrie entwickelt. Besonderes Augenmerk legen wir auf passendes Zubehör um eine optimale Kombinierbarkeit aller Komponenten sicherzustellen. Im Online-Produktkatalog wird jede Komponente direkt mit Zubehör und Kombiprodukten dargestellt.

KEM Konstruktion: Bildverarbeitung benötigt leistungsfähige Rechnertechnik, welche Systeme kommen in Ihren Lösungen zum Einsatz?

Dr. Geffe: Bei unseren Standardkomponenten achten wir besonders darauf, dass sie langzeitverfügbar sind. Unser Standardprogramm ist so ausgelegt, dass Langzeitverfügbarkeit und Service bzw. die Verfügbarkeit von Ersatzteilen gesichert sind. Leistungsfähige Industrie-PCs bilden die Grundlage unserer Vicosys-Mehrkamerasysteme. Sie sind als Kompaktgeräte verfügbar oder als 19-Zoll-Einschub. Während sich Kompaktgeräte einfacher in Maschinen integrieren lassen, sind 19-Zoll-Einschübe flexibel erweiterbar. Haben OEMs besondere Anforderungen, werden diese bei der Wahl der Hardware berücksichtigt. Das hängt vor allem vom Bedarf an Rechenleistung ab.

KEM Konstruktion: Welche Hard- und Software-Schnittstellen werden unterstützt? Welche Kamera-Schnittstellen?

Dr. Geffe: Wir bewegen uns im Bereich der industriellen Bildverarbeitung. Als Schnittstellen zu den Maschinen bevorzugen wir digitale 24-V-I/Os sowie Profinet, wobei alle unsere Geräte Profinet-zertifiziert sind. Als physikalische Schnittstelle zu den Kameras nutzen wir den 1-Gbit-Ethernet-Standard und in Einzelfällen GigE-Vision. Da jedoch nicht alle Kamera-Hersteller GigE-Vision kompatibel unterstützen, ist unsere Kameraschnittstelle sehr flexibel ausgelegt, sodass wir auch zahlreiche weitere Kamera-Typen anschließen können. Oft ist jedoch ein gewisser Aufwand erforderlich, um diese Schnittstellen zu integrieren. Künstliche Intelligenz benötigt beispielsweise sehr viel Rechenleistung. Dabei kommen auch Grafikkarten zum Einsatz, die über hohe Performance verfügen, die wir nur kundenspezifisch anbieten. Wichtig ist auch die Schnittstelle zum Bediener. Mit Vcwin bieten wir eine Programmierumgebung für alle Vision-Systeme an. Zugleich stellt das Tool Bedienoberflächen zur Verfügung. Diese flexible Lösung kann der Kunde jederzeit an seine Anforderungen anpassen. Dieses Interface ist komfortabel parametrierbar.

KEM Konstruktion: Software ist ein weiteres Thema, Ihre Software basiert auf Linux, welche Vorteile ergeben sich für den Anwender? Kann er bestehende BV-Bibliotheken nutzen?

Dr. Geffe: Linux bietet vor allem Prozessstabilität sowie Echtzeitfähigkeit und ist damit besonders für zeitrelevante Anwendungen geeignet. Darüber hinaus bietet es uns die Möglichkeit, die Abhängigkeit von amerikanischen Softwareanbietern zu reduzieren. Die Systeme von Vision & Control sind auch für Bibliotheken wie Halcon offen. Linux bietet die Möglichkeit, auf die Quellen zu schauen, wenn Probleme auftreten. Man ist unabhängig von Updates, bei Linux muss man prinzipiell über den Produktlebenszyklus nichts ändern. Das sehen auch unsere Kunden als wichtige Eigenschaft. Wir sind der einzige Anbieter, der Halcon auf Linux im Standard-Bereich anbietet. Aber es gibt auch immer noch einzelne Anhänger von Windows in der Bildverarbeitung. Noch immer kommt es vor, dass in Applikationen verschiedene weitere Messgeräte zum Einsatz kommen, für die nur Windows-Treiber verfügbar sind. Geht es aber darum, eine hohe Zahl von Bildern in kürzester Zeit auszuwerten, ist Linux erste Wahl.

KEM Konstruktion: Auch KI/AI gewinnt in der Bildverarbeitung an Bedeutung. Welche Unterstützung bieten Sie Ihren Kunden und Anwendern bei der Realisierung entsprechender Projekte?

Dr. Geffe: Auch wir haben beschlossen, dort etwas zu tun. In der Tat haben wir bereits mit einigen Kunden Projekte gestartet. Generell sind dabei Prozessstabilität und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse das wichtigste Kriterium. Die Herausforderung besteht konkret in der Prozessstabilität des neuronalen Netzes. Wir kommen bei diesen Projekten nicht an die 99,9 % der Ergebnisse heran. Der Einsatz von KI bei der Vermessung von Objekten ist bisher generell nicht möglich. Und ich bin nicht sicher, ob es jemals möglich sein wird. Möchte man beispielsweise ein Maß von wenigen µm erfassen, oder die Aufträge erfordern wechselnde Toleranzen, was im Industrieumfeld tägliche Aufgabe ist, ist die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse nicht gewährleistet. Es gibt sicher Applikationen, die mit klassischer Bildverarbeitung nicht lösbar sind, beispielsweise bei der Mustererkennung. Da werden sich die Aufgaben mittels KI verbessern lassen. Im Industrieumfeld geht es in der Regel um das Messen von Dimensionen. Ich persönlich glaube nicht daran, dass wir alle Herausforderungen in der Bildverarbeitung mittels KI lösen können.

Mehr zur Thematik: Auflösung und Tiefenschärfe:

hier.pro/QlsQT

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