Rund um den Globus schwimmen Kreuzfahrten auf einer Welle der Beliebtheit: Im laufenden Jahr dürften rund 27,2 Mio. Passagiere zur See fahren. Damit hätte sich die Anzahl der Schiffstouristen seit der Jahrtausendwende annähernd vervierfacht. Und ein Ende des Booms ist nicht absehbar: In den kommenden zwei Jahren sollen 37 zusätzliche Schiffe vom Stapel laufen und dadurch die Kapazität um weitere 100.000 Passagiere erhöhen. Dabei erzielt die Branche schon heute einen weltweiten Umsatz von etwa 37 Mrd. Dollar und bietet mehr als einer Million Menschen einen Arbeitsplatz.
An Bord der schwimmenden Freizeitparks sorgt neben dem Personal und der luxuriösen Ausstattung nicht zuletzt eine Menge versteckter Technik für den Komfort der Passagiere. Dazu gehören bei vielen modernen Kreuzfahrtschiffen beispielsweise auch hydraulisch betätigte Flossenstabilisatoren, die unterhalb der Wasserlinie ausgeschwenkt werden, wenn die See mal etwas rauer wird. Während der Fahrt wirken diese Flossen dann unliebsamen Schiffsbewegungen entgegen. Bei ruhigem Fahrwasser hingegen werden die Stabilisatoren wieder in ihre Parkpositionen im Schiffsrumpf zurückgeklappt, um den Strömungswiderstand zu minimieren. Viele dieser Flossen werden von SKF hergestellt und gewartet.
Unliebsame Überraschung an Backbord
Im Zuge der routinemäßigen Inspektion eines Kreuzfahrtschiffs im Jahr 2014 fiel den Technikern ein Schaden an dessen Backbord-Stabilisierungsflosse auf. Vermutlich war die Beschädigung auf eine Kollision mit Treibgut zurückzuführen. Um Folgeschäden zu vermeiden, wurde beschlossen, den Stabilisator vorübergehend außer Betrieb zu nehmen – bis zur nächsten planmäßigen Überholung des Schiffs im Trockendock.
Im März 2017 war es so weit: In einer deutschen Werft machte sich ein Team von SKF-Ingenieuren aus Hamburg an die Demontage und Reparatur der Stabilisatoranlage. Dabei mussten sie jedoch feststellen, dass der Flossenstabilisator deutlich ernsthaftere Schäden erlitten hatte als ursprünglich angenommen: Durch den Aufprall waren mehrere betriebswichtige Komponenten des Flossenmechanismus verbogen worden oder gar gebrochen.
Zwar ist der vollständige Austausch eines auf See beschädigten Stabilisators für die Marineexperten von SKF durchaus Routine, aber in diesem Fall saß ihnen die Zeit arg im Nacken: Das Team berechnete, dass die erforderlichen Arbeiten mindestens 150 h in Anspruch nehmen würden. Da für das Schiff jedoch nur ein fünftägiger Trockendock-Aufenthalt vorgesehen war, wäre es selbst mit 24-Stunden-Schichten unmöglich gewesen, den Job fristgerecht zu erledigen. Und eine Verlängerung des Aufenthalts kam nicht infrage, weil schon die nächsten Touristen an Bord wollten.
Situation erfordert außergewöhnliche Maßnahme
Um den Schiffsbetrieb und die Passagiere unter den gegebenen Umständen nicht zu stören, entschieden sich die Reederei und SKF zu einer außergewöhnlichen Maßnahme: den Einbau unter Wasser. Zu diesem Zweck wurde der defekte Stabilisator im Trockendock demontiert und seine Parkbucht im Schiffsrumpf vorübergehend mit zwei Stahlplatten verschlossen. So konnte das Schiff planmäßig in See stechen. Der ausgebaute Stabilisator wurde derweil in die Hallen der SKF Marine GmbH nach Hamburg verfrachtet, wo die Experten die erforderlichen Reparaturen vornahmen.
Nachdem der Flossenstabilisator hier instandgesetzt und getestet worden war, schickte SKF den Grundkörper des Stabilisators per Containerschiff in einen Hafen auf den Kanarischen Inseln. Kleinere Bauteile – wie etwa die Steuerungssysteme – landeten im Rahmen eines europäischen Zwischenstopps im Bauch des Kreuzfahrers. Der schipperte mittlerweile ebenfalls in Richtung Kanaren, um dort die ersten Passagiere der Wintersaison aufzunehmen.
Kein Tauchurlaub auf den Kanaren
Anders als die Touristen dachten die Spezialisten von SKF und Trident Group auf den Kanaren nicht an Urlaub: Die bereiteten den zwischenzeitlich eingetroffenen Stabilisator bereits für seine Unterwasserinstallation vor. Zu diesem Zweck haben sie u. a. sämtliche Teile des Stabilisatormechanismus, die normalerweise nicht mit dem Meerwasser in Berührung kommen, entsprechend geschützt bzw. abgedichtet.
Anfang November 2017 machte dann auch das Passagierschiff im Hafen fest: 58 h lang würde es dort vor Anker liegen. Damit startete der entscheidende Countdown für die SKF-Experten sowie die Taucheinsätze des Trident-Teams. Bei klarem Wasser und milden Temperaturen montierten die Profis zunächst eine Art wasserdichte Glocke über dem Flossenkasten. So konnten die Stahlplatten, die die Parkbucht des Stabilisators zuvor verschlossen hatten, sicher entfernt werden. Anschließend wurde die Stabilisatorflosse mit einem Kran vorsichtig neben dem Rumpf abgelassen und von den Tauchern langsam in Position manövriert. Kurz darauf gelang es ihnen, den Stabilisator ordnungsgemäß zu montieren. Danach konnten sie auch die provisorische Luftkammer wieder abbauen.
Nachdem die mechanischen Installationsarbeiten termingerecht abgeschlossen worden waren, blieben die Ingenieure von SKF zunächst an Bord. Auf dem Weg in die Karibik schlossen sie u. a. die Steuerungstechnik an und überprüften den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage. Dass die damit verbundenen Aufgaben schon innerhalb eines Tages erledigt waren, dürfte in diesem Fall nicht ganz nach dem Geschmack der technischen Kurz-Kreuzfahrer gewesen sein. bec
Detaillierte Informationen zu den Flossenstabilisatoren für Schiffe:
hier.pro/yfJm1
SMM 2018: Halle A1, Stand 210
Innotrans 2018: Halle 22, Stand 611