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Mangan-Zink-Ferrite und nanokristalline Metall-Legierungen als weichmagnetische Werkstoffe für elektronische und elektrotechnische Anwendungen

Mangan-Zink-Ferrite
Weichmagnetische Werkstoffe mit hohem Innovationspotential

Weichmagnetische Werkstoffe, die im Hochfrequenzbereich angewandt werden, erhalten Kennwertverbesserungen dank der Übernahme von Ergebnissen der Grundlagenforschung in die industrielle Fertigungspraxis. So können innovative Entwicklungen im elektronischen und elektrotechnischen Geräte- und Maschinenbau geleitet werden.


Der Autor Prof. Dr. rer. nat. habil. L. Michalowsky ist Leiter FuE der Kaschke KG GmbH & Co. (seit 2007: Kaschke Components GmbH) , Göttingen. Er ist Herausgeber mehrerer Fachbücher auf den Gebieten der technischen Keramik und Magnettechnik

Im Zusammenhang mit der richtungsweisenden Harmonisierung der europäischen Gesetzgebung zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) leiten sich eine Reihe von Forderungen an weichmagnetische Werkstoffe bezüglich notwendiger Eigenschaftsverbesserungen ab. Diese betreffen u.a.:

  • die Größe der Anfangspermeabilität
  • die Größe der Einfügungsdämpfung, insbesondere für die Unterdrückung von Störspannungen und -strömen,
  • die spezifischen Kernverluste,
  • die Temperaturabhängigkeit der Anfangspermeabilität,
  • für Energiespeicher die Höhe der Sättigungsflussdichte
  • und allgemein die mechanischen Eigenschaften, wie Zug-, Druck- und Torsionsfestigkeit sowie Schlag- und Bruchzähigkeit.

Das Gefüge von Festkörpern gilt aus werkstoffwissenschaftlicher Sicht als der Träger aller Eigenschaften. Durch den Herstellungsprozess lassen sich „Werkstoffe nach Maß“ erstellen – die Gefüge-Elemente mittlere Korngröße, Poren, Porenstruktur und Porengrößenverteilung, Struktur und Zusammensetzung der Korngrenzen, Mikrorissverteilungen, Gitterstapeldefekte, Versetzungen und atomare Punktdefekte gezielt beeinflussen.

Mangan-Zink-Ferrite mit hoher Anfangspermeabilität

Mangan-Zink-Ferrite mit der molaren Zusammensetzung 52 % Fe2O3, 22 % ZnO und 26 % MnO sind Werkstoffe mit sehr kleiner Magnetostriktion und Kristallanisotropie-Energie. Sie sind außerdem keramische Halbleiter mit Heißleiterverhalten. Sie eignen sich für die Herstellung hochpermeabler Werkstoffe mit Anfangspermeabilitäten (Kleinsignalverhalten bei Aussteuerungen 0,25 mT) von 6 000 bis 20 000.

Zur Einstellung der intrinsischen Eigenschaften, wie Temperaturabhängigkeit der Anfangspermeabilität, werden dem Grundwerkstoff spezifische Additive wie CoO und TiO2 zugesetzt, um den Temperaturkoeffizienten der Anfangspermeabilität auf das physikalisch bedingte Minimum senken zu können.

Für die Anwendung hochpermeabler Mangan-Zink-Ferrite im Frequenzbereich von 50 bis 400 kHz ist es notwendig, die Korngrenzen über den Aufbau dünner Schichten zu isolieren und damit die Ausbildung großflächiger Wirbelströme zu unterbinden.

Dabei werden als Glasbildner die Oxide des Siliciums, Kalziums, Bismuth, Bors, Germaniums, Vanadiums und Indiums verwendet.

Die bei der Sinterung der Pulverwerkstoffe sich bildenden Glasphasen im Dickenbereich weniger Nanometer tragen bei Temperaturen oberhalb 1100°C zum beschleunigten Stofftransport bei und fördern das Kornwachstum bei der Ausbildung der Mikrostruktur, wobei mittlere Korngrößen von 30 bis 50 µm Durchmesser für hochpermeable Mangan-Zink-Ferrite erwünscht sind.

Mit den 8- bis 10-Komponentensystemen sind auf pulvermetallurgischem Wege Werkstoffe mit Anfangspermeabilitäten bis 20 000 herstellbar, die bei Ringkernen bis zu Außendurchmessern von 14 mm bis 100 kHz frequenzstabil sind, eine Curietemperatur von 130°C aufweisen und sehr kleine Temperaturkoeffizienten der Anfangspermeabilität zeigen.

Die höchstpermeablen Ferrite sind:

  • die Grundlage für die weitere Miniaturisierung von Schnittstellen-Übertragern und Entstördrosseln für Systeme der Kommunikationstechnik
  • hervorragende breitbandige Entstörwerkstoffe mit hoher Einfügungsdämpfung bis zu einer Grenzfrequenz von 1 GHz
  • Mangan-Zink-Ferrite für die Leistungsübertragung

Mangan-Zink-Ferrite mit der molaren Zusammensetzung 53,5 % Fe2O3, 8-10% ZnO und 36,5-38,5 % MnO sind ebenfalls Werkstoffe mit sehr kleiner Magnetostriktion und Kristallanisotropie-Energie. Für die Leistungsübertragung im Bereich weniger Watt bis in den kW-Bereich sind Curietemperaturen oberhalb 200 °C, Sättigungsflussdichten bis 500 mT und sehr niedrige Kernverluste bei Anwendungstemperaturen von 100 °C bei hohen Frequenzen erforderlich, um einen sicheren Übertragungsbetrieb gewährleisten zu können.

Die notwendige drastische Reduzierung der Wirbelstromverluste ist nur über die Erhöhung des Kornwiderstandes und durch die perfekte Isolation der Korngrenzen-Bereiche zwischen den Körnern durch hochohmige Glasphasen zu erreichen.

Zur Erhöhung des Kornwiderstandes sind Additive in Form der Oxide des Tantalums, des Vanadiums und Niobiums notwendig. Sie tragen zur Bildung von Sauerstoff-Leerstellen im Spinellgitter bei und erhöhen damit den Energiegap für den Transport von Ladungsträgern in das Leitungsband. Die Oxide des Kobalts, Chroms, Aluminiums, Kalziums und des Siliziums können teilweise im Spinellgitter gelöst werden bzw. bilden isolierende Glasphasen und bewirken damit Widerstandserhöhungen im Korn bzw. den Aufbau von Sperrschichten zwischen den Körnern.

Der bisherige Stand bei der Optimierung von 8- bis 10-Stoffsystemen hat bei den feinkörnigen Mangan-Zink-Ferriten für Leistungsanwendungen zu wesentlichen Verlustleistungssenkungen geführt, wie an den Beispielen der Werkstoffe K 2008, K2010 und K2001 ersichtlich ist.

Damit sind diese Hochleistungswerkstoffe den Kompositen zuzuordnen, bestehend aus Glasmatrix mit Wanddicken von einigen Nanometern und dem Mangan-Zink-Ferrit als Filler.

Weiterer Erkenntnisvorlauf lässt eine Reduzierung der Korngrößen auf weniger als 1 µm und damit eine Erhöhung der Anwendungsfrequenzen auf 5 MHz erwarten. Die Anwendung dieser neuen Werkstoffe wird vorzugsweise in Planartransformatoren, SMD-Induktivitäten und in kontaktlosen Energie-Übertragungssystemen erfolgen.

Eine wichtige neue Entwicklungsrichtung bei den Kompositen stellen die Polymerferrite auf Epoxidharz- bzw. Thermoplastbasis dar. Diese lassen Permeabilitäten bis 30 zu und sind für Anwendungsfrequenzen bis 50MHz geeignet. Wichtigste Anwendungen betreffen die Antennentechnik, Näherungsschalter, Drosseln zur Entstörung, Abschirmungen und die kontaktlose Leistungsübertragung.

Nanokristalline weichmagnetische metallische Werkstoffe

Nanokristalline weichmagnetische metallische Werkstoffe stellen eine neue Materialgruppe dar, die sich zum Teil durch extreme magnetische Kennwerte auszeichnet. Diese betreffen im besonderen:

  • Anfangspermeabilitäten von 1000 bis 200 000
  • Sättigungsflußdichten von 1,2 bis 1,6 T
  • Magnetostriktion nahezu 0
  • Frequenzstabilität der Permeabilität bis 20 kHz
  • Temperatureinsatzbereich von -40°C bis +120°C
  • Kernverluste, gemessen bei T=100°C, f=50kHz, B=400mT: 15 bis 40 mW/cm³
  • Gleichfeldvormagnetisierung bis 100A/m

Es handelt sich bei diesen Werkstoffen um Legierungen des Systems Fe73,5Cu1Nb3 (Si,B)20-23 mit nanokristalliner Struktur. Das erkannte Potential dieser neuen Werkstoffe lässt für eine Anfangspermeabilität vom 10 000 eine Frequenzstabilität bis zu 1 MHz erwarten.

Die hohe Induktion der nanokristallinen Werkstoffe in Verbindung mit den niedrigen Kernverlusten lassen eine schnelle Verbreitung in Transformatoren hoher Leistungen erwarten. Vorerst verfügbare Standardabmessungen zu großen Ringkernen betreffen die Außendurchmesser 102, 150, 210 und 260 mm bei einer Kernhöhe von 15 bis 35 mm.

Mit den Ringkernen R210 wurden inzwischen gemeinsam zwischen der Kaschke KG GmbH & Co. (seit 2007: Kaschke Components GmbH), der Rotima AG Zürich und der ABB Industrie AG Zürich Leistungstransformatoren für Anwendungen im Pendolino (Anm. der Red. 2022: Triebzüge mit auf mehrere Wagen verteiltem elektrischem Antrieb von Alstom) entwickelt, die sich durch eine Leistung von 50 kW bei einer Taktfrequenz von 11,7 kHz auszeichnen und bei Volllast die Kernerwärmung auf 80 °C begrenzt.

Die nanokristallinen Werkstoffe besitzen auch für den Aufbau von Invertern, Frequenzumrichtern und für die kontaktlose Leistungsübertragung im Bereich von 10 bis 250 kW (derzeit 50 kW-Module) ein beträchtliches Potential. Die möglichen Volumeneinsparungen sind beachtlich.


Das Unternehmen

Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1955 hat die Kaschke Components GmbH ihre Entwicklungs- und Fertigungskompetenz ständig weiter ausgebaut und bietet ihren Kunden maßgeschneiderte Lösungen mit bestmöglicher Performance. Diese werden am Stammsitz in Göttingen entwickelt und in den Produktionsstandorten in Tunesien wie auch dem thüringischen Küllstedt gefertigt.

Die ressourcenschonend hergestellten, leistungsstarken induktiven Bauelemente und weichmagnetischen Werkstoffe leisten in vielfältigen Applikationen vom Hörgerät bis zur Photovoltaikanlage gute Dienste.

Von Industrieelektronik über Automobil-, Medizin- bis hin zur Bahntechnik: Die Kunden des Unternehmens profitieren von seiner Designkompetenz, langjährigen Fertigungserfahrung, dem hohem Qualitätsniveau und der „Just in time“ Logistik.

Im Jahr 2007 fand die Umstrukturierung der Kaschke KG GmbH & Co. in Kaschke Components GmbH.

Redigiert und aktualisiert am 08.03.2022 12.27 Uhr (eve)

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