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Ein Hauch von Elektronik

Dünnfilmtechnologie sorgt für äußerst biegsame, funktionstüchtige Bauteile
Ein Hauch von Elektronik

Forscher der entwickeln Elektronikbauteile, die dünner und biegsamer sind als bisherige. Sie können sich gar um ein einzelnes Haar herumlegen, ohne dass die Elektronik Schaden nimmt. Das eröffnet neue Möglichkeiten für ultradünne, durchsichtige Sensoren, die buchstäblich ins Auge gehen.

Der Autor: Peter Rüegg, Redaktor Hochschulkommunikation an der ETH Zürich

Niko Münzenrieder taucht ein Blatt eines Ficus‘ in Wasser, in dem Stücke einer metallisch glänzenden Membran treiben. Mithilfe einer Pinzette schiebt er sorgfältig eines dieser Stückchen auf das Blatt der Zimmerpflanze. Schließlich hebt er es hoch, und die Folie haftet wie angegossen auf der Blattoberfläche. Der Postdoc-Forscher demonstriert so, welche besonderen Eigenschaften das von ihm mitentwickelte Elektronikbauteil in Form einer hauchdünnen Membran hat. „Diese neuartigen Dünnfilmtransistoren haften auf unterschiedlichen Oberflächen“, erklärt der Physiker, „und passen sich ideal daran an.“
Im Elektroniklabor von Prof. Gerhard Tröster forschen Wissenschaftler schon seit einiger Zeit an flexiblen Elektronikkomponenten wie Transistoren oder Sensoren. Ziel ist es, derartige Bausteine in Textilien einzuweben oder auf der Haut aufzubringen, um Gegenstände „smart“ zu machen oder bequem zu tragende, unauffällige Sensoren zur Überwachung von verschiedenen Körperfunktionen zu entwickeln.
Anschmiegsam, aber funktionstüchtig
Diesem Ziel sind die Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich nun mit ihren Dünnfilmbauelementen einen großen Schritt näher gekommen. Die Arbeit darüber wurde soeben in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht. Mit ihrer neuartigen Dünnfilmtechnologie haben sie eine äußerst biegsame funktionstüchtige Elektronik hervorgebracht.
Innerhalb eines Jahres hat Münzenrieder zusammen mit Giovanni Salvatore ein Verfahren entwickelt, das die Herstellung dieser Dünnfilmbauelemente ermöglicht. Die Membran besteht aus Parylen, einem Kunststoff, den die Forscher schichtweise auf eine herkömmliche 2-Zoll-Siliziumscheibe aufdampften. Der Parylenfilm ist maximal ein Tausendstel Millimeter dick – 50-mal dünner als ein Haar. In weiteren Arbeitsschritten bauten sie mit standardisierten Methoden Transistoren und Sensoren aus Halbleitermaterialien wie Indium-Gallium-Zink-Oxid respektive Leitermaterial wie Gold auf. Danach lösten die Forscher den Parylenfilm mit den darauf enthaltenen Elektronikkomponenten von der Siliziumscheibe ab.
Das so fabrizierte Elektronikbauteil ist äußerst biegsam, anpassungsfähig und – je nach Wahl der Materialien für die Transistoren – durchsichtig. Den theoretisch ermittelten Biegeradius von 50 µm bestätigten die Forschenden in Versuchen, bei denen sie die Elektronikmembran auf menschliche Haare legten und beobachteten, dass sich die Membran um diese herum genau anpasste. Die auf der Folie aufgebrachten Transistoren, die aufgrund ihrer Bauweise aus keramischen Materialien weniger flexibel sind als das Trägermaterial, funktionierten trotz dieser starken Biegung einwandfrei.
Smarte Kontaktlinse misst Augendruck
Eine mögliche Anwendung für ihre biegsame Elektronik sehen Münzenrieder und Salvatore zum Beispiel bei „smarten“ Kontaktlinsen. Für erste Tests brachten die Forscher ihre Dünnfilmtransistoren kombiniert mit Dehnungsmessstreifen auf handelsübliche Kontaktlinsen auf. Diese setzten sie einem künstlichen Auge auf und untersuchten, ob die Membran und vor allem die Elektronik den Biegeradius des Auges aushielten und weiterhin funktionierten. Tatsächlich zeigten diese Tests, dass derartige smarte Kontaktlinsen funktionstüchtig sind und zur Messung des Augeninnendrucks genutzt werden könnten. Der Augeninnendruck ist ein wichtiger Risikofaktor für das Entstehen eines Glaukoms, dem Grünen Star.
Die Forscher müssen aber auch noch ein paar technische Hürden überwinden, ehe an eine kommerziell verwertbare Lösung gedacht werden kann. So muss der Aufbau der Elektronik auf der Kontaktlinse optimiert werden, um die Effekte der wässrigen Augenumgebung zu berücksichtigen. Außerdem brauchen Sensoren und Transistoren Energie, wenn auch nur wenig. Dennoch muss diese bis jetzt von außen zugeführt werden. „Im Labor unter dem Mikroskop lässt sich die Folie leicht an die Energieversorgung anschließen, für eine auf dem Auge sitzende Einheit müsste aber eine andere Lösung gefunden werden“, gibt Münzenrieder zu bedenken.
Das Labor von Prof. Tröster hat in der Vergangenheit schon mehrere Male mit ausgefallenen Ideen für tragbare Elektronik von sich reden gemacht. So haben die Forschenden Textilien mit eingewobenen Elektronikbauteilen entwickelt oder die Körperfunktionen des Schweizer Skisprungstars Simon Ammann mit Sensoren während seiner Sprünge überwacht. I

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