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Trunk-and-Spur mit Ethernet-APL

Steuerungstechnik
Trunk-and-Spur mit Ethernet-APL

Mit Ethernet-APL steht nun ein Physical Layer für eine zweiadrige Leitung zur Verfügung. Während der Achema Pulse gaben die am APL Projekt beteiligten Partner offiziell bekannt, dass die Standardisierung des Ethernets mit integrierter Eigensicherheit für die Prozessautomation abgeschlossen ist. Die elektrischen Eigenschaften, die ein Ethernet-APL-Gerät erfüllen muss, sind in IEEE- und IEC-Standards definiert. Damit ist der Einsatz von Ethernet im Feld mit Stromversorgung über lange Kabelwege und einer barrierefreien Kommunikation zwischen Instrumentierung und Leittechnik möglich.

 

Andreas Hennecke, Produktmarketingmanager Feldbustechnologie bei Pepperl + Fuchs SE in Mannheim

Mit der Veröffentlichung der Normen sind die Grundlagen für die Hersteller von Geräten sowie für die Planer und Ingenieure geschaffen, um die Technologie in der Praxis einzusetzen. Weil Ethernet-APL nur die Layer 1 und 2, die Physical Layer definiert, können alle Protokolle wie Profinet oder Ethernet IP sowie die Technologien der OPC Foundation und der FieldComm Group ohne weitere Anpassung übertragen werden. Dies ermöglicht den Zugang zur Feldgeräteebene ohne Barrieren, der von Engineering, Asset-Management und Leitsystemen parallel und unabhängig voneinander genutzt werden kann. Der parallele Zugriff ist ein wichtiger Aspekt für die Stabilität des Systems, denn in ein laufendes Leitsystem möchte niemand eingreifen. Ein Durchflussmesser oder ein Ventil etwa lassen sich mit einem Webserver ausstatten. Ein Servicetechniker kann mittels mobilem Endgerät von überall Daten aus dem Feldgerät auslesen und analysieren. Über das Asset-Management-System könnte so bei Bedarf ein Ersatzgerät geordert werden.

Offen und zuverlässig durch Standardisierung

Die Schutzart Eigensicherheit definiert die IEC-TS 60079-47-2021 (2-WISE) die für verschiedene Leistungsklassen notwendigen Grenzwerte, die von den Geräten eingehalten werden. Ähnlich dem FISCO-Konzept wählt der Anwender Stromquelle, Kabel, und Stromsenke passend aus und dokumentiert dies. Bis zu 200 m Kabellänge ist dabei möglich. Mit diesen ohnehin notwendigen Planungstätigkeiten ist der Nachweis der Eigensicherheit ohne Berechnungen ohne Mehraufwand erbracht.

Teil der Standardisierung sind Interoperabilität-Tests. Jeder der ein APL-fähiges Gerät entwickelt, weist damit nach, dass die Geräte den elektrischen und mechanischen Standards entsprechen und mit anderen Komponenten im Netz ordentlich zusammenspielen. So ist sichergestellt, dass die Anwender eine hoch verfügbare und zuverlässige Technologie zur Verfügung haben.

Ethernet-APL basiert auf dem neuen Single-Pair-Ethernet-Standard 10Base-T1L (IEEE802.3cg-2019) und kommuniziert über Kabellängen bis zu 1000 m mit 10 Mbit/s Vollduplex. Damit ist es mehr als 300-mal schneller als aktuelle Technologien. Daneben sind über den Zweidraht auch Leistungen bis zu 92 W übertragbar.

Engineering Guideline sorgt für den Projekterfolg

Die Mitglieder im APL Projekt erstellten eine Engineering Guideline (www.ethernet-apl.org, www.pepperl-fuchs.com/apl), die Anwender bei der Planung und Inbetriebnahme von Netzwerken mit Ethernet APL unterstützt. Dieses umfangreiche Dokument eignet sich für alle diejenigen, die in die Technologie einsteigen möchten genauso wie für Digitalveteranen, die sich mit dem neuen Physical Layer vertraut machen wollen. Es enthält alle für Planer und Anwender relevanten Informationen. Den Autoren war dabei wichtig, alle Empfehlungen aus der Anwender-Perspektive zu erläutern. Es enthält Checklisten, beschreibt Topologien für allgemeine wie für explosionsgefährdete Bereiche und gibt Hinweise zu verwendbaren Kabeln und Klemmen und natürlich zum Explosionsschutz.

An dieser Engineering Guideline haben nicht nur die Standardisierungsorganisationen sowie die Unternehmen des APL Projekts mitgewirkt, auch Mitglieder der relevanten Namur-Arbeitskreise unterzogen die Guideline einem Review. Ihre Erfahrungen und Kommentare konnten deswegen bereits frühzeitig einfließen. Ein großes Dankschön für den Einsatz.

Stabil über große Distanzen

Neu und relevant für die Prozesstechnik: Ethernet schafft mit dem Advanced Physical Layer erstmals lange Wege. Hierfür kommt die Topologie mit Stamm- und Stichleitungen (engl.: Trunk-and-Spur) zum Einsatz. Sie ermöglicht 1000 m Kabellänge pro Trunk-Segment. Die Hauptleitung ist ebenfalls „nur“ eine Zweidrahtleitung mit Speisung und Kommunikation, die die gesamte Infrastruktur versorgt und so eine kostengünstige Lösung darstellt, weil keine weitere Verkabelung ins Feld erforderlich ist.

Der Power Switch ist Zugangspunkt und speist über den Trunk die gesamte Infrastruktur: Switche und Instrumente. Field-Switche frischen das Signal auf. Damit darf auch jedes weitere Trunk-Segment wieder 1000 m lang sein. Die erreichbare Gesamtlänge bestimmen jedoch die Lastverhältnisse und der damit verbundene Spannungsabfall am Kabel. Mit der Kombination aus den zwei typischen Topologien, Stern sowie Trunk-and-Spur lassen sich praktisch alle Anwendungen realisieren.

Für die Bedürfnisse nach hoher Zuverlässigkeit und einem einfachen Umgang erfolgt die Auslegung ausschließlich mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Geräte sind über jeweils eigene Ports an das Netzwerk angeschlossen. Dies minimiert das Risiko von Kommunikationsstörung, das bei Wartungsarbeiten im laufenden Betrieb gegeben ist, da ein Übersprechen auf benachbarte Feldgeräte ausgeschlossen ist. Das ist eine Sorge weniger für den Techniker zum Beispiel bei einem Gerätetausch.

Verlegte Kabel sind weiter verwendbar

Kabeltyp A ist das Referenzkabel, das in den Anlagen der Prozessindustrie weit verbreitet ist. Die Engineering Guideline für Ethernet-APL gibt detailliert Auskunft über die Eigenschaften, die das Kabel erfüllen muss inklusive maximal empfohlener Kabellängen. Soll ein vorhandenes Kabel weiterverwendet werden, ist es zwingend erforderlich, Messungen durchzuführen, um die Signalverluste ermitteln. So lässt sich sicherstellen, dass die Funktion des Netzwerks gewährleistet sein wird. Mit Ethernet-Installationen vertraute Techniker sind es gewohnt, die Impedanz eines Kabels zu bestimmen und zu dokumentieren.

Komfort durch Netzwerkzugang

Zur Achema Pulse wurden von mehreren Herstellern Switche und Geräte für Ethernet APL vorgestellt. Der erste Field Switch von Pepperl + Fuchs ist für die Zone 2 zugelassen. Dieser Switch-Typ unterstützt Geschwindigkeiten bis Gigabit in Richtung Unternehmensnetzwerk. Über Glasfasern können große Distanzen überbrückt werden. Der Switch unterstützt die Sternverdrahtung und die im übergeordneten Netzwerk häufig genutzte Ringtopologie für eine hohe Verfügbarkeit der Kommunikation. An diesen Switch lassen sich heute Sensoren und Aktoren mit Eigensicherheit Ex ic IIC anschließen, die für die Zone 2, zukünftig bis Zonen 1 und 0 oder Division 1 und 2 vorgesehen sind.

Der besondere Komfort von Ethernet-Netzwerktechnologie zeigt sich bereits beim ersten Einschalten. Über den Topologie-Scanner erkennt der Switch automatisch alle angeschlossenen Geräte. Ethernet-basierte Geräte können sich über den Switch automatisch beim Leitsystem anmelden. Außerdem erkennt der Switch Profibus-PA-Geräte und setzt automatisch die Geräteadresse. Soweit in der Bibliothek vorhanden instanziiert die Software automatisch die Gerätetreiber, sodass unmittelbar auf das Gerät und alle Daten zugegriffen werden kann. Damit ergibt sich ein klarer Migrationspfad, denn es lassen sich existierende Geräte gemeinsam mit der neuen Ethernet-Generation über eine gemeinsame Infrastruktur betreiben.

Besonders praktisch dabei: Punkt-zu-Punkt-Verbindung und automatische Geräteerkennung ermöglichen den Installateuren Geräte komfortabel zu installieren und sofort in Betrieb zu setzen. Dabei ersetzt das Smartphone das Multimeter, mit dem man direkten Zugang nicht nur zum Kommunikationsstatus sondern auch zur Diagnose der Installationstechnik selbst erhält. Damit ist die Suche nach möglichen Verdrahtungsfehlern effektiv bewerkstelligt.

Erste Ethernet-APL-Projekte

Feldgeräte, Controller sowie Switches aller Projektmitglieder demonstrieren die Funktion im Rahmen einer ersten Multi-Vendor-Applikation, die in Karlsruhe installiert wurde. In dieser Anlage lassen sich Szenarien abbilden, die Anwendungsfälle und Nutzen der digitalen Kommunikation mit Ethernet-APL demonstrieren.

Ein Beispiel: Weil heute alle wichtigen Projektdaten im Gerät parametriert und dokumentiert sind, lassen sich über die etablierten Protokolle beim Anschluss der Geräte diese digitalen Typenschilder auslesen. Während der Inbetriebnahme können Engineering und Asset Management Systeme erforderliche Treiber direkt aus dem Gerät laden und die Geräte automatisch mit der hinterlegten Anlagenplanung verknüpfen. Ethernet APL bildet die barrierefreie Übertragungsstrecke, die eine Synchronisation der Geräte im Feld mit den Daten im Engineering, im Asset-Management und im Leitsystem ermöglicht. So lässt sich der manuelle Aufwand für den Datenabgleich eliminieren. Das gleiche gilt für Gerätewartung, kalibrierung oder tausch. Möchte ein Unternehmen die Daten von mehreren Tausend Instrumenten automatisiert erfassen, ist ein digitaler Zugang zu den Instrumenten unerlässlich. Auf der Website www.ethernet-apl.org ist ein ausführliches Video mit weiteren Beispielen verfügbar.

Sowohl die im APL Projekt beteiligten Unternehmen als auch die Standardisierungs-Organisationen haben sich dafür eingesetzt und dazu beigetragen, dass die Technologie international verfügbar ist. Ziel ist es jetzt, eine möglichst breite Unterstützung der Technologie Gerätehersteller und Akzeptanz bei Planern und Anwendern zu erreichen. Hierzu lädt die Projektgruppe zu einem virtuellen Ethernet-APL-Workshop ein, der am 5. und 6. Oktober 2021 stattfinden wird ( www.ethernet-apl.org). Ethernet-APL ist der physikalische Layer, der eine Vielzahl von Applikationen unterstützt und damit die Digitalisierung in der Prozesstechnik erheblich nach vorne bringt. (ge)

Kontakt:
Pepperl + Fuchs SE
Lilienthalstraße 200
68307 Mannheim
Tel: +49 621 776-1111
pa-info@de.pepperl-fuchs.com
www.pepperl-fuchs.com

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