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Digitaler Zwilling als Enabler für Losgröße 1 im Schaltschrankbau

Steuerungs- und Schaltanlagenbau bei Siemens WKC
Digitaler Zwilling ermöglicht Losgröße 1 im Schaltschrankbau

Rund 21.000 Schaltschränke und 29.000 Kleingehäuse entstehen pro Jahr bei Siemens WKC – die meisten als Unikat. Frühzeitig setzten die Chemnitzer auf Standardisierung und den digitalen Zwilling, der stets ein Abbild des realen Schaltschranks liefert. Zusammen mit Eplan und Rittal hat man den Widerspruch zwischen Automatisierung und Losgröße 1 aufgelöst.

 

Gerald Scheffels, freier Fachjournalist, Wuppertal

Inhaltsverzeichnis

1. Standardisierung und Digitalisierung
2. Grundlage ist ein Datenmodell auf Eplan-Basis
3. Im Zentrum steht der digitale Zwilling
4. Die Vorteile der Standardisierung
5. Direkte Anbindung der Produktionsanlagen
6. Durchgängige Datennutzung bis in die Fertigung
7. Weiter automatisieren und neue Zielbranchen erschließen
8. IoT für die digitale Abkühlung
9. Zum Unternehmen

Wer von der Empore, also fast aus der Vogelperspektive, auf den „Shopfloor“ des Werks für Kombinationstechnik Chemnitz der Siemens AG (kurz: Siemens WKC) schaut, hat eine beeindruckende Aussicht: Auf einer riesigen Fläche ist eine Vielfalt von Schaltschränken zu sehen – und bei (fast) jedem einzelnen handelt es sich nicht um ein Serienprodukt oder eine Variante, sondern um ein Unikat, das von Grund auf individuell und kundenspezifisch geplant wurde und nun ebenso gefertigt wird.

Wie ist eine solche Vielfalt beherrschbar? Und wie behauptet Siemens WKC damit seit vielen Jahren seine Position als europäischer Marktführer im Schaltschrankbau für Werkzeugmaschinen? Das wird im Gespräch mit Hans-Peter Kasparick und Mirko Löffler deutlich. Sie sind die „Architekten“ des digitalen Workflows und des Manufacturing Engineering bei Siemens WKC.

Standardisierung und Digitalisierung

Der Grund für die Effizienz und die sehr gute Wettbewerbsposition bei der Schaltschrankfertigung in Losgröße 1 lässt sich sehr vereinfacht in einem Satz zusammenfassen: Siemens WKC hat schon sehr frühzeitig – vor knapp zwanzig Jahren – begonnen, den Prozess in der Schaltschrankplanung und -konstruktion zu standardisieren und die entstehenden Daten in einem digitalen Zwilling anzureichern, der stets das digitale Abbild des realen Schaltschranks ist.

Schaltschrankbau profitiert von digitaler Schaltplantasche

Grundlage ist ein Datenmodell auf Eplan-Basis

Dieser Prozess startet grundsätzlich mit der Übertragung der vom Kunden gelieferten Daten in ein standardisiertes Format. „Wir haben ein eigenes Datenmodell entwickelt, das auf Eplan Electric P8 und Eplan Pro Panel basiert – einfach deshalb, weil unsere Kunden im allgemeinen Maschinenbau überwiegend mit Eplan arbeiten“, erläutert Hans-Peter Kasparick, Digital Strategy and Innovation bei Siemens WKC. „Heute müssen noch viele Daten auf Grund von Medienbrüchen händisch erhoben werden. Im ZVEI diskutieren wir, den unternehmensübergreifenden Datenaustausch zu automatisieren – mit der Semantik EClass Advanced und einer standardisierten Datenbankstruktur ‚Verwaltungsschalenkonzept‘.“

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„Wir haben ein eigenes Datenmodell entwickelt, das auf Eplan Electric P8 und Eplan Pro Panel basiert“, sagt Hans-Peter Kasparick, Digital Strategy and Innovation bei Siemens WKC.
Bild: Siemens WKC

Im Zentrum steht der digitale Zwilling

Während des Werksdurchlaufs wird dieser digitale Zwilling weiter mit Produktionsdaten, PCF-Werten (Product Carbon Footprint), Exportdaten etc. vervollständigt und kann mit dem realen Produkt an den Kunden geliefert werden. Das bietet Vorteile auf allen Ebenen von Planung und Fertigung, die Siemens WKC abdeckt – von den Lieferanten etwa für konfektionierte Kabel bis zur Nutzung der Daten über die gesamte Lebenszeit des Schaltschranks.

Die Vorteile der Standardisierung

Der Aufwand für die Vereinheitlichung der Daten zu Beginn eines jeden Projektes mag höher sein als die einfache Übernahme und Anreicherung des vorhandenen Datensatzes. Aber dieser Aufwand wird im Durchlauf durch das Engineering und die Fertigung mehr als kompensiert. „Der digitale Zwilling muss unabhängig davon sein, mit welchem System er erstellt oder weiterverarbeitet wurde“, betont Mirko Löffler, Segmentleiter Manufacturing Engineering bei Siemens WKC. „Wir müssen den Datenaustausch standardisieren, damit jedes Engineering-Tool seinen Beitrag zur effizienten Datenentstehung leisten kann und dennoch die verschiedenen Fabriken mit ihren sehr unterschiedlichen Ausstattungen in der Lage sind, die entstandenen Daten anzuwenden.“ Davon profitiert letztlich auch der Kunde – in Form von schnellen Durchlaufzeiten, hoher Qualität und marktgerechten Preisen. „Und er erhält noch Mehrwerte im Engineering und in der Produktion.“

Mehr Nachhaltigkeit mit saisonaler Schaltschrankkühlung

Direkte Anbindung der Produktionsanlagen

Ein genauer Blick in die Schaltschrankproduktion zeigt den konkreten Nutzwert eines solchen Datenmodells auf der Shopfloor-Ebene von Siemens WKC. „Die Produktionsdaten generieren sich automatisch aus dem digitalen Zwilling im Moment ihrer Verwendung in der Fertigung – an den Bohr- und Fräszentren, in der Laserbearbeitung und in der Kabelkonfektionierung“, fährt Löffler fort. Digitale und reale Welt seien hier direkt verbunden. „Hierfür haben wir Schnittstellen geschaffen – das gilt beispielsweise auch für die Prüfung der Schaltanlage zum Abschluss der Fertigung.“

Durchgängige Datennutzung bis in die Fertigung

Dabei spielt für die „Digitalisierer“ bei Siemens WKC immer auch die Flexibilität eine wichtige Rolle. Der digitale Zwilling, so Mirko Löffler, müsse zum Beispiel auch unabhängig davon sein, ob ein Mensch oder ein Roboter die Arbeit mache oder welche Maschine angesteuert werden müsse. „Wir haben nicht nur Rohdaten, die wir ziemlich gut verwalten können, sondern auch Schnittstellen zu allen möglichen Standards und Maschinen. So bleiben wir flexibel – und das hilft uns auch bei der Vereinzelung von Wertschöpfungsschritten, wie wir sie zum Beispiel an unserem digitalen Aufbauplatz mit integrierter 3D-Lasernavigation realisiert haben.“

Eplan fördert digitale Durchgängigkeit in der industriellen Automatisierung

In der mechanischen Fertigung wird der Schaltschrank mit Eplan Pro Panel vorbereitet und mit Maschinen von Rittal bearbeitet. „Wir waren die ersten, die Perforex-Maschinen mit Siemens-Steuerungen eingesetzt haben“, erinnert sich Mirko Löffler. „Und kürzlich hat Siemens WKC eine 3D-Laserbearbeitungsanlage von Rittal bestellt.“

Aber die Beziehung der drei Unternehmen beschränkt sich nicht auf die Lieferung von Hardware und Software. Siemens WKC pflegt auch den Austausch mit Eplan und Rittal, um Impulse für die Planung der nächsten Automatisierungs- und Digitalisierungsschritte zu erhalten. „Rittal und Eplan sind für uns wesentliche Partner, da sie Lösungen für den Schaltanlagenbau intensiv vorantreiben – auf der Software-Seite und bei den Schaltschrankprodukten sowie bei den Automatisierungslösungen und Maschinen“, erläutert Hans-Peter Kasparick. „Deshalb sind sie für uns Vorzugslieferanten und Innovationspartner. Wir nehmen Ideen auf, die sie zur Marktreife entwickeln. Wir lernen voneinander, ergänzen und tauschen uns aus.“ Natürlich diskutiere man auch intensiv und regelmäßig mit Kunden aus dem Maschinen- und Anlagenbau, ergänzt Mirko Löffler. „Hier geben und erhalten wir Impulse, die beide Seiten weiterbringen.“

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„Der digitale Zwilling muss unabhängig davon sein, mit welchem System er erstellt oder weiterverarbeitet wurde“, sagt Mirko Löffler, Segmentleiter Manufacturing Engineering bei Siemens WKC.
Bild: Rittal

Weiter automatisieren und neue Zielbranchen erschließen

Mit der weitestgehenden Standardisierung und Durchgängigkeit der Daten sowie deren direkter Ausleitung in die Fertigung sieht sich Siemens WKC gut aufgestellt, um seine Marktposition weiter auszubauen. Der Nutzen des digitalen Zwillings ist klar erkennbar. Auf der Grundlage dieses Konzeptes wird das Unternehmen weitere Automatisierungsschritte umsetzen und sich auch neue Märkte erschließen.

„Klimaneutrale Energiewirtschaft und CO2-reduzierte Mobilität eröffnen uns neue Kundengruppen – überall muss Energie verteilt, Sensorik und Aktorik verbunden werden und das gelingt am besten an einer zentralen Stelle, dem Schaltschrank“, so Hans-Peter Kasparick abschließend. „Dieses Potenzial für die nächsten Jahre können wir nur mit einer effizienten unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit erschließen.“ Dabei gelte es, gemeinsam zu standardisieren und den digitalen Informationsaustausch zu entwickeln. „Hier müssen und wollen wir Überzeugungsarbeit leisten – als WKC, aber auch im ZVEI, in anderen Gremien und mit unseren mehr als 200 aktiven Kunden.“ (co)

www.rittal.com

www.eplan.de

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IoT für die digitale Abkühlung

Für das Zielbild der digital integrierten Produktion braucht es neben dem digitalen Zwilling der Anlagen aus dem Engineering auch Live-Daten. Die energiesparenden Kühlgeräte der Serie Blue e+ von Rittal werden bereits serienmäßig mit IoT-Anbindung geliefert. Aber auch ältere Geräte können jetzt mit an Bord genommen werden: Mittels IoT-Adapter lassen sich Blue-e-Geräte aus dem Bestand an smarte Condition-Monitoring- und IoT-Systeme anbinden, ohne in die Automatisierung einzugreifen. So werden nicht nur die Daten der Kühllösung aufgezeichnet, sondern auch Effizienzanalysen ermöglicht. Ein automatischer Alarm bei Störungen und Grenzwert-Überschreitungen reduziert teure Maschinen-Stillstände.

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Für Kühlgeräte der Serie Blue e hat Rittal den IoT-Adapter entwickelt. So lassen sie sich einfach an smarte Condition-Monitoring- und IoT-Systeme anbinden.
Bild: Rittal

Verwendbar ist der IoT-Adapter für alle Kühlgeräte der Serie Blue e von Rittal. Dachaufbau- und Wandanbau-Kühlgeräte dieser Serie – sowohl Standard- als auch Edelstahl-Varianten – erhalten so ein Upgrade für die Industrie 4.0. Zudem lassen sich Rittal Kühlgeräte mit einer Nema 3R/4- bzw. Nema 4X-Klassifizierung gut in IoT-Anwendungen einbinden.


Zum Unternehmen

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Blick in die Fertigung bei Siemens WKC in Chemnitz: Hier entstehen pro Jahr rund 50.000 Schaltschränke und Kleingehäuse – der Großteil in Losgröße 1.
Bild: Rittal

Das Werk für Kombinationstechnik Chemnitz der Siemens AG (Siemens WKC) entwickelt und fertigt kundenspezifische elektrische Ausrüstungen für den Maschinen- und Anlagenbau. Kompetenz, Kundenähe, Innovationskraft und eine ausgesprochen enge Zusammenarbeit zwischen Produktion, Engineering, Entwicklung und Vertrieb machen Siemens Chemnitz zu einer Lösungsfabrik für die Kunden. Ein großer Standortvorteil ist durch das Maschinen- und Technologiezentrum gegeben. Hier können Anwender die für sie entwickelten Lösungen auf Herz und Nieren prüfen. Hier werden zudem weitere Innovationsthemen – von Additive Manufacturing bis hin zu Robotiklösungen – vorangetrieben.

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