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Greenboats nutzt Ansys-Simulation

Simulationssoftware
Greenboats nutzt Ansys-Simulation für nachhaltige Strukturteile

Um Bootsbauteile mit selbst entwickelten Rohstoffen und Strukturteile aus nachhaltigen Kompositwerkstoffen richtig dimensionieren zu können und vor allem die Gelege im Faserverbundwerkstoff optimal zu positionieren, nutzt Greenboats die Simulation von Ansys. Unterstützt wird das Unternehmen vom Reseller Inneo.

Ralf Steck, freier Fachjournalist in Friedrichshafen

Inhaltsverzeichnis

1. Nachhaltiger per Simulationssoftware
2. Ansys Startup Program
3. Von der Ansys-Simulation zum Einsatz
4. Erfolgreiche Entwicklungen dank Simulation

Segeln ist ein faszinierender Sport und eigentlich ein extrem nachhaltiger – es wird nur die Kraft des Windes genutzt, um von A nach B oder wie beim Ocean Race einmal um die ganze Erde zu segeln. Wären da nur nicht die Sportgeräte selbst: Nahezu alle Boote sind heutzutage aus Faserverbundwerkstoffen, also einer Mischung aus Glas- oder Kohlefasermatten und einem Kunstharz, das die Fasern verbindet. Der Werkstoff ermöglicht schnelle, leichte und schöne Boote, ist aber kaum zu recyceln. Zudem entstehen bei der Verarbeitung extrem unangenehme und gesundheitsbedenkliche Stoffe wie Styrolverbindungen.

Für Greenboats-Gründer Friedrich Deimann waren diese Emissionen der Startpunkt einer langen Reise. Er ist gelernter Bootsbauer und stellte schnell fest, dass sein Berufsalltag von den Gerüchen und Dämpfen bestimmt ist, die dem GFK bei der Verarbeitung entweichen. Zudem sind Glasfasern sehr unangenehm in der Handhabung, weil ständig kleine Fasern abbrechen und in der Haut steckenbleiben. „GFK ist ein faszinierender Rohstoff, weil er fast völlige Gestaltungsfreiheit gibt“, erinnert sich Deimann, „aber man arbeitet jeden Tag in Schutzkleidung und mit Atemmaske. Dass das nicht gesund und nachhaltig ist, ist offensichtlich. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach einer natürlichen Alternative.“ Deimann fand diese Alternative in Flachs oder Leinen.

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Greenboats entwickelt umweltfreundliche Faserwerkstoffe – im Bild: Flachsfasern und Harz auf Leinölbasis.
Bild: Greenboats

Bis zum Siegeszug der Baumwolle war Leinenstoff in Europa nahezu das einzige pflanzliche Rohmaterial für Kleidung und Stoffprodukte. Faserverbundwerkstoffe auf Basis von Flachs erreichen sehr ähnliche Materialkennwerte wie herkömmliche GFK-Werkstoffe. Bis das Material allerdings so optimiert war wie heute, dauerte es zehn Jahre, in denen Deimann Materialien, Lieferquellen und Harze suchte, die seinen Ansprüchen genügten. Heute liefert ein französischer Spezialhersteller technisch verwendbaren Flachs an Greenboats, den das Unternehmen zu Gelegen und Geweben weiterverarbeiten lässt. Das zugehörige Epoxydharz basiert auf Leinöl. Auch nachhaltige Kernmaterialien wie ein Wabenmaterial aus Papier sind im Angebot.

Nachhaltiger per Simulationssoftware

Deimann gründete im Jahr 2017 mit seinem Partner Jan Paul Schirmer das Unternehmen Greenboats, um das neue Material im industriellen Maßstab auf den Markt zu bringen. Eines der ersten Produkt aus dem Greenboats-Material ist das Segelboot FLAX27, das zeigt, wie stabil, formbar und haltbar das neue Material ist. Greenboats liefert aber nicht nur Materialien, sondern auch komplette Leichtbaukomponenten. Faserverbundwerkstoffe sind anisotrop, das bedeutet, dass sich die Materialeigenschaften je nach Belastungsrichtung unterscheiden. Längs der Faserrichtung ist die maximale Zugkraft wesentlich höher als quer dazu. Um die Eigenschaften des Werkstoffs optimal zu nutzen und möglichst leichte Komponenten mit möglichst hoher Belastbarkeit zu erzeugen, ist also die Lage der Fasern entscheidend. Der Entwickler arbeitet daran, die Matten und Rovings – das sind einzelne Faserbündel – möglichst so im Bauteil zu positionieren, dass in allen Belastungsrichtungen Fasern verlaufen.

Paul Riesen war im Jahr 2020 der erste Schiffbauingenieur bei Greenboats, er erinnert sich: „Ich stellte schnell fest, dass ich eine Simulationssoftware benötige, um – damals als einziger Ingenieur zwischen Bootsbauern und Marketingstrategen – meine Arbeit effizient erledigen zu können. Aus dem gleichen Grund entschied ich mich gegen eine der verfügbaren Open Source-Lösungen. Ansys kannte ich schon aus dem Studium, deshalb entschieden wir uns schließlich für diese Lösung.“

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Mit Hilfe der Ansys-Simulationssoftware lassen sich die Belastungen der Bauteile auf die Materialkennwerte optimieren.
Bild: Greenboats

Ansys Startup Program

Riesen nahm dazu auf Empfehlung von Ansys Kontakt mit auf, die als Ansys-Reseller Niederlassungen in Hamburg und Hannover haben. Die Greenboats-Verantwortlichen hatten zunächst eine reine Finite-Element-Lizenz für Festigkeitsberechnungen ins Auge gefasst, die Inneo-Spezialisten präsentierten dagegen das spezielle Angebot von Ansys für Startup-Unternehmen. „In dem Bundle Ansys Startup Program – Structures and Fluids sind weitaus mehr Module enthalten als in der Lizenz, die wir ausgesucht hatten“, erinnert sich Riesen. „Dabei kostet das Startup-Bundle signifikant weniger. Das war ein sehr guter Hinweis von Inneo“, sagt Riesen.

„Rund um die Produktentwicklung bieten wir alles aus einer Hand“

Für die Teilnahme am Ansys-Startup-Programm gelten einige Bedingungen, die das Unternehmen erfüllen muss – es darf nicht älter als zehn Jahre sein, unter fünf Mio. US-Dollar Jahresumsatz liegen und darf kein Engineering Consulting- oder Simulationsservice-Unternehmen sein. Schließlich muss es in privater Hand sein. Diese Voraussetzungen werden jährlich neu überprüft, dann steht für bis zu drei Jahre eine breite Palette von Modulen zur Verfügung. Ansys bietet verschiedene Bundles für Strukturmechanik und Fluide, Elektromagnetik, Embedded Software und weitere Fachgebiete.

Besonders wertvoll war das Modul Ansys ACP für Greenboats, da es spezielle Funktionen zur Optimierung von Gelegen beinhaltet. „Mit Hilfe von Ansys ACP lassen sich Laminatpläne definieren und analysieren“, erläutert Riesen. „Zudem lassen sich Parameterbereiche vorgeben, beispielsweise der Winkel, in dem eine Gewebematte eingelegt wird, und damit eine Optimierung rechnen. Ansys errechnet dann für jede Lage die optimale Richtung, um mit geringstmöglichem Materialeinsatz die maximale Festigkeit zu erreichen.“ Ist der Laminatplan definiert, lässt sich das Bauteil mit Hilfe der klassischen FE-Methode in Ansys Mechanical simulieren. Eine wichtige Voraussetzung für diese Simulation sind möglichst realitätsnahe Materialkennwerte. Greenboats erarbeitete diese Materialwerte – die ja nicht nur von der Faserrichtung, sondern auch von der Art der Faserbestandteile abhängig sind – in mehreren Forschungsprojekten. Riesen zählt auf: „Auch die Verarbeitung spielt für die Materialeigenschaften eine große Rolle, Verarbeitungstemperatur, die Mischung von Harz und Härter, Vakuum und Druck. Ein Materialkennwert gilt immer nur für eine ganz bestimmte Kombination von Material und Verarbeitung. Am Ende ist der Fertigungsprozess also ein integraler Bestandteil der Simulation.“

Von der Ansys-Simulation zum Einsatz

Wichtig wurde diese Optimierung, als Greenboats die Gelegenheit erhielt, für zwei IMOCA-Rennyachten, die erst kürzlich bei „The Ocean Race“ um die Welt segelten, Bauteile beizusteuern. IMOCAs sind etwa 18 Meter lange Segelboote, die in der neuesten Generation mit Hilfe gebogener „Foils“, seitlich angebrachter Flügel, den Rumpf zum größten Teil aus dem Wasser heben und dadurch bisher ungekannte Geschwindigkeiten erreichen. Auf der Etappe von Newark/USA nach Aarhus erzielte die „Malizia-Seaexplorer“ mit dem deutschen Skipper Boris Herrmann einen neuen Rekord mit 641,13 Seemeilen in 24 Stunden – das entspricht einer Strecke von 1.187 Kilometern und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 50 km/h.

Für das US-Team 11th Hour entwickelte und baute Greenboats die Notausstiegsluke, die es ermöglicht, das Boot am Heck zu verlassen, wenn es wegen eines Unfalls gekentert ist, also kopfüber liegt. Zudem wurden die beiden Niedergangstüren zwischen dem Cockpit, in dem gearbeitet wird, und der Kajüte in Naturfaser-verstärkter Sandwichbauweise gefertigt. Bei der Malizia wurden neben diesen Bauteilen fast 30 Bauteile von Greenboats gefertigt, darunter die Motorabdeckung, Bodenpaneele, Luken und Schotten – und damit Teile, die brutale Schläge wegstecken müssen, wenn das Boot im Südpolarmeer mit bis über 60 km/h über meterhohe Wellen rast.

Bei einem anderen Boot waren die Bodenbretter unter dieser Belastung zerbrochen und es musste die Etappe im „Southern Ocean“ abbrechen. Riesen: „Da wird einem wieder so richtig klar, dass unsere Bauteile im wörtlichen Sinn lebenswichtig sind – es hängt das Überleben der Segler davon ab, dass ich mit meinem Simulationssystem richtig rechne. Das erfordert schon großes Vertrauen in die Software – das habe ich in Ansys.“

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Bei der Malizia Sea-Explorer bestehen unter anderem die Notausstiegsluke und die Schotttüren aus dem Greenboats-Material.
Bild: Greenboats/Malizia

Erfolgreiche Entwicklungen dank Simulation

Die Heckausstiegsluke ist ein wichtiges Bauteil, da es eine große Öffnung verschließt und ständig von Wasser überspült ist. Sie muss also zuverlässig dicht sein, auch wenn der Rumpf sich verwindet sowie Salzwasser und UV-Strahlung gegenüber unempfindlich sein. Riesen erhielt die Geometrie der Dichtung und die Lasten, die von den Konstrukteuren eingeplant sind. „Die Vorgabe war, das Bauteil mindestens so leicht zu gestalten, wie es in Kohlefaser gewesen wäre. Das wäre ohne Ansys ACP nicht erreichbar gewesen“, erinnert sich Riesen.

„Inneo war immer an unserer Seite“, fasst Paul Riesen zusammen. „Wenn ich schnell Hilfe brauche, bekomme ich sehr zügig eine hilfreiche Antwort. Wenn die Software an ihre Grenzen gekommen ist, kannten die Inneo-Spezialisten einen Workaround, mit dem sich das Gewünschte doch erreichen lässt. Und die IMOCAs sind heil zurück – zumindest gab es bei unseren Booten keine Schäden, die unsere Bauteile betrafen – was eine riesige Bestätigung für uns und unser Material ist und ein großer Faktor, um unsere nachhaltigen Faserverbundwerkstoffe in den Markt zu bekommen.“ (sc)

www.inneo.de

www.ansys.com



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