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Frequenzumrichter von Sieb & Meyer mit besserer Leistungsfähigkeit

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Frequenzumrichter von Sieb & Meyer mit besserer Leistungsfähigkeit

Die neue Frequenzumrichter-Baureihe von Sieb & Meyer arbeitet mit innovativen Regelungstechniken. Im Interview mit KEM Konstruktion erklärt Torsten Blankenburg, CTO der Sieb & Meyer AG in Lüneburg, welche Vorteile diese Neuerungen für Anwender mit sich bringen und wieso diese Serie optimale Voraussetzungen für die Regelung sogenannter IPM-Motoren bietet. Zudem erläutert er, warum sich das Unternehmen auf kundenspezifische Lösungen fokussiert.

 

Interview: Johannes Gillar, stellvertretender Chefredakteur KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Auf Basis der Entwicklungsplattform SD4x hat Sieb & Meyer eine Frequenzumrichter-/Servoverstärker-Serie entwickelt, die dank zahlreicher Neuerungen signifikante Verbesserungen im Betrieb ermöglicht. Welche Verbesserungen sind das konkret?

Blankenburg: Das ist zum einen die Leistungsfähigkeit der Prozessorplattform, die eingesetzt wird. Wir haben also eine höhere Prozessorleistung und die dazugehörige Peripherie ist auch entsprechend ausgebaut worden, das heißt mehr Speicher, schnelleres FPGA und Analog/Digital-Wandler, die eine höhere Auflösung haben. Von daher haben wir hardwareseitig erstmal die Grundvoraussetzungen geschaffen, für die Zukunft gewappnet zu sein. Dazu gehört, dass wir nun einen Multiprotocol-Chip für die Feldbuskommunikation eingesetzt haben. Das sind die wesentlichen Verbesserungen der neuen Geräteplattform.

KEM Konstruktion: Die SD4S-Baureihe bietet Ihren eigenen Angaben zufolge optimale Voraussetzungen für die Regelung sogenannter IPM-Motoren. Können Sie das näher erläutern, wie das technisch funktioniert?

Blankenburg: Wir haben zuvor ja schon unsere sensorlose Vektorregelung für Synchronmotoren – auch SPM-Motoren (Surface Permanent Magnet Motor) genannt – eingeführt, die bereits entsprechende Motormodelle berücksichtigt hat. Darauf setzt das Thema der IPM-Motoren (Interior Permanent Magnet Motor) auf. Diese haben die Besonderheit, dass ihr elektrisches Verhalten nicht mehr linear, sondern betriebspunkt- und drehzahlabhängig ist. Im Gegensatz zum SPM-Motor sind die Induktivitäten beim IPM-Motoren in d- und q-Richtung nicht identisch und nicht statisch. Dadurch haben wir kein statisches Modell mehr mit einer festen Stator-Induktivität Ls, sondern wir müssen, damit der Motor optimal betrieben werden kann, kontinuierlich dieses Motormodell in Bezug auf Induktivität in d- und q-Richtung neu berechnen. Basierend hierauf werden dann entsprechend die Magnetisierung und die Stromvektoren gestellt. Es gibt auch andere, eher statische Lösungen. Beispielsweise definiert man einen Arbeitspunkt, der vorwiegend genutzt werden soll. Die Regelungen werden dann auf diesen einen Arbeitspunkt optimiert. Auch wenn der Motor in diesem Arbeitspunkt optimal läuft, wird es abseits dieses Arbeitspunktes nicht der Fall sein, da keine dynamische Anpassung erfolgt. Wir haben das Motormodell in unserer SD4x-Familie so erweitert, dass wir das online kontinuierlich rechnen und die entsprechenden Regelvektoren optimal einstellen können. Aus unserer Sicht ist das ein Novum gegenüber dem klassischen Ansatz der statischen Einstellung des Arbeitspunktes. Das hat den großen Vorteil, dass man einen Performance-Gewinn über den gesamten Arbeitsbereich erreichen kann und nicht nur auf einem Arbeitspunkt.

Die IPM-Motoren sind schon etwas länger am Markt. Die Technik geht auf Zeiten zurück, in denen Seltene Erden knapp waren, denn bei IPM-Motoren kommen weniger Magnete zum Einsatz. Ein weiterer Aspekt ist die höhere Leistungsdichte sowie der höhere Wirkungsgrad im Vergleich zum Asynchronmotoren. Mittlerweile haben sich für diese Motoren Anwendungen im Bereich Automotive ergeben, denn ein IPM-Motor vereint die Eigenschaften eines Asynchron- und eines Synchronmotors. Das heißt, ich habe zum Beispiel nur geringe Rastmomente, da ich durch die vergrabenen Magnete ein geschwächtes Magnetfeld habe. Ein weiterer Aspekt ist, dass IPM-Motoren bei der sogenannten Feldschwächung Vorteile haben. Die Feldschwächung ist eine Methode, um die Drehzahl von rotierenden, elektrischen Maschinen deutlich über die Nenndrehzahl hinaus zu erhöhen. Damit einher geht jedoch der Abfall des Drehmoments, sobald die Drehzahl über den Nennwert hinausgeht. Hier bietet das beim IPM-Motor vorliegende Reluktanzmoment die Möglichkeit ohne eine Erhöhung des Phasenstroms oder zusätzlicher Magnete ein zusätzliches Drehmoment zu generieren.

Darüber hinaus besteht ein Unterschied im Feldschwächbereich. Dieser kann bei Asynchronmotoren recht einfach in einem großen Drehzahlbereich realisiert werden. So steht bereits ab einem niedrigen Arbeitspunkt ein hohes Drehmoment zur Verfügung und es können gleichzeitig hohe Drehzahlen realisiert werden. Beim Synchronmotor geht das theoretisch auch, aber ich muss letztendlich eine aktive Feldschwächung durchführen, d.h. man muss mittels entsprechender Stromvektoren das Magnetfeld der verbauten Permanentmagneten aktiv schwächen. Das hat den großen Nachteil, dass bei Stromausfall keine Feldschwächung vorhanden ist, was dazu führen würde, dass man eine extrem hohe Spannung an den Motorklemmen hat, die dann die Isolation und auch den Umrichter zerstören kann. Man kann diesbezüglich Schutzmaßnahmen durchführen, aber sie sind sehr aufwendig und greifen auch nicht 100-prozentig. Beim IPM-Motor hat man dagegen die Möglichkeit, das Reluktanzmoment zu nutzen und so einen Kompromiss hinzubekommen. Das heißt, es besteht die Möglichkeit, relativ hohe Drehmomente im unteren Drehzahlbereich zu erzielen. Zudem reduziert sich das Problem mit der hohen Motorspannung im Spannungsausfall. Automobilhersteller wie Tesla setzen deshalb auf den IPM-Motor. Automotive ist nicht der Bereich, auf den wir setzen, sondern Sieb & Meyer ist eher in der klassischen stationären Anwendung unterwegs. Aber auch dort sehen wir, etwa bei Turbo-Blowern oder Bearbeitungsspindeln, immer mehr Projekte mit IPM-Motoren. Auch in Anwendungen im Hochgeschwindigkeitsbereich kann diese Motortechnologie konstruktiv Vorteile für das Gesamtsystem bieten.

KEM Konstruktion: Sieb & Meyer hat aber auch die bewährte Frequenzumrichter-Serie SD2 verbessert und die Mehrachs-Lösung mit der integrierten Sicherheitstechnik leistungsseitig erweitert. Mit welchen neuen Features wartet die Baureihe nun auf und welche Vorteile haben die Anwender/Kunden davon?

Blankenburg: Wir haben den SD2 zum einen mit integrierter Sicherheitstechnik erweitert. Nun steht eine Variante zu Verfügung, bei der der maximale Nennstrom von 42 Aeff@16 kHz auf 80 Aeff@16 kHz erhöht wurde. Damit erschließen wir neue Anwendungsbereiche. Ebenfalls neu ist, dass die aktuelle Variante auch als luftgekühltes Modell erhältlich ist. Im Zusammenspiel mit den dazugehörigen PS2-Leistungsnetzteilen lassen sich Mehrachs-Lösungen mit einer Leistung von bis zu 60 kW realisieren. Letztendlich werden wir damit Kundenanforderungen gerecht, denn ursprünglich wurde die neue Variante für einen Hersteller von Schleifmaschinen konzipiert, der damit die gesamte Bandbreite der eingesetzten Schleifspindeln abdecken kann. Den Kunden überzeugten unter anderem der geringere Verdrahtungsaufwand, die integrierten Sicherheitsfunktionen und die Ansteuerung über Profinet. Wichtig war auch, dass sich der Motor nur geringfügig erwärmen darf, was durch eine optimierte Reglung und den daraus resultierten geringen Rotorverlusten sichergestellt werden kann. Zudem musste ein schneller Wechsel zwischen unterschiedlichen Schleifspindeln möglich sein – entsprechend sollten sich verschiedene Motorparametersätze in den Antriebsverstärkern speichern lassen. Außerdem war uns wichtig, dieses System benutzerfreundlicher zu gestalten und sind darüber hinaus gerade dabei, bestimmte Verbesserungen in Bezug der Robustheit hinzubekommen.

KEM Konstruktion: Sieb & Meyer legt einen klaren Fokus auf kundenspezifische Lösungen. Was genau bedeutet das und welchen Anteil haben diese Lösungen im Vergleich zu Ihrem Standardprogramm?

Blankenburg: Etwa 40 bis 50 % des Umsatzes von Sieb & Meyer in der Antriebstechnik ist kundenspezifisch, wobei natürlich die Ausprägung immer relativ ist. Kundenspezifisch bedeutet für uns, dass wir schauen, wie können wir unsere Basis-Technologie modifizieren, damit der Kunde eine optimale Einbaumöglichkeit hat. So kann es beispielsweise in der maximalen kundenspezifischen Ausbaustufe sein, dass ein Kunde einen eigenen Formfaktor, bestimmte Schnittstellen sowie auch noch spezifische Software-Add-ons haben möchte. Dann ist es so, dass der Kern ein Gerät der Serien SD2x, SD3x oder SD4x ist, aber das Kundengerät eine eigenständige Lösung darstellt. Es kann aber in der minimalen Ausbaustufe auch einfach sein, dass der Kunde ein Label darauf haben möchte oder sein Logo. Das ist die Bandbreite, die wir heute an kundenspezifischen Geräten abbilden. Dazwischen liegt ein breiter Bereich an individuellen Ausbaumöglichkeiten. Das ist bei uns möglich, weil wir eine extrem große Fertigungstiefe haben und entwicklungsseitig entsprechend aufgestellt sind, sodass diese Sonderwünsche eingehen können. Dabei hilft es uns, dass wir kein Großvolumen-Hersteller sind, sondern dass wir auch intern mit Losen arbeiten, die den Lieferlosen der Kunden entsprechen. Die Normalität ist bei uns 20 bis wenige hunderte und nicht 1.000+ Geräte. Diese Flexibilität versuchen wir zum Wohl des Kunden kontinuierlich einzusetzen.

KEM Konstruktion: Welche Bedeutung hat im Zusammenhang mit kundenspezifischen Lösungen die Applikation? Spielt das bei Ihnen eine Rolle?

Blankenburg: Die Applikation spielt auf jeden Fall eine Rolle. Wir haben zum Beispiel den klassischen Servoverstärker für Schraubanwendungen. Zu dessen Eigenschaften gehört die hohe Überstromfähigkeit, das heißt die Applikation bestimmt, welche elektrischen Eigenschaften das Gerät mitbringen muss. Das berücksichtigen wir dann in der kundenspezifischen Lösung. Üblicherweise hat man bei Standard-Servoverstärkern ein Verhältnis Nennstrom zu Spitzenstrom 1 zu 2, im Vergleich dazu bietet Sieb & Meyer Geräte, die ein Verhältnis von 1 zu 4 oder 1 zu 5 haben. Das führt dazu, dass man für einen hohen Spitzenstrom ein sehr kleines Bauvolumen hat. Den Spitzenstrom kann man zwar nur kurz bedienen, aber die Anwendung Schrauben verlangt applikationsbedingt auch nur kurz ein hohes Drehmoment bzw. einen hohen Strom. Das berücksichtigen wir hardwareseitig. Auch im Hochgeschwindigkeits- und Motion-Control-Bereich hat Sieb & Meyer die entsprechende Expertise. Hier bestimmt ebenfalls die Applikation wie unsere Geräte ausgeprägt sind. Wir bieten auch komplexere Lösungen. Zum Beispiel haben wir den Motion Controller MC2, der optional eine Ethercat-Master-Schnittstelle bietet, mit der ein direkter Datenaustausch zwischen dem Controller und der Applikationseinheit, etwa einer Maschine für das Direktbelichten, möglich ist. Zudem haben wir hierfür in das Gesamtsystem aus MC2 und SD2x-Servoverstärkern Spezialfunktionen integriert, die eine optimale Bewegung des Bearbeitungskopfes und die exakte Synchronisation des Bearbeitungsprozesses gewährleisten. Die Funktion ist so speziell für diese Anwendung ausgeprägt und integriert worden. Es ist kein Standard, den man generell bei einem Servoverstärker oder Frequenzumrichter findet.

KEM Konstruktion: Sieb & Meyer hat eine hohe Fertigungstiefe. Welche Vorteile hat das hinsichtlich kundenspezifischer Lösungen und welche Auswirkungen hat die Fertigungstiefe auf die Lieferfähigkeit?

Blankenburg: Definitiv ist die Lieferfähigkeit der Schlüssel zum Erfolg. Daneben ist eine gute Materialplanung wichtig. Unternehmen, die Lean bzw. Just-in-Time gefertigt haben, kamen bei der aktuellen Material-Knappheit als erste in Schwierigkeiten. Bei uns ist es so, dass wir durch die interne Fertigung den Materialbedarf viel besser steuern können. Nehmen wir zum Beispiel die Bestückung von Leiterplatten, die wir selbst im eigenen Haus machen. Wenn Sieb & Meyer hier auf einen externen EMS-Fertiger angewiesen wäre, müssten wir größere Fertigungslose beauftragen, sodass mehr Material festgebunden wäre und somit nicht mehr flexibel bedarfsgerecht zur Verfügung stehen würde. Zudem kommen dann womöglich lange Lieferzeiten hinzu. Und wenn bei diesem EMS-Fertiger ein Bauteil fehlt, dann sind gleich große Lose davon betroffen und wir könnten nicht fertigen. Mit der eigenen Fertigung beziehungsweise Bestückung sind wir flexibler und riskieren so keinen Produktionsstillstand. Dazu kommt das Thema Alternativ-Zertifizierung beziehungsweise -Qualifizierung. Es ist ein großer Vorteil, wenn man in der Lage ist, alternative Bauteile kurzfristig einzudesignen und in die Fertigung zu bringen. Das ist mit externen Partnern nur eingeschränkt möglich. Durch unsere Fertigungstiefe können wir situativ besser reagieren und dementsprechend die Lieferfähigkeit ganzheitlich betrachtet besser aufrechterhalten.

KEM Konstruktion: Sie haben kürzlich eine Partnerschaft mit der US-amerikanischen Firma Spindel Electronics bekannt gegeben. Welche Strategie verfolgt Sieb & Meyer mit dieser Partnerschaft?

Blankenburg: Wir haben mit Sieb & Meyer USA zwar über lange Jahre einen Vertriebspartner in den Vereinigten Staaten gehabt, aber das Unternehmen dort ist sehr stark auf den Steuerungs- und Servo-Markt ausgerichtet. Das heißt, diesen Markt kann unser Partner gut bedienen, da haben sie Erfahrung und eigene Produkte. Was Sieb & Meyer USA dort nicht ausreichend betreuen konnte, ist der Hochgeschwindigkeitsmarkt. Um diesen Markt besser zu unterstützen, haben wir nach Alternativen gesucht. Im Grunde ging es darum, einen Partner mit Hochgeschwindigkeits-Erfahrung zu finden, der Interesse hat mit uns zusammenzuarbeiten, der die Applikation versteht und der entsprechend in den USA vernetzt ist. Spindel Electronics ist ein recht kleines Unternehmen, hat aber eine eigene Entwicklung und entsprechende Produkte im Hochgeschwindigkeitsbereich. Auf der anderen Seite ist es bei Spindel Electronics so, dass sie technologisch die zukünftigen Schritte nur zusammen mit einem Partner gehen können. Für Sieb & Meyer ist es natürlich interessant, seine Expertise bei Spindel Electronics einzubringen und zu helfen, ein neues Produktportfolio mitzuentwickeln. Außerdem hat Spindel Electronics die Möglichkeit, zukünftig ihren Markt mit modernen Produkten zu versorgen, die zwar nicht mehr aus eigener Feder stammen, aber mit denen sie weiterhin der Hochgeschwindigkeitsstrategie folgen können.

Mehr Informationen zum Frequenzumrichter SD4B von Sieb & Meyer:

hier.pro/snvmj

Kontakt:
Sieb & Meyer AG
Auf dem Schmaarkamp 21
21339 Lüneburg
Tel. +49 4131 203-0
info@sieb-meyer.de
www.sieb-meyer.de

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