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Frequenzumrichter für DC-Netze für eine energieeffiziente Industrie

Frequenzumrichter
Frequenzumrichter für DC-Netze für eine energieeffiziente Industrie

In der Industrie entfallen 70% des Stromverbrauchs auf E-Motoren. Bei drehzahlveränderlichen Antrieben lässt sich die Energieeffizienz mit Frequenzumrichtern am Drehstromnetz steigern. Nachteilig sind aber die Oberwellen der Ströme. Das Konzept der DC-Industrie kann hier deutliche Effizienzgewinne ermöglichen. Von Interesse ist dabei die Funktionalität der Frequenzumrichter in DC-Netzen. Im Trendinterview der KEM Konstruktion|Automation haben wir Teilnehmer des Forschungsprojekts DC-Industrie gefragt, warum Frequenzumrichter in Gleichstromnetzen eine wichtige Rolle spielen.

 

Fragen: Andreas Gees und Johannes Gillar, Chefredaktion KEM Konstruktion|Automation

Inhaltsverzeichnis

1. DC-Netz kann direkt an den Zwischenkreis angeschlossen werden
2. An der Schnittstelle zum DC-Netz ist ein neues externes Modul notwendig
3. DC-Umrichter haben Kostenvorteile
4. Systemspezifikation stellt Kompatibilität sicher
5. Bemühungen zur Standardisierung gibt es beim DKE, IEC und UL
6. Keine Strom-Oberwellen im DC-Netz

DC-Netz kann direkt an den Zwischenkreis angeschlossen werden

KEM Konstruktion|Automation: Welche Anforderungen muss ein Wechselrichter für den Antrieb von Drehstrommaschinen prinzipiell erfüllen, um im DC-Netz gemäß den Vorgaben von DC-Industrie eingesetzt werden zu können?

Frederic Blank (Keba Industrial Automation): Die Anforderungen sind im Systemkonzept von DC-Industrie2 definiert und wurden in den Modellanlagen bestätigt. In diesem Konzept sind die Grenzwerte für die Spannungsgrenzen, die Wechselstrombelastung, die elektromagnetische Verträglichkeit, die geforderte Toleranz gegen Fehler im DC-Netz und weitere Regeln festgelegt.

Prof. Dr. Holger Borcherding (Lenze): DC-Industrie hat ein wesentliches Ziel: die vorhandene Gerätetechnik aus dem Niederspannungsbereich für ein offenes, herstellerübergreifendes Gleichstromnetz mit geringen Anpassungen nutzbar zu machen. Ein Augenmerk liegt darauf, das Gleichstromnetz möglichst vielseitig und anpassungsfähig zu gestalten. Die Anforderungen sind dabei ähnlich wie bei den Geräten, die ursprünglich für das 3x400V-Netz entwickelt wurden bzw. werden. Weil praktisch alle Umrichter für Drehstrom über einen Gleichspannungszwischenkreis verfügen, kann man das DC-Netz direkt an den Zwischenkreis anschließen. Das heißt, die Grundkonstruktion kann gleichbleiben und auch beim Wechselrichter braucht es keine oder nur wenige Änderungen.

Erik Fosselmann (Danfoss Drives): Die empfohlene Kapazität liegt bei 25 µF pro kW. Des Weiteren müssen die EMV-Eigenschaften den DC-Industrie Vorgaben entsprechen. Grundsätzlich sind die Anforderungen geringer als im AC-Netz.

David Kater (KEB Automation): Im Projektkonsortium „DC-Industrie “ haben wir uns weitestgehend an bestehende Gerätestandards angelehnt, damit die Adaption von AC- auf DC-Technologie sowohl für die Anwender als auch für die Komponentenhersteller möglichst einfach ist. Frequenzumrichter sind das zentrale Element für die Automatisierung von industriellen Anlagen, weswegen sich zum Beispiel das zulässige DC-Systemspannungsband an den bereits seit Jahrzehnten etablierten Zwischenkreisspannungen von AC-gespeisten Frequenzumrichtern orientiert. Des Weiteren gibt es – wie auch in der AC-Welt – Vorgaben zur EMV und dem Geräteschutz.

Gunther Krei (Yaskawa Europe): Die wohl am weitesten in der Industrie verbreitete Frequenzumrichter-Topologie ist der Frequenzumrichter mit DC-Spannung-Zwischenkreis. Diesen Geräte werden über ein Wechselspannungsnetz (AC für alternating current) versorgt. Ein Gleichrichter am Eingang wandelt die Wechselspannung in eine noch etwas pulsierende Gleichspannung (DC für direct current) um, die dann über Zwischenkreiskondensatoren geglättet wird. So entsteht eine Gleichspannungsquelle, die einen Wechselrichter am Ausgang des Frequenzumrichters speist. Der Wechselrichter wandelt die Gleichspannung wieder in eine im Betrag der Spannung und Frequenz regelbare Wechselspannung um, mit der der Motor in seiner Drehzahl und seinem Drehmoment geregelt werden kann. Aus diesem Aufbau ergibt sich, dass der Frequenzumrichter üblicherweise schon an einem – wenn auch kleinen – eignen DC-Netz arbeitet. Für unsere Yaskawa-Frequenzumrichter ergeben sich also zunächst keine besonderen neuen Anforderungen.

An der Schnittstelle zum DC-Netz ist ein neues externes Modul notwendig

KEM Konstruktion|Automation: Wie müssen heute verfügbare Frequenzumrichter für DC-Netze modifiziert werden?

Blank (Keba Industrial Automation): Bei Wechselrichtern, die bereits für einen herstellerinternen DC-Verbund entwickelt wurden, sind nur kleine Anpassungen notwendig, da sich z.B. der Spannungsbereich der Antriebssysteme mit den aktuellen Bereichen überschneidet. An der Schnittstelle zum DC-Netz ist ein neues externes Modul notwendig, das den Anschluss, die EMV-Filterung und ggf. die Vorladung für Wechselrichter in einer gemeinsamen Lastzone ermöglicht. Zusätzlich zu den Änderungen sind qualifizierende Messungen erforderlich, um das Einhalten der Spezifikation nachzuweisen.

Borcherding (Lenze): Viele Hersteller – auch Lenze – bieten proprietäre Umrichtersysteme mit Gleichspannungskopplung an. Hier sind die Modifikationen überschaubar. DC-Industrie erfordert hier die Einhaltung von EMV-Grenzwerten, die es für DC bisher nicht gab. DC-Funkentstörfilter müssen entsprechend vorgeschaltet oder integriert werden. Ebenso erforderlich sind Validierungstests, um alle Eigenschaften von DC-Industrie nachzuweisen. Diese Tests sollen zum Beispiel zeigen, dass ein gerätenaher Kurzschluss im DC-Netz schadlos überstanden wird.

Bei Umrichtern mit AC-Anschluss sind die Umbauten aufwendiger. Hier entfallen Bauteile oder sie werden ersetzt. Der Netzeingang zum Beispiel ist nun zweipolig DC+ und DC- und nicht mehr dreipolig für das Drehstromnetz. PE bleibt natürlich. Weil der DC-Strom geringer als AC-Strom ist, kann man auf den Gleichrichter verzichten und zum Teil kleinere Anschlussklemmen nutzen. Der Funkentstörfilter ist geringfügig anders, meist benötigt er weniger oder kleinere Bauelemente. DC-Industrie lässt es zudem offen, ob man eine vorhandene Einschaltstrombegrenzung nutzt oder ausbaut. Darüber hinaus kann man die Kapazitäten der Gleichspannungskondensatoren reduzieren, weil das DC-Industrienetz selbst geringere Wechselanteile aufweist als der Gleichspannungszwischenkreis eines Umrichters.

Fosselmann (Danfoss Drives): Im DC-Bereich fallen manche Komponenten weg, wie zum Beispiel Brückengleichrichter, Bremschopper oder auch der Stecker für den Bremswiderstand. Andere werden erheblich kleiner. Dazu zählen der Eingangsfilter sowie die Zwischenkreiskapazität.

Kater (KEB Automation): Sofern die Geräte DC-Anschlussklemmen besitzen, können sie theoretisch direkt in einem DC-Netz eingesetzt werden. Dies wird auf Maschinenebene bereits seit mehr als 20 Jahren erfolgreich umgesetzt, bisher allerdings meist nur herstellerproprietär.

Daher haben wir im Projekt mehrere „Spielregeln“ definiert, um einen reibungslosen Betrieb im herstelleroffenen Netz zu gewährleisten. Zum Beispiel ist jeder Netzteilnehmer dafür verantwortlich, die Störaussendungen in Richtung DC-Netz unter einem gewissen Pegel zu halten. Da die Störmechanismen und -pfade aber sehr ähnlich zur AC-Welt sind, können bekannte Filterlösungen schnell auf DC adaptiert werden.

Krei (Yaskawa Europe): Wenn der Bedarf an DC-gespeisten Frequenzumrichter deutlich steigt, lohnt es sich möglicherweise, zusätzlich Geräte ohne AC-Einspeisung in Serie zu bauen. Am Frequenzumrichter selbst muss ansonsten gar nicht so viel geändert werden. Die wesentlichen Änderungen ergeben sich bei der Installation, den Anschlüssen und der Absicherung.

DC-Umrichter haben Kostenvorteile

KEM Konstruktion|Automation: Wechselrichter werden direkt an das DC-Netz angeschlossen, ergeben sich dadurch Vorteile bei den Gerätekosten? Welchen Einfluss haben dabei die Leistungshalbleiter für die Rückspeisung?

Blank (Keba Industrial Automation): Eine Reduktion der Gerätekosten ergibt sich im Vergleich mit AC-gespeisten Einzelachsgeräten, da die Gleichrichter, Einzelvorladung und Netzfilter entfallen. Im Vergleich mit Wechselrichtern aus DC-Verbünden von KEBA sind keine großen Unterschiede zu erwarten. Die Energierückspeisung ins DC-Netz ist bei allen KEBA Wechselrichtern ohne Zusatzaufwand gegeben. Die Rückspeisung ins AC-Netz ist mit geregelten Versorgungsgeräten ebenfalls möglich.

Borcherding (Lenze): Die modifizierten Gerätereihen mit wegfallenden oder ausgetauschten Bauteilen haben zunächst kaum Auswirkungen auf die Gerätekosten, weil die Grundkonstruktion gleich bleibt. Erst vollständig für ein DC-Netz konstruierte Geräte bieten die gesamten Vorteile. Wir gehen dabei von etwa 25 Prozent kleineren Wechselrichtern aus.

Die Kostenvorteile bleiben im Rahmen, weil viele funktionale Anteile wie der Steuerrechner und Schnittstellen identisch bleiben. Für die Rückspeisung ins DC-Netz sind keine zusätzlichen Leistungshalbleiter nötig. Im Gegenteil: Es entfallen sogar alle netzseitigen Leistungshalbleiter! Auch Bremswiderstände, die diese Energie in Wärme umsetzen, sind nicht erforderlich. Insgesamt kommt es zu deutlichen Kostenvorteilen – insbesondere, wenn die Integration von Speicher und PV-Anlagen erfolgt. Hier kommen die Stärken des DC-Netzes voll zum Tragen: Energieeffizienz, Spitzenlastausgleich und eine etwa 30% geringere Anschlussleistung, da die Blindleistung komplett entfällt.

Fosselmann (Danfoss Drives): Ja, Kostenvorteile entstehen durch den Wegfall von Komponenten oder auch durch die Nutzung kleinerer Komponenten wie bereits zum Thema Modifizierung erläutert. Da der DC-Frequenzumrichter bidirektional ist, benötigt er im Gegensatz zur Nutzung im AC-Bereich keine separate Rückspeiseeinheit (6 puls-Brücke), wodurch weitere Kosten- und Effizienzvorteile erzielt werden. Im Allgemeinen lohnt sich die Rückspeisung bei kleineren Leistungen im AC-Bereich nicht, da der Kostenaufwand größer ist als der Nutzen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei sind die grid codes und damit zusätzliche Zertifizierungskosten auf für die Hersteller. Somit wird in der AC-Welt die Energie im Bremswiderstand in Wärme umgesetzt.

Kater (KEB Automation): Da die dezentralen Gleichrichter in den Frequenzumrichtern entfallen, kann das Einzelgerät etwas günstiger und kleiner werden. Wir sollten in Zukunft jedoch davon abrücken, Wirkungsgrade und Kosten von einzelnen Komponenten isoliert voneinander zu betrachten. Der Blick auf das Gesamtsystem ist viel wichtiger und interessanter: Durch die erhöhte Spannung, zwei statt drei aktiven Leitern, keinerlei Verschiebungs- und Verzerrungsblindleistung und dem direkten Energieaustausch bei Bremsvorgängen ergeben sich sowohl beim initialen Investment als auch während der Betriebsphase deutlich größere Potenziale.

Krei (Yaskawa Europe): Wie bereits gesagt, man könnte auf die AC-Einspeisung, also auf die Eingangsklemmen und den Gleichrichter, verzichten. Diese Komponenten sind aber deutlich weniger kostenintensiv als zum Beispiel der Wechselrichter mit seiner Ansteuerung und der Controller.

Systemspezifikation stellt Kompatibilität sicher

KEM Konstruktion|Automation: Gemäß DC-Industrie sind verschiedene Spannungslevel für das DC-Netz spezifiziert. Decken sich diese mit den üblichen Zwischenkreisspannungen der aktuell verfügbaren Frequenzumrichter? Welche Probleme können beim Anschluss an das DC-Netz auftreten?

Blank (Keba Industrial Automation): Die in DC-Industrie2 definierte maximale DC-Spannung von 800 V leitet sich von den AC-Netzspannungen zwischen 400 bis 480 V ab. Hierfür sind aktuelle Antriebssystem von KEBA ausgelegt und somit auch mit dem DC-Netz kompatibel. Beim Einsatz der Servoregler in den Modellanlagen von DC-Industrie2 traten keine Probleme auf.

Borcherding (Lenze): Die Systemspezifikation von DC-Industrie stellt die technische Kompatibilität von heutigen Antriebssystemen verschiedener Hersteller für den Betrieb am DC-Netz sicher. Der Betrieb von zehn Modellanlagen und Transferzentren sowie erste produktive Pilotanlagen mit Lenze-DC-Wechselrichtern untermauern diese Kompatibilität. So waren für das DC-Netz keine oder nur geringe Anpassungen der Regelungssoftware nötig, um die Abschaltbedingungen einzuhalten. Und auch die dynamischen Anforderungen wurden erfüllt, sodass wir keine Probleme beim Anschluss der Geräte erwarten.

Fosselmann (Danfoss Drives): Das Ziel des Projektes DC-Industrie war es, ein DC-Netz basierend auf der bestehenden Infrastruktur zu designen. Dadurch decken sich die Spannungslevel mit den üblichen Zwischenkreisspannungen. Zusätzlich kann man einen weiteren Freiheitsgrad in der Spannung zur Regelung der Quellen einsetzen (Droop-Curve). Grundsätzlich gibt es keine wesentlichen Unterschiede zum Anschluss an ein AC-Netz.

Kater (KEB Automation): Das DC-Industrie-Spannungsband orientiert sich primär an den typischen Zwischenkreistopologien mit zwei in Serie geschalteten Elektrolytkondensatorsträngen. Einige Hersteller wie KEB Automation setzen hier 420-V-Elkos ein, was eine maximale Systemspannung von 840 V ermöglichen würde. Da wir aber ein herstelleroffenes Netz haben wollen, haben wir uns auf eine Maximalspannung von 800 V geeinigt. Diese Anforderung erfüllt nahezu jeder aktuell marktverfügbare Umrichter.

Krei (Yaskawa Europe): Hier sind drei Aspekte zu beachten: die Komponenten, die Installation und die Anwendung beziehungsweise Applikation.

In Bezug auf die Komponenten liegen die durch DC-Industrie spezifizierten Spannungspegel im Bereich der üblichen Zwischenkreisspannung derzeitiger Frequenzumrichter, das ist also kein Problem.

Bei der Installation erfordert die Umstellung der Einspeisung von AC auf DC im Wesentlichen Veränderungen im Schaltschrankbau und in der Infrastruktur der Industrieanlagen. Es sind andere Leitungen und Sicherheitseinrichtungen erforderlich. Benötigt man zum Beispiel für ein 400-V-Gerät eine Zuleitung mit vier Adern mit drei Phasen und einem Schutzleiter, so werden für ein vergleichbares Gerät mit Gleichspannungsversorgung nur drei Adern benötigt, jeweils eine für Plus und Minus und eine für den Schutzleiter. Sicherungen, Schutzelemente und Schalter sowie Stecker müssen auf die DC-Spannung ausgelegt und konstruiert werden, sodass sie auch unter Last sicher trennen können. Das ist ein wichtiger Punkt, denn DC hat keinen Nulldurchgang, in dem ein Lichtbogen selbständig erlöschen würde. Mit Blick auf die Anwendung beziehungsweise die Applikation muss bei der Umstellung auf DC-Einspeisung auch die Risikobetrachtung erneut durchgeführt werden. Wenn wir z. B. die Vorteile des DC-Netzes in einer Anlage voll ausnutzen möchten, werden wir mehrere Einspeisepunkte haben – also beispielsweise: zum einen die Netzeinspeisung mit zentralem Gleichrichter, zum anderen aber auch noch eine Einspeisung durch die Photovoltaikanlage auf dem Dach und die Einspeisung des Windgenerators draußen auf dem Feld. Wie und wo muss im Fehlerfall sicher abgeschaltet werden, damit die Anlage so weit wie möglich sicher weiterläuft, die fehlerhafte Stelle aber spannungsfrei ist? Und was genau geschieht im Fehlerfall? Dazu ein Beispiel: Ein Kran senkt eine große Last ab, ist also im generatorischen Betrieb und speist Energie ins DC-Netz zurück. Jetzt tritt ein Fehlerfall ein und Spannung in dem Anlagenbereich muss innerhalb von wenigen Millisekunden abgeschaltet werden. Die Last am Kran ist aber so schwer, dass sie nicht innerhalb dieser kurzen Zeit gestoppt werden kann. Die Last muss also weiter abgesenkt werden. Der Kran wird dann zur Stromquelle und es muss durch geeignete Maßnahmen verhindert werden, dass diese Energie bis zur Fehlerquelle gelangt. All diese Aspekte sind aber nicht neu und die Industrie kann hierfür auch Lösungen anbieten.

Bemühungen zur Standardisierung gibt es beim DKE, IEC und UL

KEM Konstruktion|Automation: Gibt es dazu Standardisierungsbemühungen, um die Geräte verschiedener Hersteller an einem DC-Netz zu betreiben? Sind erste Geräte verfügbar?

Blank (Keba Industrial Automation): Das Forschungsprojekt DC-Industrie2 hat die technische Realisierbarkeit des DC-Netzes nachgewiesen und Regeln erarbeitet, nach denen ein DC-Netz aufgebaut werden kann. Die Open DC Alliance (ODCA) ist im Austausch mit Normungsgremien, um die Ergebnisse des Forschungsprojekts DC-Industrie2 in zukünftige Normen einfließen zu lassen.

Borcherding (Lenze): Ja, natürlich. Durch die Veröffentlichung der offenen DC-Industrie-Systemspezifikation über die ODCA gibt es schon heute belastbare technische Regeln, sodass jeder Hersteller entsprechende Geräte konstruieren und betreiben kann. Genau wie die Mitgliedsunternehmen der ODCA sind auch wir bei Lenze in allen nationalen und internationalen DKE- und IEC-Normungsgremien vertreten. Die Working Group „Standards“ begleitet diese Aktivitäten. Damit gehen wir davon aus, dass die Ergebnisse aus DC Industrie in Zukunft als internationale Basis für die DC-Standardisierung genutzt werden. Im Rahmen von DC-Industrie2 hat Lenze bereits allen Anwendungspartnern DC-Netz-fähige Geräte aus jeder Umrichterfamilie zur Verfügung gestellt . Wir können auf Anfragen also schnell reagieren. Da ein DC-Netz aber nicht nur Motorwechselrichter, sondern auch weitere funktionale Komponenten wie DC-Abzweige, Active Infeed Converter, also bidirektionale Einspeisegeräte, und auch geregelte Speicher beinhalten kann, definieren wir im Moment den Lenze-Systemlösungsraum für unser zukünftiges DC-Portfolio. Hierfür sprechen wir mit DC-Industrie interessierten Kunden. Und das sind tatsächlich sehr viele.

Fosselmann (Danfoss Drives): Bemühungen zur Standardisierung gibt es sowohl beim DKE, IEC als auch bei UL. China arbeitet ebenfalls massiv an der Standardisierung von DC-Netzen. Das DC-Industrie Systemkonzept wurde genau dafür erstellt, um Geräte verschiedener Hersteller einbinden zu können. Dies konnte auch in mehreren Testanlagen unter Beweis gestellt werden. Geräte sind bereits verfügbar oder kurz vor der Serienfreigabe. Aktuell werden auch mehrere DC-Industrie-Netze aufgebaut und in Betrieb genommen (siehe Schaltbau NExT factory)

Kater (KEB Automation): Im Projekt DC-Industrie haben wir anhand von mehreren Modellanlagen und Transferzentren erfolgreich gezeigt, dass unter der Einhaltung gewisser Standards auch viele verschiedene Hersteller zusammen in einem Netz arbeiten können. Im nächsten Schritt werden wir versuchen, die Normung auf internationaler Ebene gemeinsam mit weiteren Partnern in der ODCA (Open Direct Current Alliance) voranzutreiben. Dennoch können natürlich bereits jetzt schon DC-Anlagen aufgebaut werden, sofern die Komponenten für den DC-Betrieb freigegeben sind.

Krei (Yaskawa Europe): Viele Themen werden bereits durch bestehendes Normen abgedeckt. Es gibt aber auch noch Themen, die überarbeitet werden müssen.

Keine Strom-Oberwellen im DC-Netz

KEM Konstruktion|Automation: Herausforderungen im AC-Netz sind die Strom-Oberwellen, treten diese im DC-Netz in ähnlicher Weise auf?

Blank (Keba Industrial Automation): Wird das DC-Netz durch geregelte Versorgungsgeräte (zum Beispiel Active Infeed Converter) gespeist, wird dem AC-Netz praktisch keine Blindleistung entnommen beziehungsweise Oberwellen aufgenommen. Dies entlastet die Energieversorgung und vorgelagerte Komponenten. Der Einsatz von geregelten Versorgungsgeräten wird wegen diesen Vorteilen bis auf wenige Ausnahmen für sehr kleine DC-Verbünde die Regel sein. Im DC-Netz sind fast keine Strom-Oberwellen mehr zu übertragen. Dies sorgt zusammen mit der höheren Netzspannung für ein deutliches Einsparpotential in der Leistungsverkabelung.

Borcherding (Lenze): Nein, und das ist gerade ein Hauptvorteil von DC. Bisher war der Anwender selbst für die Qualität des Sinus in AC-Industrienetzen verantwortlich. Diese Vorgehensweise aber gerät an ihre Grenzen, weil sich die Sinusform in AC-Netzwerken nur noch mit hohem und teurem Aufwand gewährleisten lässt. Schuld sind hier elektronische Geräte mit einfachen ungesteuerten Gleichrichtern. Ich kenne aus meiner Praxis praktisch kein sinusförmiges Industrienetz. Die Form ist eher trapezförmig. Erst mit genügend Oberschwingungsfiltern wird das AC-Netz wieder „geradegezogen“, sodass Geräte innerhalb ihrer Spezifikation betrieben werden können. Dieser Kostenfaktor entfällt in DC-Netzwerken. In DC-Industrie-Netzen gibt es keine nennenswerten 50-Hertz-harmonischen Oberschwingungen, die zu vorzeitiger Alterung oder Überbeanspruchung führen, so wie man es von AC kennt. Das Netz ist zwar nicht konstant, die lastbedingten Spannungsänderungen haben aber wenig Einfluss auf die Alterung der Geräte. Auch konnten in den Versuchsnetzen keine Resonanzen beobachtet werden, die zu zusätzlichen Alterungseffekte führen. Das DC-Industrie-Konsortium hat bei der Spezifikation zudem stark auf die Stabilität des DC-Netzes geachtet.

Fosselmann (Danfoss Drives): Nein, dies ist einer der wesentlichen Vorteile eines DC-Netzes. Dadurch können Kompensationsanlagen vermieden und bestehende Trafos höher ausgenutzt werden. Der Wegfall der Oberwellen führt auch zu geringeren Kabelverlusten, wodurch die Effizienz gesteigert werden kann. Diese Effizienzsteigerung beträgt mehrere Prozent und zeigt einen weiteren Vorteil der DC-Netze.

Kater (KEB Automation): Oberschwingungen im Netz erzeugen auf den Leitungen und im versorgenden Verteiltransformator signifikante Verluste und können ab einem bestimmten Grad auch funktionale Probleme verursachen. Typische B6-Gleichrichterschaltungen aus konventionellen Frequenzumrichtern erreichen ohne weitere Maßnahmen einen Leistungsfaktor von lediglich 0,6 bis 0,7. Bei einem DC-Netz mit einem zentralen aktiven Einspeisegerät kann hingegen ein Leistungsfaktor von 0,99 erzielt werden. Auf denselben Kabeln, Trafos etc. kann also anteilig deutlich mehr Wirkleistung übertragen werden, was das Ganze auch für Retrofits interessant machen kann.

Krei (Yaskawa Europe): Die Probleme mit Strom-Oberwellen in der von Ihnen beschriebenen Form gibt es bei DC so nicht. Dafür müssen andere Phänomene berücksichtigt werden. Der ZVEI hat mit seinen Projekt-Partnern in zwei Forschungsprojekten vieles untersucht und herausgefunden. Die Erkenntnisse aus diesen beiden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsprojekten werden nun in einem weiteren Schritt von der im November 2022 gegründeten ZVEI-Arbeitsgemeinschaft Open DC Alliance (ODCA) aufgenommen und weiterentwickelt.

Mehr Informationen zum Forschungsprojekt DC-Industrie 2

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