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Effektiv hinterm Komma

Energieeffiziente Bewegungsgesetze in der Getriebetechnik
Effektiv hinterm Komma

Die Qualität von Antriebskomponenten ist inzwischen so hoch, dass die Verbesserungen im Hinblick auf den Wirkungsgrad bei hochwertigen Systembestandteilen nur noch im Nachkomma- bereich stattfinden. Bei einem Blick aus der mechatronischen Gesamtperspektive erkennt man noch ein deutliches Verbesserungspotenzial durch die geeignete Wahl von Bewegungen. Der in diesem Beitrag eingeführte Energiekennwert aeff für Bewegungsgesetze ermöglicht einen theoretischen Vergleich von Bewegungen unter energe- tischen Gesichtspunkten.

 

Eine Teildisziplin der Getriebetechnik ist die Erzeugung ungleichförmiger Bewegungen. Aus einem mit gleich bleibender Geschwindigkeit rotierenden Antrieb kann über einen Mechanismus oder ein Kurvengetriebe eine ungleichförmige Bewegung erzeugt werden. Eine Standardaufgabenstellung beim Design von Kurvenscheiben ist die Übergangsbewegung zwischen zwei vorgegebenen Bereichen, zum Beispiel von einer unteren in eine obere Rastposition. Die beiden Rastpositionen sind durch die technische Aufgabenstellung vorgegeben, die Bewegung ist meistens weitgehend frei von geometrischen Randbedingungen gestaltbar.

Diese Übergangsbewegungen werden in der Regel im Hinblick auf Schwingungsanregung betrachtet. Die VDI-Richtlinie 2143 schlägt dem Konstrukteur von Kurvenscheiben einige standardisierte Bewegungsgesetze als Übergänge vor. In dieser Richtlinie sind die mathematischen Funktionen aufgeführt und einige Kennzahlen abgeleitet, die sich auf die Einheitsfunktion beziehen, also auf eine Funktion, die einen Abtriebswinkel zwischen „0“ und „1“ erzeugt.
Da Kurvengetriebe bei häufigen Rüstvorgängen mehr oder weniger aufwändig umzubauen sind, setzt sich mehr und mehr die „Elektronische Kurvenscheibe“ durch. Der Einsatz unterschiedlichster Bewegungsgesetze an Servoantrieben ist inzwischen Stand der Technik und in vielen Umrichtern fest programmiert. Im einfachsten Fall handelt es sich um Geschwindigkeitsrampen oder bei besseren Geräten um sinusförmige Bewegungen. Einige wenige Umrichter bieten ruckbegrenzte Bewegungsgesetze. Letztere sind meistens eine geneigte Sinoide oder ein Polynom 5. Ordnung.
Bewegungsgesetze unter energetischen Gesichtspunkten
Die Betrachtung dieser Bewegungsgesetze unter energetischen Gesichtspunkten ist bislang unüblich gewesen, da die Energieeffizienz im Maschinenbau nur eine untergeordnete Rolle spielte. Unter der Annahme, dass der technische Prozess bereits ein Optimum darstellt, kann man durch die Wahl der Bewegung im frei gestaltbaren Bereich jedoch Einfluss auf den Energieverbrauch nehmen.
Der größte Teil der elektrischen Energie, die dem Antriebssystem zugeführt wird, wird in die gewünschte Bewegung umgesetzt, nur ein kleiner Teil fällt als Verlust an. Die Verluste im Elektromotor setzen sich im wesentlich aus Kupferverlusten und Eisenverlusten zusammen. Letztere sind die Magnetisierungsverluste, auf die das Bewegungsgesetz keinen nennenswerten Einfluss nimmt.
Die Kupferverluste PV, auch Wicklungsverluste genannt, entstehen, wenn der Strom (I) durch den ohmschen Widerstand (R) der Wicklungen fließt und den Motor erwärmt. Sie berechnen sich zu:
Diese sind quadratisch zur Strommenge, die die Wicklungen des Motors durchströmt. Den Stromwert kann man annähernd als proportional zum abgegebenen mechanischen Drehmoment betrachten. Dieses wiederum ist bei konstantem Massenträgheitsmoment proportional zur Beschleunigung. Aus diesem Grund ist es legitim, den Beschleunigungsverlauf des Bewegungsgesetzes zu betrachten, wenn man Aussagen unter energetischen Gesichtspunkten treffen will.
Zum Vergleich verschiedener Bewegungen benötigt man eine Kennzahl, die den Beschleunigungsverlauf unter energetischen Gesichtspunkten erfasst und den quadratisch wirkenden Strom berücksichtigt. In der Elektrotechnik hat sich für diese Zwecke der Effektivwert durchgesetzt.
Der Effektivwert eines Wechselstroms entspricht dem Gleichstromwert, der in einem ohmschen Widerstand die gleiche Leistung (Wärme) erzeugt wie der über die Länge der Bewegung gemittelte Wechselstrom. Wegen der oben aufgeführten direkten Beziehung zwischen der Beschleunigung und dem Strom ist es sinnvoll den Effektivwert aeff des Beschleunigungsverlaufs a(t) bezogen auf die Übergangsbewegung zu betrachten.
Wenn man in Analogie zur VDI-Richtlinie 2143 diese Zahlenwerte für normierte Bewegungsgesetze verwendet, ergeben sich handliche Zahlen, die einen direkten Vergleich ermöglichen. In der Tabelle sind sie aufgeführt.
Praktische Umsetzung
Im Versuch mit einem Servoantrieb, der die Funktion „Elektronische Kurvenscheibe“ bietet, wurde nachgewiesen, dass die Verwendung unterschiedlicher Bewegungsgesetze zu den erwarteten Unterschieden in der Erwärmung des Motors an der Oberfläche führen. Die Bewegungsverläufe, in denen eine Funktion mit kleinem effektiven Beschleunigungswert eingesetzt war, zeigten im Testlauf die erwartete deutlich kleinere Erwärmung im Vergleich zu den Funktionen mit höherem Beschleunigungseffektivwert. Zu erfüllen war die im kleinen Fenster dargestellte oszillierende Bewegung einer konstanten Massenträgheit. Die Reglereinstellungen, Umgebungsbedingungen und der Versuchsaufbau waren bei allen Versuchen identisch. Der Regler muss natürlich so eingestellt sein, dass der Schleppfehler sehr gering ist, die Istbewegung also annähernd wie die Sollbewegung aussieht.
Bei der Auswahl einer Übergangsbewegung spielen viele Faktoren eine Rolle. Das wichtigste Kriterium wird sicherlich auch zukünftig die schwingungstechnische Eignung der Bewegung bleiben. Daher dürfte sich in den meisten Fällen der Einsatz der energetisch idealen Funktionen „einfache Sinoide“ oder „kubische Parabel“ verbieten. Bei schwingungstechnisch unkritischen Bewegungsabschnitten sollte man jedoch den energetischen Kennwert aeff berücksichtigen.
Auch wenn man sich nicht mit den theoretischen Hintergründen beschäftigen möchte, lohnt es sich, den Effektivwert der Beschleunigung oder des Drehmomentes zur Bewertung des Energieverbrauches als Kriterium heranzuziehen und verschiedene Bewegungsabläufe für die gleiche Aufgabe zu vergleichen.
Mit dem dargestellten Ansatz lässt sich der Energieverbrauch eines Antriebssystems mit sehr kleinem finanziellen Aufwand deutlich senken. Er eignet sich auch zum Nachrüsten bestehender Anlagen, wenn der Servoverstärker dies zulässt und sich umprogrammieren lässt. Mit der softwaretechnischen Anpassung von Bewegungen wurden von der Mechatronik-Abteilung der Schwaben Präzision bereits sehr interessante Erfahrungen gesammelt.
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