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Emerson setzt strategisch stark auf digitale Ökosysteme

Digitale Ökosysteme und Software-Plattformen für die Automation
Digitale Ökosysteme als „großer Wandel in der Industrie“

Warum es für Emerson das strategische A und O ist, ein digitales Ökosystem sowie entsprechendes Plattformdenken zu gestalten, erläutern Dr. Michael Britzger, Direktor für IIoT Engineering bei Emerson, und Nils Beckmann, Leiter des globalen Emerson-Produktmanagements für IIoT und Sensoren der Discrete-Automation-Gruppe, im Interview.

Interview: Nico Schröder, Korrespondent KEM Konstruktion, Augsburg

Inhaltsverzeichnis

1. Digitale Ökosysteme
2. Floor to Cloud auf der Hannover Messe 2023
3. Flexible Architekturen
4. Smartness von Komponenten
5. Digitale Ökosysteme & Unterstützung für Endanwender
6. Effizientere Produktionslayouts
7. IIoT-Optimierungsmöglichkeiten zeigen

KEM Konstruktion: Emerson ist stark in der Process-Welt, aber auch im Bereich Discrete Automation unterwegs. Welche Tools bietet Emerson in Hinblick auf diskrete Automation?

Dr. Michael Britzger: Wir bilden die gesamte Architektur der Automation ab – inklusive Hardware oder Komponenten und Software. Emerson ist horizontal gesehen sehr breit aufgestellt und verknüpft die einzelnen Layer vertikal. Neben dem vorhandenen breiten Hardware-Portfolio greifen wir im Software-Bereich vor allem auf zwei Tools zurück. Zum einen ist das Movicon als SCADA-Lösung. Man findet solche Lösungen häufig direkt als Human Machine Interface (HMI) vor einer Maschine – dort, wo der Bediener etwas steuern kann oder eben als Übersicht einer ganzen Linie, um den Fertigungsprozess nachvollziehen zu können. Die weitere Software, die teilweise die gleiche Basis nutzt, nennt sich PACEdge – eine auf Open Source basierende Lösung, die sich mehr im Bereich von Analytics bewegt. Wenn wir Datenanalyse betreiben und Ergebnisse beziehungsweise zeitbasierte Werte zeigen möchten, wäre das die Lösung.

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Dr. Michael Britzger, Direktor für IIoT Engineering bei Emerson
Bild: Emerson

Digitale Ökosysteme

KEM Konstruktion: Wie wichtig ist das Thema „digitales Ökosystem“ und wie greifen Sie es auf?

Britzger: Das ist der große Wandel, der in der Industrie eine Rolle spielt. Gemeint ist, dass die horizontalen Komponenten und die vertikalen unterschiedlichen Layer einer Produktion innerhalb eines Ökosystems verknüpft werden. Nur innerhalb der gesamten Verknüpfung von Hard- und Software – im Ökosystem – können wir ausreichend Werte im Kundenumfeld realisieren. Alleinig Software hilft nicht viel, wenn man nicht weiß, wie man sie anwenden muss. Und die Komponente, mag sie noch so smart sein, ist erst dann etwas wert, wenn diese Smartness mit den anderen Komponenten interagieren kann.

Von daher ist es für uns strategisch das A und O, ein solches Ökosystem sowie entsprechendes Plattformdenken zu gestalten und weiter wachsen zu lassen.

Floor to Cloud auf der Hannover Messe 2023

KEM Konstruktion: Werden Sie Fragen dazu zur Hannover Messe aufgreifen?

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Nils Beckmann, Leiter des globalen Produktmanagements in Bezug auf IIoT und Sensoren für die Discrete-Automation-Gruppe bei Emerson.
Bild: Emerson

Nils Beckmann: Als eines der Hauptthemen werden wir auf der Hannover Messe etwas zeigen, das wir Floor to Cloud nennen, und das veranschaulicht, was Michael Britzger erklärt hat: eben dieses ganze Ecosystem von unten und mit intelligenten Geräten startend, die über entsprechende Connectivity, Plug-and-Play-Fähigkeit über OPC UA oder IO-Link beispielsweise in den Bereich der Steuerung oder auch der Edge-Computer kommunizieren können, wo dann wiederum die entsprechenden Softwaresysteme drauf laufen – PACEdge oder Movicon beispielsweise. Über die Softwarefunktionen können Mehrwerte wie Predictive Maintenance, Optimierung der Gesamtanlageneffizienz (OEE) oder Energieverbrauchsoptimierungen generiert werden.

Flexible Architekturen

KEM Konstruktion: Es bedarf stark Standardisierungen, um solche Architekturen flexibel und herstellerübergreifend zu gestalten. Sehen wir künftig gar automatisch skalierende Architekturen?

Britzger: Das ist das ganz große Spiel in der Industrie gerade. Komponentenseitig betrachtet kann man noch so viele Komponenten verfügbar haben, aber das ultimative Portfolio für alles hat man eben nicht. Insofern läuft viel über die Standardisierungen, sodass sich Architekturen, wie wir sie schon beschrieben haben, flexibel gestalten lassen, wenn es um Komponenten verschiedener Hersteller und unterschiedliche Kommunikationsprotokolle geht. Und wenn man sich vorstellt, dass die Industrie in Zukunft automatisch skalierende Architekturen nutzt – ganz egal, wie viele Komponenten involviert sind, ganz egal von welchen Herstellern – und mit Komponenten, die sich automatisch erkennen, die automatisch dieselben Informationen für die entsprechenden Umgebungen bereitstellen und über die entsprechenden Layer hinweg bis zur Anzeige von Predictive-Maintenance-Informationen gedacht, dann ist dies das große Ziel.

Auch kommen an der Stelle Stichworte zum digitalen Zwilling ins Spiel. Wir sprechen bei uns viel über Plug and Play, das heißt, wir arbeiten an Lösungen, die Architekturen bereitstellen, die die Komponenten automatisch erkennen und sie gleich in die entsprechende Architektur eingliedern. Damit soll den Kunden eine vorkonfigurierte Lösung bereitstehen. Natürlich geht man erstmal aus seinem eigenen Portfolio los. Bei Emerson sind das mehrdimensionale Felder mit der Software und Devices wie Industrial PCS, Steuerungen und Controller bis hin zu großen SCADA-Systemen, die wir aufsetzen können.

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Der Geschäftsbereich Fluid and Measurement Motion Control von Emerson nutzt PACEdge-Dashboard-Software zur Überwachung des Energieverbrauchs seiner Fertigungslinien.
Bild: Emerson

Smartness von Komponenten

KEM Konstruktion: Welche Rolle spielt eine gewisse Smartness von Komponenten?

Britzger: Es gibt Komponenten wie unseren Airflow-Sensor AF2, die eine gewisse Smartness mitbringen. Das heißt, die verschiedenen Kommunikationsprotokolle werden mitgebracht, solche Komponenten identifizieren sich und können automatisch verknüpft werden. Es gibt aber eben auch Sensoren im Feld, die rein Daten liefern müssen. Das gesamte Paket bei Emerson ergibt dann eine komplexe Architektur.

Beckmann: Die Frage wäre ja auch, was in dem Zusammenhang „smart“ ist. Fängt Smartness schon an, wenn eine bestimmte Konnektivität gegeben ist? Oder wird ein Sensor als smart bezeichnet, wenn er analytische Ergebnisse liefert? Ich denke, sehr viele Unternehmen stehen hier am Anfang. Es gibt bei nahezu jedem Hersteller entsprechende Produkte, die eine gewisse Smartness mitbringen. Es werden aktuell Standards für die Kommunikation definiert, beispielsweise OPC UA Companion Specifications.

Einen Standard dazu, wann ein Gerät smart ist, gibt es meines Wissens nach nicht.

Als Einheit der Discrete Automation unterstützen wir die anderen Units dabei, Smartness in die Produkte zu treiben – und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Für einen einfachen Sensor, der vielleicht gar keine große Rechenkapazität hat und keine tiefen Vorab-Analysen von Daten machen kann, bedeutet das vielleicht, eine andere Konnektivität zu haben und OPC UA oder IO-Link zu unterstützen, also Dinge, die das Gerät einfacher in der Integration machen und es befähigen, mehr als nur einen Datenwert zu übertragen. Der Zugang zu den Daten ist also wichtig – bis hin zur Rechenkapazität, die der bereits erwähnte Durchflusssensor AF2 mitbringt, und wodurch Analysen bereits im Gerät vollbracht werden. Gleiches gilt für unser Ventilsystem. Es ermöglicht beispielsweise, Analysen bereits im Feld durchzuführen, ohne die Steuerung anzufassen, ohne also das große Ganze berühren zu müssen. Das ist ein wesentlicher Aspekt. Die meisten Maschinen sind nicht unbedingt neue Maschinen, sondern bestehen als existierende Dinge im Feld – also ganz klare Brownfield-Applikation. Das ist für uns ein interessanter Bereich, weshalb wir versuchen, durch entsprechende Erweiterungen existierender Komponenten oder durch kleine Zusätze, Geräte zu befähigen, intelligenter zu werden oder andere Wege der Kommunikation einzuschlagen, um nicht unbedingt die Steuerung verändern zu müssen.

Digitale Ökosysteme & Unterstützung für Endanwender

KEM Konstruktion: Warum kann gerade das aus Sicht von Endkunden ein so wichtiger Aspekt sein?

Beckmann: Endkunden ändern normalerweise nichts an ihrer Steuerung, denn würden sie das tun, bekämen sie bei Problemen mitunter keinen Support mehr vom Maschinenbauer. Trotzdem ist es sehr wichtig, Zugang zu diesen Daten zu bekommen. Und wir haben eben Lösungen im Portfolio, die Endanwender dabei unterstützt, Datenzugang zu bekommen, ohne die komplette Maschine zu überarbeiten. Analysen oder Optimierungen werden für solche Maschinen möglich.

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Digitale Transformation: Via SCADA-basierter Software beschleunigt und vereinfacht Emerson die Anlagenautomatisierung.
Bild: Emerson

Britzger: Kernthema der digitalen Transformation ist es, den Mehrwert von Daten für die unterschiedlichsten Nutzer zugänglich zu machen. Das kann auf verschiedenen Ebenen passieren: Aus dem reinen Datensatz kann eine Visualisierung entstehen. Aus der Komponente kann eine smarte Komponente werden, die sich in Systemarchitekturen leichter verknüpfen lässt. Oder es kann darum gehen, aus den Daten komplexere Themen abzuleiten, also beispielsweise vom Durchfluss her auf eine Leckage oder den Ort der Leckage zu schließen. Es gibt also unterschiedliche Herangehensweisen, diesen Datenmehrwert überhaupt zu schaffen. Denn der reine Datensatz kann von unterschiedlichen Usern unterschiedlich gebraucht werden. Von daher liegt uns viel daran, die technologische Eintrittsschwelle für den Nutzer zu senken, sodass der Datenmehrwert möglichst einfach genutzt werden kann.

Performance hoch, CO2-Emissionen runter

Effizientere Produktionslayouts

KEM Konstruktion: Welche Vorteile spielen smarte Komponenten bei künftig noch flexibleren Fertigungsmöglichkeiten und effizienten Produktionslayouts aus?

Beckmann: Je früher man innerhalb der Automatisierungspyramide beginnt, Komponenten smarter auszulegen und Prozesse zu analysieren, desto flexibler wird man im Einsatz. Von daher fangen wir möglichst frühzeitig an, Voranalysen der Daten zu starten, weil das gerade in Hinblick auf Flexibilität in der Fertigung ein wesentlicher Aspekt ist. Als bewusst überspitztes Beispiel formuliert: Um heute Autos zu produzieren und morgen Fahrräder, braucht man Lösungen, die in der Lage sind, die Daten auszugeben, um in Richtung Optimierungen zu gucken. Viele Anlagen sind von der Effizienz her ausbaufähig. Man spricht von einer durchschnittlichen Anlageneffizienz von 65 %, das heißt, es ist noch ein ganz schön großer Bereich, der nicht vernünftig genutzt ist. Diesen Bereich wollen wir gerne noch optimieren. Und wenn man überlegt, dass eine Maschine vielleicht nur 5 % mehr fertigt als sie heute fertigt, dann bedeutet das mehr Output an Produkten und mehr Umsatz.

IIoT-Optimierungsmöglichkeiten zeigen

KEM Konstruktion: Wie macht Emerson diese Optimierungsmöglichkeiten für Unternehmen begreifbar?

Britzger: Wenn wir über die Losgröße 1 und die Anforderungen der zukünftigen Produktion sprechen, müssen wir bei Emerson mit unseren Teams und unserer Sales-Force eine ganz andere Prozessnähe herstellen. Mit unseren Workflows müssen wir viel näher an den Kunden herankommen, dessen einzelne Prozesse und die einzelnen Maschinen noch besser verstehen, um eine konkrete Lösung anzubieten. Wir sind eben nicht im B2C-Markt, wo angebotene Lösungen global gleich skalieren, sondern jedes Produktionsunternehmen ist etwas unterschiedlich. Hierfür eine standardisierte, aber trotzdem flexible Architektur bereitzustellen, die kundenspezifisch konfiguriert werden kann, daran arbeiten wir – gerade auch unterstützt durch IIoT-Consultants, die diese neue Expertise bis zum Kunden und bis ins erste Kundengespräch detailliert hereintragen können.

Beckmann: Wir arbeiten viel über Use Cases und über Return-on-Investment-Kalkulationen, die wir gemeinsam mit dem Kunden erstellen und wo wir mit den Parametern unserer Kunden berechnen können, welcher Mehrwert erreicht wird. Über IIoT zum Selbstzweck, um innovativ zu erscheinen, sind wir inzwischen lange hinaus. Kunden wollen heute konkrete Mehrwerte sehen.

Britzger: Gern auch ein Beispiel hierzu: In einer Losgröße-1-Produktion ging es darum, den Verbrauch pro Komponente zu erkennen. Mittels Algorithmus haben wir Daten so erkannt, dass unser Kunde anhand des Verhaltens der Maschine sehen konnte, welches Produkt gerade gefertigt wird und den Verbrauch pro Produkt automatisch abspeichern konnte. Softwareseitig sind die Möglichkeiten also sehr tiefgehend – bis hin eben zu speziellen Datenanalysen und -visualisierungen. Ein Trend sind also smarte Teams als Gruppe von Datenanalysten, KollegInnen mit Ingenieurs- und IT-Know-how, die als sogenannte Advanced Manufacturing Engineers in Firmen gehen und in Use Cases Daten zusammenfassen. Daraus entstehen bei uns standardisierte Lösungen, die ins Emerson-Portfolio einfließen.

www.emerson.com

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