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Die Drosselklappe aufs Altenteil

Simulation effizienter Aktoren für den elektromagnetischen Ventiltrieb von Ottomotoren
Die Drosselklappe aufs Altenteil

TRW Automotive Engine Components entwickelt, fertigt und testet am Standort Barsinghausen in Deutschland Komponenten für elektromagnetische Ventilsteuersysteme. Ausgelegt und optimiert wird der für die Ventilbetätigung hier vorgestellte elektromagnetische Aktuator mit dem Finite Elemente Programm „Comsol Multiphysics“.

Angesichts weltweit steigender Verkehrsdichten, begrenzten Rohölvorräten und zunehmender CO2-Belastungen ist es dringend erforderlich, den Kraftstoffverbrauch deutlich zu reduzieren. Gerade beim Ottomotor schlummern noch ungenutzte Potenziale. Dazu gehört ein vollvariabler Ventiltrieb. Durch den Einsatz eines elektromagnetischen Ventilsteuersystems werden die Nockenwelle und Übertragungselemente zum Betätigen der Gaswechselventile durch Elektromagnete ersetzt. Da jedes Ventil nun individuell betätigt werden kann, können die Ventilsteuerzeiten für jede Drehzahl und jeden Lastfall optimiert werden. Eine zu Verlusten führende Drosselklappe, die bisher die Aufgabe hatte, die Luftmenge an den Lastfall und die Drehzahl anzupassen, wird nicht mehr benötigt. Diese „Entdrosselung“ zusammen mit der durch die variable Ventilsteuerung mögliche Optimierung des Verbrennungsprozesses führt zu effizienteren Motoren mit einem Einsparpotenzial beim Ottokraftstoff von bis zu 18 %. Des Weiteren können durch den optimierten Verbrennungsprozess die Abgaswerte deutlich verbessert werden. Obwohl elektromagnetische Ventilsteuersysteme und deren Potenziale seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt sind, ist es bisher nicht zu einer Markteinführung gekommen. TRW hat die Probleme von bisherigen elektromagnetischen Ventiltrieben sowie die Anforderungen von Automobilherstellern analysiert und innovative Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, die eine baldige Markteinführung in greifbare Nähe rücken lassen.

Elektromechanisches Antriebsprinzip
Der Aktuator besteht aus einem schwingungsfähigen Feder-Masse-System und zwei Elektromagneten, um das Ventil in der geöffneten bzw. geschlossenen Position gegen die Federkräfte halten zu können. Wird ein Magnet abgeschaltet, beschleunigt die in der Feder gespeicherte Energie den Anker und das Ventil in die gegenüberliegende Position. Dort wird die Ankerplatte von dem anderen Elektromagneten gefangen und gehalten. Die Flugzeit ist von der Resonanzfrequenz des Feder-Masse-Systems abhängig. Um auch bei hohen Motordrehzahlen noch genügend Freiheitsgrade für Strategien zur Regelung der Ventilsteuerzeiten zu haben, muss die Flugzeit möglichst kurz sein. Dies wird durch eine konsequente Reduzierung der bewegten Masse erreicht. Eine Verringerung der Flugzeit durch steife Federn ist nicht wünschenswert, da dies starke Magnetkräfte und damit große Elektromagnete erfordern würde.
Effizienter Ventiltriebsaktuator
Um einen möglichst kleinen Bauraum zu beanspruchen, die Leistungsaufnahme zu minimieren und die Schaltzeiten zu verringern, wurde eine konsequente Leichtbauweise durchgeführt. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Minimierung der Masse der bewegten Komponenten, zu denen das Ventil, der Anker des Elektromagneten, die Befestigungskomponenten (Federteller, Klemmstücke) sowie anteilsmäßig auch die Massen der Ventilfedern gehören. Eine zudem kosteneffiziente Lösung ist der elektromagnetische Einlass-Ventiltrieb. Alle Einlassventile können bei diesem System individuell betätigt werden, während die Auslassventile konventionell von einer Nockenwelle angetrieben werden. Dieses System steht einem vollvariablen Ventiltrieb in punkto Funktionsumfang nur marginal nach, da die allermeisten Vorteile durch eine individuelle Betätigung der Einlassventile erreicht werden. Der Investitionsaufwand ist demgegenüber aber deutlich geringer. Weiterhin können die Aktuatoren für die Einlassseite deutlich kleiner dimensioniert werden, was sich in einer niedrigeren Leistungsaufnahme niederschlägt. Der begrenzte Bauraum in einem Zylinderkopf erfordert die Entwicklung eines hocheffizienten elektromagnetischen Aktuators mit einer hohen Kraftdichte und einer niedrigen elektrischen Leistungsaufnahme. Ausgelegt und optimiert wird der elektromagnetische Aktuator mit dem Finite Elemente Programm Comsol Multiphysics. Dieses leistungsfähige Tool bietet die Möglichkeit, die statischen Kraft-Weg-Kennlinien effizient zu simulieren. Von der Erstellung der Modellgeometrie über die Vernetzung der Gebiete und Zuweisung der Materialparameter und Randbedingungen wird man durch die grafische Benutzeroberfläche sicher bis zur Darstellung der Ergebnisse geführt. Nichtlineare Materialparameter können anhand von Tabellen oder explizit durch Funktionen vorgegeben werden. Im Fall der hier betrachteten elektromagnetischen Aktuatoren ist das sehr vorteilhaft, da die Auswirkung unterschiedlicher weichmagnetischer Werkstoffe für den Eisenkreis effektiv untersucht werden können. Das reduziert die Zahl der aufzubauenden Prototypen und beschleunigt so den Entwicklungsprozess. Comsol Multiphysics bietet die Möglichkeit umkompliziert Parameterstudien durchzuführen. Dazu kann entweder die Comsol eigene Scriptsprache oder die Schnittstelle zu Matlab/Simulink genutzt werden. So können zügig die optimalen Hauptabmessungen des Eisenkreises bestimmt werden.
Dynamische Simulation der Aktuatoren
Durch das wechselnde Ein- und Ausschalten der Magnete und den damit verbundenen Auf- und Abbau der Magnetfelder werden nach dem Induktionsgesetz elektrische Spannungen induziert. In elektrisch leitfähigen Gebieten – wie dem weichmagnetischen Eisenkreis – verursachen diese induzierten Spannungen Wirbelströme. Diese Wirbelströme sind unerwünscht, denn sie erhöhen den Leistungsbedarf und verschlechtern die dynamischen Eigenschaften des Systems. Aus diesen Gründen wird der Eisenkreis der Elektromagnete – wie bei elektrischen Wechselfeldmaschinen üblich – aus Blechpaketen aufgebaut, welche die Wirbelstrombahnen unterbrechen. Aus Gründen der mechanischen Festigkeit kann die zwischen den beiden Elektromagneten schwingende Ankerplatte nicht geblecht aufgebaut werden. Die Verringerung der Wirbelströme kann also nur durch eine möglichst geringe Leitfähigkeit des eingesetzten weichmagnetischen Ankermaterials und durch konstruktive Maßnahmen wie z.B. Schlitzen erreicht werden. Bei der dynamischen Simulation bietet Comsol Multiphysics die Möglichkeit, die mechanische Bewegungsgleichung intern zu lösen. Die Aufteilung der elektrisch den Aktuatorklemmen zugeführten Leistung kann anschließend in Kupferverluste, mechanische Verluste und Wirbelstromverluste getrennt berechnet und so die Auswirkung der Materialparameter auf die einzelnen Verlustleistungen analysiert werden.
Auch bieten die dynamischen Simulationen einen tieferen Einblick in die Dynamik des Ventiltriebsaktuators, welche insbesondere für die Regelungstechniker von Interesse ist. Interessant ist z.B. die Betrachtung, wenn der Anker von dem einen Elektromagneten losgelassen und durch die in den Federn gespeicherte Energie auf die gegenüberliegende Seite beschleunigt wird. Dort angekommen, sind die Wirbelströme in der Ankerplatte noch nicht abgeklungen. Man hat nun zwei Möglichkeiten, die Ankerplatte mit dem Elektromagneten, vor dessen Polflächen sie sich jetzt befindet, zu fangen: Entweder, man durchflutet die Spule in der gleichen Orientierung wie die, welche abgeschaltet wurde oder durch ein Verpolen der Aktuatorklemmen entgegengesetzt zu ihr. Bildlich dargestellt sind Momentaufnahmen der Verteilung der Wirbelströme in der Ankerplatte für diese beiden Fälle. In dem einen Fall erfolgt der Aufbau der Magnetkraft langsamer. Der Regelungstechniker wird diesen Fall anstreben, wenn sich der Anker mit hoher Geschwindigkeit den Polflächen nähert, um ein zu hartes Aufsetzen zu vermeiden. Des Weiteren unterscheiden sich die beiden Fälle noch durch die Leistungsaufnahme, sodass im normalen Betrieb der Fall angestrebt wird, welcher zu einer geringeren Leistungsaufnahme führt.
Volumen und Leistungsbedarf kleiner
Das Ergebnis ist ein effizienter Aktuator für ein elektromagnetisches Einlass-Ventilsteuersystem, dessen Baugröße und Leistungsaufnahme gegenüber einem konventionellen Ventiltriebsaktuator erheblich verringert werden konnten. Die elektromagnetischen Simulationen haben effektiv zur Optimierung des Systems – insbesondere des wirbelstrombehafteten Magnetankers – beigetragen. Ein solches System mit dem optimierten Aktuator kann zudem mit dem gebräuchlichen 14 V-Bordnetz betrieben werden. TRW hat die Entwicklung von Komponenten für ein Einlass-Aktuatorsystem vorangetrieben und sieht sich auch in der Lage, diese Teile kostengünstig zu produzieren. Mit dieser Kompetenz wird TRW in einem sich dynamisch entwickelnden Markt weiterhin für die nötigen Impulse sorgen.
Comsol Multiphysics KEM 457

Einführende CDs mit Tutorials
Zur Einführung in die Modellierung mit Comsol Multiphysics bietet die Femlab GmbH eine kostenfreie CD zur Multiphysik-Simulation an. Die CD bietet neben dem Einführungstutorial einen Überblick über die einzelnen Modellierungsschritte wie
  • Erstellen/Import von Modellgeometrien
  • Modell Navigator
  • Vernetzung
  • Löser
  • Postprozessing
Erhältlich ist die CD unter www.Comsol.de/ oder unter info@Comsol.de
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