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Inhaltsverzeichnis
1. Antriebstechnik nutzt Condition Monitoring und Predictive Maintenance für Entwicklungen
2. Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der Antriebstechnik
3. Überwachen und prognostizieren
4. Intelligente Antriebstechnik hebt Anwendernutzen auf neues Niveau
5. IIoT-Geschäftsmodelle für die Antriebstechnik und Automatisierung
KEM Konstruktion: Welche Bedeutung haben Ansätze zu Condition Monitoring (CM) und Predictive Maintenance (PM) für aktuelle Entwicklungen in der Antriebstechnik?
Frank Kaufmann (Bosch Rexroth): Der Trend in der Antriebstechnik geht weg von reaktiver Wartung hin zur Predictive Maintenance, der proaktiven Wartung. Diese basiert auf einer permanenten Überwachung und Auswertung von Maschinen- und Prozessdaten und zielt darauf ab, Antriebe und die angebundenen Komponenten in einem einwandfreien Zustand zu halten und somit einen störfreien Betrieb der Maschinen zu gewährleisten. Wichtige Informationen für Predictive Maintenance können dabei aus dem Condition Monitoring – der Zustandsüberwachung von Fertigungsanlagen – abgeleitet werden. Dabei werden periodisch oder auch kontinuierlich Antriebs- und Zustandsdaten erfasst, um die Betriebssicherheit, Effizienz und Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen zu optimieren.
Ziele des Zusammenspiels von Condition Monitoring und Predictive Maintenance sind die frühzeitige Detektion von Defekten, das Reduzieren von Ausfallzeiten sowie die Erhöhung der Gesamtanlageneffektivität und -lebensdauer. Mit diesen Methoden können Anwender Industrie-4.0-konform handeln und Effizienz- sowie Qualitätssteigerungen erzielen. Der Bedarf an diesen serviceorientierten Technologien wird weiter steigen. Deshalb berücksichtigen wir dies heute schon in der Entwicklung – insbesondere bei der Software, denn sie bildet schlussendlich die Grundlage für zukünftige Analysen und Vorhersagen über den Zustand der Produkte.
Daniel Lindenlaub (Franke): Condition Monitoring und Predictive Maintenance sind für uns wichtige Voraussetzungen zur Umsetzung von Industrie 4.0. Digitale Produktfeatures wie die Integration von Sensoren und Aktoren in Gehäuse und umschließende Konstruktionen von Wälzlagern und Linearsystemen machen diese Produkte zu wertvollen Komponenten für Maschinen und Anlagen. Neben der Ermittlung und Generierung von Daten liegt dabei auch deren Speicherung sowie die Weitergabe und Kommunikation zwischen Maschinenteilen im Fokus. Diese Intelligenz der Produkte wird sukzessive bis zum digitalen Zwilling erweitert werden. Wir streben hierbei die Vision eines Smart Bearings an, das unseren Kunden im besten Fall bereits vor einem Totalausfall unseres Lagers eine Empfehlung zur Instandsetzung oder zum Austausch kommuniziert. Das Smart Bearing soll Felddaten bei verschiedenen Kunden sammeln und mithilfe einer künstlichen Intelligenz Parameter lernen, bei denen unser Lager an seine Grenzen kommt. Hiervon würden unsere Kunden stark profitieren, da somit ungeplante Ausfallzeit in geplante Wartungszeit umgewandelt werden könnte.
Der zweite Ansatz zur Nutzung von Condition Monitoring und Predictive Maintenance liegt in der Herstellung der Produkte. Durch den Einsatz von geeigneter Sensorik möchten wir den Herstellprozess überwachen und mittels einer geeigneten künstlichen Intelligenz unseren Anlagen anlernen, bei welchen Prozessparametern ein gutes Produkt herauskommt. Im besten Fall greift hier dann eine intelligente Regelung ein und hält die Prozessparameter immer in diesem Korridor. Mithilfe von Predictive Maintenance entwickeln wir unsere Anlagen noch stärker in Richtung effektiver Auslastungen. Durch eine vorzeitige Meldung von eintretenden Defekten an diversen Bauteilen innerhalb der Anlagen kann ein ungeplanter Maschinenstillstand vermieden werden und schlimmere Beschädigungen bleiben aus. Unsere Vision ist es, von der vorbeugenden manuellen Instandhaltung hin zur Predictive Maintenance Lösung zu kommen.
Antriebstechnik nutzt Condition Monitoring und Predictive Maintenance für Entwicklungen
Jörg Niermann (Nord Drivesystems): Predictive Maintenance gehört zu den Schlüsselthemen der Industrie 4.0 und spielt in der Antriebstechnik eine wichtige Rolle. Predictive Maintenance, also die vorausschauende Wartung, ist die konsequente Fortführung des Condition Monitoring mit dem Ziel, die Maschinen und Anlagen proaktiv zu warten. Beim Condition Monitoring werden periodisch beziehungsweise kontinuierlich Antriebs- und Zustandsdaten erfasst.
So können unzulässige Betriebszustände frühzeitig erkannt und Ausfallzeiten reduziert sowie die Gesamtanlageneffektivität erhöht werden. Eine zustandsorientierte Instandhaltung ersetzt dabei die traditionelle zeitbasierte Instandhaltung. Aus dem Condition Monitoring können wichtige Informationen für Predictive Maintenance abgeleitet werden. Gerade bei Antriebssystemen in anspruchsvollen Industrieumgebungen – beispielsweise in der Intralogistik, der Lebensmittelindustrie oder bei Industriegetrieben im Heavy-Duty-Bereich – ergänzt das Condition Monitoring den Dreiklang aus Getriebe, Elektromotor und Frequenzumrichter und verbessert die Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Ralf Petersen (NSK): Aus unserer Sicht hat das Thema sehr hohen Stellenwert. Wälzlager und auch Komponenten der Lineartechnik können mit Sensoren ausgestattet werden, die den Betriebszustand der Antriebskomponenten und auch der kompletten Maschine im Sinne des Condition Monitoring überwachen. Ergänzt durch eine intelligente Software für die Auswertung der Signale ist im Sinne der Predictive Maintenance auch eine Einschätzung der Lebensdauer der Wälzlager möglich. Diese Optionen bieten wir unseren Kunden. Sie werden insbesondere in sehr anspruchsvollen Anwendungsbereichen genutzt, vor allem in Windkraftanlagen und im Antriebsstrang von Schienenfahrzeugen. Hier haben wir bereits umfassende Erfahrungen gesammelt. Entsprechende Gesamtlösungen bieten wir unter der Bezeichnung Acous Navi an.
Dass NSK in den Aufgabengebieten Condition Monitoring und Predictive Maintenance ein wichtiges Wachstumsfeld für die Zukunft sieht, zeigt die Übernahme des CMS-Spezialisten B&K Vibro im März 2021. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Anbietern im Bereich der Anlagenwartung und Condition Monitoring System (CMS) für rotierende Maschinen wie Pumpen, Turbinen, Kompressoren und Generatoren. Die Synergieeffekte zu den Sensorlager-Aktivitäten von NSK sind offensichtlich: Gemeinsam können wir unsere CMS-Geschäftsplattform weiter ausbauen. Ein aktueller Trend geht dahin, den sensorisch überwachten Wälzlagern neue Einsatzfelder zu erschließen. Zum Beispiel arbeiten wir gemeinsam mit Herstellern von Werkzeugmaschinen und –spindeln an Predictive-Maintenance-Systemen für die hoch belasteten Spindellager, deren Präzision entscheidend für den Bearbeitungsprozess und somit für die Qualität der Endprodukte ist. Da moderne Werkzeugmaschinen umfassend sensorisch überwacht werden, nutzen wir hier vorhandene Sensoren für die Zustandserfassung. Eine Herausforderung besteht in der Auswertung der Daten. Zum Beispiel muss ermittelt werden, ob die von der Sensorik erfassten Unregelmäßigkeiten auf das Lager, die Kupplung, das Werkzeug oder andere Einflussfaktoren zurückzuführen sind. Das Acous-Navi-System muss somit entsprechend ertüchtigt werden.
Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der Antriebstechnik
Dr. Philipp Jussen (Schaeffler): Praktisch kein Anbieter von Systemlösungen in der Antriebstechnik kann es sich heute leisten, das Condition Monitoring nicht in seinem Portfolio in irgendeiner Weise abzubilden, sei es durch Eigenentwicklungen, Kooperation oder Zukauf. Die Lösungen und Ziele unterscheiden sich zum Teil sehr stark. Grundsätzlich kann man aber zwischen der Zustandsüberwachung von einzeln Maschinenelementen (Kupplungen, Bremsen, Lager) beziehungsweise kompletten Maschinen (Pumpen, Lüfter, Mühlen, Aggregate) und der Überwachung von Veränderungen in den Produktionsprozessen unterscheiden. Dass sich die Anbieter von Antriebstechnik in den letzten Jahren besonders intensiv auf diesem Gebiet engagieren, hat einen einfachen Grund: Die hohe Produktivität der heutigen Fertigungsanlagen führt bei einem ungeplanten Stillstand zu exorbitanten Kosten aufgrund der entgangenen Stückzahlen beziehungsweise der nicht produzierten Menge und zu ernsthaften Problemen mit den Lieferterminen gegenüber den Kunden. Je höher die Produktivität einer Anlage, desto attraktiver und bedeutender werden CM und PM.
Ein weiterer Punkt: Traditionell wurden und werden vor allem system- und prozesskritische Anlagenteile mit Hilfe von CMS zustandsüberwacht. Die Kosten für die Überwachungssysteme fallen hier nicht so sehr ins Gewicht. Das bedeutet aber auch, dass heute noch deutlich über 90 % aller Aggregate und Antriebe in Produktionsanlagen „im Blindflug“ betrieben werden – sie fallen irgendwann ungeplant aus und legen so Teile der Produktion zeitweise still. Gerade hierfür eine effiziente und wirtschaftliche Überwachungslösung wie Schaeffler Optime anzubieten, sehen wir als den nächsten, wichtigen Entwicklungsschritt für die Branche.
Dr. Ralph Werner (SKF): Vernetzung, Konnektivität und Intelligenz haben schon länger Einzug in die Antriebstechnik gehalten. Im Zuge der Digitalisierung haben sich die Möglichkeiten für Energieeinsparung, Effizienzsteigerungen und erhöhte Verfügbarkeit noch einmal stark verbessert. Ein wichtiges Puzzleteil in diesem Gesamtbild bildet die moderne Technologie für Datenerfassung, Auswertung und Diagnose: das Condition Monitoring.
Wie bei einem EKG in der Medizin kann man über die richtige Sensorik Informationen über die Anlage und den Antrieb erlangen, um notwendig Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten. SKF verwendet diese Technologie bereits seit Jahrzehnten erfolgreich in nahezu allen Industriezweigen. Die Bedeutung dieser Technologie nimmt mit den neuen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz stetig zu. SKF hat diese Entwicklung frühzeitig erkannt und intensiv in den Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz investiert.
Überwachen und prognostizieren
KEM Konstruktion: Wo setzen Sie hard- und softwaretechnisch – von Sensoren über Gateways bis hin zu Analytics und KI-Technologien – an, um den Zustand und die Qualität von Produkten zu überwachen und unerwünschte Betriebszustände zu prognostizieren?
Kaufmann (Bosch Rexroth): Bosch Rexroth hat bereits vor 20 Jahren damit begonnen, systematisch Felddaten in einer Service- und Reparaturdatenbank zu sammeln. Spannend wurde es, als wir diese Daten mit dem Prozesswissen der Anwendenden und unserem Entwicklungs-Know-how verknüpft haben. Von Big Data zu Smart Data – das möchten wir gemeinsam mit unseren Partnerunternehmen und Anwendenden umsetzen. Ein Ziel ist dabei das Vorverdichten von Daten an Ort und Stelle mit klaren prozess- und produktrelevanten Handlungsempfehlungen.
Ein Werkzeug für die Überwachung – und damit die Basis für Predictive Maintenance – ist der Analytik-Baustein der App ctrlX Digital Service Assistant (DSA). Der Service Indicator stellt detaillierte Informationen über die in der Maschine verbauten Antriebsregelgeräte und Motoren dar. Diese Informationen können beispielsweise für eine vorbeugende Wartung genutzt werden. Das Auslesen der Daten kann in der Online-Diagnose-Funktion der App erfolgen, indem der dynamische, auf dem Display unseres Antriebssystems ctrlX Drive erzeugte QR-Code gescannt wird. Die Analyse, in welchem Status sich die Komponente befindet, geschieht im Backend-System.
Lindenlaub (Franke): Wir befinden uns noch am Anfang unserer Reise. Derzeit testen wir verschiedene Sensorik in unseren Fertigungsanlagen und versuchen diese dann in eine smarte Regelung zu überführen. Hierzu müssen erst einmal Daten gesammelt werden, die später zum Anlernen der smarten Regelung dienen. Außerdem wird derzeit eine Strategie erarbeiten wie die erfassten Daten in Form von Metadaten in einer IIoT-Plattform (Industrial Internet of Things) gespeichert und verarbeitet werden können.
Hierzu haben wir einen Benchmark verschiedener Hersteller durchgeführt und befinden uns in ersten Kennenlerngesprächen mit Systemintegratoren. Innerhalb dieser IIOT-Plattform soll später dann die effektive Verarbeitung der Daten stattfinden. Die Verbindung der einzelnen Anlagen wird ebenfalls in unserer Strategie erarbeitet. Da wir verschiedene Anbieter von Anlagen besitzen, die alle unterschiedliche Steuerungen und technisches Equipment besitzen, muss eine Anbindung der jeweiligen Anlage immer unterschiedlich durchleuchtet werden.
Predictive Maintenance und Condition Monitoring mittels Sensorik und Analyse
Niermann (Nord Drivesystems): Unsere Intelligenz sitzt im Frequenzumrichter. All unsere Frequenzumrichter haben eine integrierte PLC zur Verarbeitung externer und interner Daten. Dabei können anwendungsnahe Prozesse abgearbeitet werden. Die PLC übernimmt wichtige Steuerungs- und Überwachungsfunktionen direkt im Frequenzumrichter des Antriebssystems. Sensorinformationen können entweder aus den vorhandenen Daten im Antrieb stammen, sogenannte virtuelle Sensoren, oder durch die Integration externer Sensoren wie Temperatur-, Schwingungs- und anderer Sensoren gewonnen werden. Die Antriebs- und Anwendungsdaten können an den Leitstand, an vernetzte Komponenten oder an eine Cloud übermittelt werden. Das ermöglicht eine kontinuierliche Zustandsüberwachung (CM) und legt damit die Basis für vorausschauende Wartungskonzepte (PM) sowie eine optimierte Anlagendimensionierung. Alle industrieüblichen Kommunikationswege können mit Nord-Frequenzumrichtern realisiert werden. Die Ausstattung des Antriebes ist dabei optional erweiterbar und lässt sich jederzeit an die jeweilige Automatisierungsaufgabe anpassen. Der Kunde kann wählen, welche Aufgaben – Antriebsüberwachung, Antriebssteuerung und/oder Prozesssteuerung – er direkt in den Antrieb verlagern möchte.
Petersen (NSK): Als zentraler Parameter für die Zustandsanalyse von Wälzlagern hat sich die Schwingung erwiesen. Die Integration des Schwingungssensors im Bereich des Lagers ist dabei noch die leichtere Aufgabe. Eine größere Herausforderung ist die Datenanalyse: Welche Art der Unregelmäßigkeit deutet auf welchen Lagerschaden hin? Und welche Lebensdauerprognose ergibt sich daraus? Um diese Fragen für jeden Anwendungsfall praxisgerecht beantworten zu können, müssen große Datenmengen erfasst und ausgewertet werden. Für diese Aufgabe nutzen wir Algorithmen, die eine möglichst exakte Bestimmung der Restlebensdauer ermöglichen. Die Entwicklung dieser Algorithmen ist sehr anspruchsvoll, ebenso die Konzeption der Hardware-Infrastruktur. Ein Beispiel: Aus Sicht von NSK macht es wenig Sinn, alle Daten dauerhaft zu speichern, die das Acous-Navi-System erfasst und auswertet. Zielführender ist die kurzfristige Vor-Ort-Datensammlung nach dem Prinzip des Edge Computing. Dabei werden die relevanten Daten gefiltert, ausgewertet und dem Anwender gegebenenfalls auf einer Cloud-Plattform zur Verfügung gestellt.
In der Vergangenheit gab es bei den Anwendern häufig Vorbehalte, was die Kosten und den Aufwand für die Integration von CM-Systemen betrifft. Die neueren von NSK entwickelten und genutzten CMS-Lösungen sind aber nicht nur kostengünstiger, die Datenverwaltung ist auch einfacher und für die kompakte Auswerteeinheit findet sich in jedem Schaltschrank ein Platz. Die Verbreitung von CM- und PM-Systemen wird auch dadurch gefördert, dass Maschinenhersteller entsprechende Standards erarbeiten. Ein weit fortgeschrittenes Projekt ist das von Fanuc entwickelte und etablierte FIELD-System (Fanuc Intelligent Edge Link & Drive System). NSK hat bereits eine Acous-Navi-Lösung entwickelt, die an die offene FIELD-Softwareplattform andockt. In Japan ist dieses System bereits verfügbar.
Intelligente Antriebstechnik hebt Anwendernutzen auf neues Niveau
Dr. Jussen (Schaeffler): Zunächst einmal stehen für uns nicht bestimmte Technologien im Vordergrund, sondern die Bedürfnisse und täglichen Entscheidungsprobleme unserer Kunden. Lösungen werden dann regelmäßig genutzt, wenn sie einfach und intuitiv anzuwenden sind. Daher steht im Zentrum unserer Entwicklungen die User Experience – und diese lässt sich in der Tat mit einigen Technologien auf ein ganz neues Niveau heben: Im Bereich Analytics setzen wir Algorithmen ein, die auf Basis unserer langjährigen CM- und Wälzlagererfahrung in Kombination mit Machine Learning weiterentwickelt wurden. Der große Vorteil für unsere Kunden hierbei besteht darin, dass wir automatisch – das heißt ohne manuelle Bewertung durch Spezialisten – Angaben zum Zustand der überwachten Maschinen geben können. Im Gegensatz zu konventionellen CM-Lösungen am Markt müssen an unseren Überwachungssystemen Kennwerte nicht mehr manuell und individuell für jede Maschine eingestellt werden, da wir das „individuelle Verhalten der Maschinen“ anlernen. Unsere Systeme sind so wesentlich schneller betriebsbereit und für den Kunden vereinfacht sich die Inbetriebnahme – da größtenteils automatisch – beträchtlich. Die Analysen laufen physisch in der Cloud, wodurch Software-Updates Geschichte sind. Diese Verfahren setzen wir auch bei unserem neuesten Condition Monitoring System Optime ein. Hier sind wir noch einen Schritt weiter gegangen: Wir nutzen die Mesh-Netzwerk-Technologie. Die kabellosen Sensoren vernetzen sich völlig selbstständig. Die Datenübertragung in die Cloud ist besonders sicher, auch bei Ausfall einzelner Messpunkte, und das Netz kann jederzeit und beliebig um weitere Messstellen erweitert oder reduziert werden. Auf diese Weise gelingt die Zustandsüberwachung von Hunderten Standardantrieben und Aggregaten verteilt in einem Werk besonders einfach. Die Inbetriebnahme pro Messstelle nimmt nur wenige Minuten in Anspruch, da für die Konfiguration minimale Angaben notwendig sind. Unser CMS-Angebot wird mit dem mehrkanaligen Pro Link und dem einkanaligen Smart Check abgerundet, um auch komplexere Maschinen mit besonderen Anforderungen an die Überwachung abzubilden.
Tobias Roepke (SKF): Die Kette der notwendigen Schritte hin zu einer treffenden Handlungsempfehlung ist lang. Grundlage ist die korrekte Datenaufnahme. Hier gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Sensorik, wobei durch moderne Technologien auch immer mehr Funksensorik mit smarter und energiesparender Vernetzung zum Einsatz kommt. Die Intelligenz der Systeme ist hierbei sehr stark abhängig von den verwendeten Technologien in Zusammenhang mit der richtigen Zusammensetzung der Entwicklerteams. Es sind zunächst physikalische Zusammenhänge zur Schallübertragung und Kenntnisse über Digitalisierung und Datenübertragung für eine korrekte Datenerfassung notwendig.
Um eine Handlungsempfehlung zu geben und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, sind weiterhin der Bereich der Datenverarbeitung, künstliche Intelligenz sowie das Verständnis mechanischer Zusammenhänge und Erfahrungen aus der Instandhaltung notwendig. SKF bietet für alle dieser Bereiche Lösungen an und hat somit ein breites Portfolio für eine umfassende Strategie. Ein Beispiel aus einem aktuellen Kundenprojekt: Zur Steigerung der Verfügbarkeit einer Drahtstraße in einem Stahlwerk wurden zunächst alle Antriebe und Walzgerüste mit Sensorik und Auswertungshardware ausgestattet. Um bei den wechselnden Betriebsbedingung eine effiziente Alarmierung zu ermöglichen, wurden über eine Prozessdatenankopplung aller relevanten Prozessparameter dem System zugeführt. Die Datenübertragung erfolgt hier direkt in die SKF-Cloud, wodurch eine sehr effektive Zusammenarbeit zwischen dem Anlagenbetreiber und den SKF-Analyseexperten erreicht wurde. Es wurde sehr schnell eine signifikante Verfügbarkeitssteigerung erreicht. Die sehr guten Ergebnisse können unter Einsatz neuer Technologien und künstlicher Intelligenz zukünftig weiter gesteigert werden. Um das eigentliche Ziel einer erhöhten Verfügbarkeit zu erreichen, sind die neuen Technologien bei adäquatem Einsatz sehr gute und skalierbare Werkzeuge.
IIoT-Geschäftsmodelle für die Antriebstechnik und Automatisierung
KEM Konstruktion: Monetarisieren Sie Services rund um Condition Monitoring und Predictive Maintenance bereits? Beziehungsweise: An welcher Stelle sehen Sie besondere Chancen für IIoT-Geschäftsmodelle?
Kaufmann (Bosch Rexroth): Für Aufgabenstellungen in den Bereichen Condition Monitoring und Predictive Maintenance bieten wir im Ökosystem unserer Automatisierungsplattform entsprechende Apps an. Des Weiteren haben wir in unsere Service-Welt digitale Dienste und Lösungen integriert, die zum Beispiel Prozesse in der Instandhaltung vereinfachen. Dies umfasst unter anderem das ctrlX Device Portal. Eine derartige Lösung ist im Automatisierungsmarkt absolut noch nicht üblich – aus unserer Sicht allerdings unabdingbar, da durch die IIoT- und Industrie 4.0-Entwicklungen immer mehr Geräte ins Feld geführt und Maschinen vermehrt an offene Netzwerke angeschlossen werden. Mit dem ctrlX Device Portal werden Geräteeinstellungen verwaltet und gepflegt sowie Fernwartungen durchgeführt. Maschinen können mit einem zentralen Tool effizient gewartet werden. Es verlagert die Varianz durch die Befreiung von Fixierfunktionen am SOP in die Software, schafft After-Sales-Mehrwerte durch den Verkauf von Funktionen per Update over the Air und verbessert die Sicherheit durch kontinuierliche Software-Updates. Außerdem erleichtert es die Digitalisierung durch Remote-Management. Darüber hinaus bieten wir den Anwendenden unserer Produkte eine individuelle Beratung und Analyse zur Optimierung ihrer Maschinenverfügbarkeit und -laufzeiten. Die daraus resultierenden Maßnahmen reichen von gezielten Produktüberholungen über Servicefähigkeitsverlängerungen bis hin zu Retrofits.
Die Automatisierungswelt ist zwar ein eher konservativer Markt, aber sie ist prädestiniert für neue IIoT-Geschäftsmodelle. Denn im Zuge der Industrie 4.0 wachsen IT und Automatisierung zusammen. Die Vernetzung eröffnet große Potenziale für Produktivitätssteigerungen und neue Services. Mit unserer Automatisierungsplattform ctrlX AUTOMATION ermöglichen wir die volle Integration von IoT-Lösungen in die Hardware. Damit können Anwendende direkt mit der Umsetzung in ihrem jeweiligen Geschäftsmodell starten und somit von schnellen Digitalisierungsvorteilen profitieren.
Lindenlaub (Franke): Condition Monitoring und Predictive Maintenance werden bei uns noch nicht monetarisiert. Wir sehen allerdings großes Potenzial in diesen Technologien. Sofern es uns gelingt sowohl bei unseren Produkten, als auch bei unseren Anlagen die ungeplanten Ausfallzeiten umzuwandeln in geplante Wartungszeiten, steigern wir deren Gesamteffektivität erheblich.
Petersen (NSK): Aktuell noch nicht. Wir verkaufen das Gesamtpaket der AcousNavi-Lösung und bieten unseren Kunden damit die Gewähr für höchste Betriebs- und Ausfallsicherheit des Lagers und der angrenzenden Komponenten im Antriebsstrang. Aber für die nahe Zukunft sehen wir durchaus Perspektiven für neue, serviceorientierte Geschäfts- und Bezahlmodelle. Anstatt ein Wälzlager zu verkaufen, können wir in Zukunft ggfs. die einwandfreie Funktion der Lagerstellen gewährleisten sowie den erforderlichen Service bzw. Austausch anbieten. Voraussetzung dafür ist eine kontinuierliche Überwachung der entsprechenden Lager. Diese Voraussetzung haben wir bereits geschaffen.
Dr. Jussen (Schaeffler): Im Rahmen von Optime haben wir erfolgreich ein neues Abonnement basiertes Geschäftsmodell eingeführt. Kunden zahlen hierbei auf monatlicher Basis für unseren digitalen Service. Für den Kunden fallen keine teuren Lizenzgebühren oder Zahlungen pro User an. Die großen Vorteile für unsere Kunden bestehen darin, dass sie nur für die Leistung zahlen, die sie tatsächlich nutzen und auch nur solange sie diese nutzen. Weiterhin lädt Schaeffler regelmäßig Updates für seine digitalen Services in die Cloud und arbeitet eng mit seinen Kunden zusammen, um neue Funktionen zu entwickeln. Diese sind in der Regel in den Abonnement-Gebühren bereits enthalten. Ergänzt werden die digitalen Services durch klassische Expertenservices. OPTIME ist bereits in über 30 Schaeffler-Werken installiert und bei einer vielfach größeren Anzahl an Kunden erfolgreich im Einsatz. Insbesondere das sehr transparente Kostenmodell wird von den Kunden sehr gut angenommen. Kosten und Nutzen stehen in einem hervorragenden Verhältnis zueinander. Das macht Betreibern die Entscheidung für unsere Systeme besonders leicht. Die Erfahrung mit OPTIME hat uns auch gezeigt, dass Testprojekte oft der Türöffner für den breiteren Einsatz des Systems sind. Dies ist sowohl der einfachen Erweiterbarkeit als auch dem Abonnement-Modell zu verdanken. Darin sehen wir die Zukunft für unsere IIoT-Geschäftsmodelle.
Roepke (SKF): SKF nutzt seit Jahrzehnten unterschiedliche Geschäftsmodelle für den Verkauf von Predictive Maintenance. Der Bereich des Industriellen IoT eignet sich besonders gut für die Verwendung von fee-based Geschäftsmodellen.
Kontakte:
Bosch Rexroth AG
Zum Eisengießer 1
97816 Lohr am Main, Deutschland
Tel: +49 9352–18 0
info@boschrexroth.de
www.boschrexroth.com
Franke GmbH
Obere Bahnstraße 64
73431 Aalen
Tel.: +49 7361 920–0
info@franke-gmbh.de
www.franke-gmbh.de
Getriebebau Nord GmbH & Co. KG
Getriebebau-Nord-Straße 1
22941 Bargteheide/Hamburg
Tel. +49 4532 289–0
info@nord.com
www.nord.com
NSK Deutschland GmbH
Harkortstrasse 15
40880 Ratingen
Tel.: +49 2102 4810
info-de@nsk.com
www.nskeurope.de
Schaeffler AG
Industriestraße 1–3
91074 Herzogenaurach
Tel.: +49 9132 82–0
info.de@schaeffler.com
www.schaeffler.de
SKF GmbH
Gunnar-Wester-Straße 12
97421 Schweinfurt
Tel.: +49 9721 56–0
marketing@skf.com
www.skf.com
Services monetarisieren
Einige Unternehmen monetarisieren Services rund um Condition Monitoring und Predictive Maintenance bereits, andere arbeiten daran. Aus den neuen technologischen Möglichkeiten ergeben sich spannenden Fragen zu (IIoT-) Geschäftsmodellen, die unter anderem darauf basieren, ungeplante Ausfallzeiten in geplante Wartungszeiten umzuwandeln. Lesen Sie online im kompletten Interview mehr dazu.