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Alles klar

Drehkolbenverdichter erzeugen Kläranlagen-Prozessluft mit reduziertem Energieeinsatz
Alles klar

Durch ein ganzes Maßnahmenbündel reduzierte die Kläranlage Kaiserslautern ihren Bedarf an elektrischer Energie für die Prozesslufterzeugung um 58 Prozent. In einer zweiten Modernisierungsphase wurden dann zwei der sechs Turboverdichter durch Drehkolbenverdichter ausgetauscht, was weitere 13 Prozent Energie einspart. So vermindert sich der monatliche Energiebedarf noch einmal zusätzlich von 250 000 auf 140 000 Kilowatt.

 

Der Autor Norbert Barlmeyer ist Fachjournalist in Bielefeld

Die Stadtentwässerung Kaiserslautern betreibt in ihrer Zentralkläranlage drei Belebungsbecken mit einem Gesamtvolumen von 22 500 m³ zur biologischen und weitergehenden Abwasserreinigung. Nach dem Umbau arbeitet die Anlage nun mit einem komplett anderen Durchfluss- und Belüftungskonzept in den Belebungsbecken. Das Abwasser durchfließt diese jetzt in zwei Straßen nach dem Prinzip des idealen Reaktors.
Da die belüftete Phase immer zwischen beiden Straßen wechselt, können die Prozesslufterzeuger lastabhängig kontinuierlich durchlaufen, wodurch Wartungsaufwand und Energiebedarf gesenkt werden. Die Prozessluft wird nicht mehr wie früher mit konstantem Druck, sondern bedarfsabhängig belastungs- oder zeitabhängig eingetragen. Die Belüftung wird über eine Gleitdruckregelung und eine abgestimmte Steuerungs- und Regelungstechnik der Firma Rudolf Messner Umwelttechnik, Adelsdorf, gefahren.
Weitere Energieeinsparungen durch Aggregateaustausch
In der Vergangenheit standen zur Erzeugung der erforderlichen Prozessluft sechs Turboverdichter zur Verfügung. Zwei Anlagen wurden in jeder Gruppe jeweils für die Versorgung der Becken benötigt. Die dritte Anlage wurde als Redundanz vorgehalten:
  • für Becken 1 und 2 (Einblastiefe 4 m) drei Turboverdichter, Höchstdruck 0,4 bis 0,45 bar, Liefermenge maximal je 10 000 Nm³/h, Antriebsleistung je 130 kW
  • für Becken 3 (Einblastiefe 6 m) drei Turboverdichter: Höchstdruck 0,6 bar, Liefermenge maximal je 5000 Nm³/h, Antriebsleistung je 200 kW
Diese Turboverdichter wurden ursprünglich auf maximalen Wassermengenzufluß und maximale. Frachtbelastung der Belebungsbecken ausgelegt und mit einer Konstantdruckregelung betrieben. Sie haben die Aufbereitungsstraßen des alten Konzeptes im kontinuierlichen Wechsel mit Prozessluft versorgt.
Die optimale Beschickung wurde über eine Messsonde im Becken sichergestellt, wozu Druck und Menge der erzeugten Luft durch Irisblenden in den Verdichtern reguliert wurden.
Schon nach kurzer Betriebszeit wurde jedoch erkannt, dass die vorhandenen sechs Turboverdichter für den neuen, reduzierten Bedarf selbst dann zu groß ausgelegt waren, wenn sie am unteren Leistungslimit fuhren. Außerdem wurde durch diese Überdimensionierung wertvolle elektrische Energie verschenkt.
Drehkolbenverdichter statt Drehkolbengebläse
Deshalb wurden zunächst die neuen Druckluft-Bedarfsmengen errechnet und zusätzlich durch praktische Versuche untermauert. Nachdem ein eventuell möglicher Rückbau der Turbokompressoren zu kleineren Leistungen als ungeeignet verworfen wurde, standen alle für die ölfreie Verdichtung der Prozessluft verfügbaren Systeme auf dem Prüfstand. Nach umfangreichen Kosten-Nutzen-Berechnungen sollten dann ursprünglich zunächst zwei Turbokompressoren durch zwei Drehkolbengebläse ersetzt werden, weil man von diesem Verdichtersystem neben einem günstigen Energieverbrauch und einer idealen Arbeitscharakteristik auch ein optimales Zusammenspiel mit den dann noch vorhandenen vier Turboverdichtern erwartete. Nach Anfangsgesprächen mit mehreren Lieferanten standen letztlich noch zwei Gebläsefabrikate zur Debatte, darunter auch die Anlagen der Aerzener Maschinenfabrik in Aerzen bei Hameln.
„Neben der Kläranlage Kaiserslautern betreiben wir im Umkreis von 100 Kilometern über eine Tochtergesellschaft noch 14 weitere Kläranlagen zwischen 500 und 14 000 Einwohnerwerten. Aerzener Drehkolbengebläse waren uns deshalb bereits bestens bekannt. Die Entscheidung für Aerzen fiel im Frühjahr 2010, als man uns für unsere Kläranlage Kaiserslautern anstatt der ursprünglich angedachten Drehkolbengebläse zwei Aggregate aus der Drehkolbenverdichter-Baureihe „Delta Hybrid“ empfahl. Die technischen Daten und die konstruktiven Vorteile dieser Baureihe haben uns ebenso überzeugt wie die niedrigen Druckluft-Austrittstemperaturen, die niedrige Leistungsaufnahme und ihr bis zehn Prozent reduzierter Energiebedarf. Außerdem hatten uns die guten Erfahrungen überzeugt, die andere Anwender im Rahmen eines Feldversuches bereits mit den Drehkolbenverdichtern der Baureihe Delta Hybrid gemacht hatten“, erklärt Betriebsleiter Joachim Steidel. Installiert wurden im Oktober 2010:
  • für Becken 1 und 2 (Druckbereich 0,4 bis 0,45 bar) ein Delta-Hybrid-Aggregat Typ D75L (Maximalleistung 4100 Nm³/h)
  • für Becken 3 (Druckbereich 0,6 bar) ein Delta-Hybrid- Aggregat, Typ D62S (Maximalleistung 3001 Nm³/h)
Die Delta-Hybrid-Aggregate decken in jedem Druckbereich den Grund- und Schwachlastbedarf ab. Sobald die Aerzener Aggregate ihre Maximalleistung erreicht haben und einen darüber hinaus gehenden Bedarf nicht mehr decken können, übernimmt der jeweils zugeordnete Turbokompressor automatisch die Versorgung. Sinkt der Bedarf wieder unter dessen Minimalleistung, beginnt erneut die Förderphase des zugeordneten Delta-Hybrid-Aggregates.
Aktuell ist das Aerzener Aggregat für Becken 1 und 2 etwa 39 %, das Aggregat für Becken 3 rund 72 % der Gesamtzeit aktiv (Stand: März 2011). Alle Prozesslufterzeuger werden über die in den Becken 1 und 2 beziehungsweise 3 getrennt ermittelten Sauerstoff-Istwerte gefahren. Unter den Sollwerten liegende Messergebnisse führen zu einer Druckerhöhung in den Prozesslufterzeugern und damit zu einer Erhöhung der Prozessluftmenge und umgekehrt.
Vorteile in idealer Weise in einem System vereinigt
Mit den ölfrei verdichtenden Delta-Hybrid-Aggregaten hat die Aerzener Maschinenfabrik eine Symbiose geschaffen, die sowohl die Vorteile von Drehkolbengebläsen als auch von Schraubenverdichtern in idealer Weise in einem einzigen System vereinigt. Dabei tendieren die Anlagen für niedrigere Drücke eher zu einem Gebläse, für höhere Drücke eher zu einem Schraubenverdichter.
Dem Hersteller gelang mit den Anlagen der Baureihe Delta Hybrid eine besondere Neukonzeption. Bisher ließen sich mit herkömmlichen Drehkolbengebläsen nur Drücke bis 1 bar Höchstdruck erzielen. Darüber mussten Schrauben- oder Turboverdichter eingesetzt werden, die einstufig aber für deutlich höhere Drücke von 2 beziehungsweise 3,5 bar ausgelegt, für sehr niedrige Drücke bauartbedingt „viel zu schade“ und deshalb in der Investition zu teuer sind. Hier hat die Aerzener Maschinenfabrik, Hersteller von Drehkolbengebläsen seit 1868 und von Schraubenverdichtern seit 1943, erfolgreich den Hebel angesetzt.
Die Delta-Hybrid-Anlagen wurden für alle Einsatzfälle geschaffen, bei denen Luft und neutrale Gase im Druckbereich bis 1,5 bar gefördert werden müssen, wie zum Beispiel in Kläranlagen, in der chemischen Industrie, der Kraftwerkstechnik oder zum Transport und zum Entladen staubförmiger Güter. Diese Drehkolbenverdichter-Baureihe wurde bereits seit drei Jahren in einem groß angelegten Feldversuch in verschiedensten Branchen bei Anwendern mit Neubedarf unter härtesten Praxisbedingungen erfolgreich getestet und zur Marktreife entwickelt. Alle Feldtest-Anlagen wurden über die Aerzener Fernüberwachung RAT detailliert und kontinuierlich überwacht. Die Delta-Hybrid-Anlagen stehen in folgenden Leistungsbereichen zur Verfügung:
  • Volumenströme: 10 bis 100 m³/min (600 bis 5900 m³/h)
  • Einsatzbereiche: für Luft- Über- und Unterdruck
  • Druckbereich: 0 bis 1,5 bar
  • Saugbereich: bis -0,7 bar
Die Aggregate zeichnen sich durch folgende Vorteile aus:
  • günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis, deutlich unter den Investitions-, Energie- und Wartungskosten für einen vergleichbaren Turbo- oder Schraubenkompressor
  • signifikant verbesserte Energieeffizienz durch Energieeinsparungen bis zu 15 % gegenüber herkömmlichen Anlagen
  • niedrige Wartungs- und Servicekosten; Zuverlässigkeit und Langlebigkeit
  • robuste Lagerkonstruktion (Lebensdauer 60000 Bh, auch bei maximaler Belastung)
  • niedrige Druckluft-Austrittstemperaturen dank hervorragender thermischer Haushalte, kompakte Bauweise, Riemenantrieb, Riemenspannung durch Motorwippe, Side-by-Side-Aufstellung, Frontseitenbedienung, Ölkontrolle und Nachfüllen im Betrieb, niedriger Schallpegel, optionale Steuerung „AS300 Aertronic“, für Außenaufstellung geeignet
  • hoher Regelbereich (25 bis 100 %), einfach zu bedienen und zu warten.
Insgesamt veranschlagt man in Kaiserslautern die Energieeinsparung für den Bereich biologische Abwasserreinigung auf etwa 44 %. Dadurch konnte die Stromeigenerzeugungsrate der Kläranlage von 45 auf rund 72 % gesteigert werden.
Aerzener Maschinenfabrik; Telefon: 05154 81-0; E-Mail: info@aerzener.de
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