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Dünnblechschraube ermöglicht flexible Direktverschraubungen

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Dünnblechschraube ermöglicht flexible Direktverschraubungen

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„Bei dünnen Blechen sind weder Vorloch noch Mutternelemente erforderlich“, sagt Judith Ivonne Menzel, bei der Böllhoff GmbH als Produktmanagerin für Direktverschraubungen tätig. Im Interview berichtet sie von der Neuentwicklung Quick Flow Plus: Die Dünnblechschraube erlaubt Konstruktionen mit tragenden Gewinden bei noch dünneren Blechen und spart bei der Montage mehrere Prozessschritte ein.

Interview: Thomas Preuß, Journalist in Königswinter

Die Vorteile der Dünnblechschraube

KEM Konstruktion|Automation: Frau Menzel, Sie haben Anfang Juli ein neues Produkt auf den Markt gebracht, die Dünnblechschraube Quick Flow Plus. Was ist das Besondere daran?

Judith Ivonne Menzel (Böllhoff): Die Schraube haben wir für Direktverschraubungen in dünnen Blechen oder dünnwandigen Bauteilen entwickelt, sogenannte „Feinbleche“, die weniger als einen Millimeter dick sein dürfen. Normalerweise werden für Verschraubungen, bei denen die Einschraubteile, also Bleche, dünner sind als die Gewindesteigung der Blechschrauben gemäß DIN EN ISO 1478, noch Mutternelemente benötigt, um die gewünschte Stabilität sicherzustellen. Dank der Quick-Flow-Plus-Dünnblechschraube können Anwender auf diese zusätzlichen Elemente verzichten.

KEM Konstruktion|Automation: Woran liegt das?

Menzel: Unsere neue Dünnblechschraube hat ein ganz spezielles Schraubengewinde mit einer Formzone, die in die Bauteile ein Aufnahmegewinde hineinfurcht – und nicht schneidet, wie es bei den meisten anderen Blechverschraubungen der Fall ist. Mit der speziellen Geometrie der Schraubenspitze wird im Einschraubprozess auf der Blechunterseite ein sogenannter Durchzug ausgeformt. Hierdurch kann die Gewindelänge des Aufnahmegewindes erhöht werden. Damit kann ich dann ohne Vorloch und ohne Kernloch arbeiten und bin vor allem in der Endmontage maximal flexibel.

Werkstoffkombination und Blechdicke sind entscheidend

KEM Konstruktion|Automation: Sie nannten als Richtwert für die Blechdicke etwa einen Millimeter. Ist das die absolute Grenze?

Menzel: Nein. Die tatsächliche Dicke hängt von der Festigkeit und Härte der zu fügenden Werkstoffe ab. Bei Aluminium können die Bleche auch zwei Millimeter dick sein oder noch etwas darüber. Aber fixieren Sie sich nicht zu sehr auf konkrete Werte. Anwender sollten ihre individuelle Werkstoffkombination und Blechdicke bei uns anfragen; wir empfehlen dann die passende Schraube. Intern greifen wir auf eine Datenbank zurück, mit der wir sehr schnell geeignete Vorschläge und Muster anbieten können.

KEM Konstruktion|Automation: Der Name „Quick Flow Plus“ deutet auf das Vorgängermodell Quick Flow hin. Welche Verbesserungen bietet das neue Produkt?

Menzel: Die bisherige Schraube hatte designbedingt, insbesondere bei modernen Werkstoffkombinationen, Anwendungsgrenzen, so dass wir signifikante Verbesserungen vornehmen wollten. Konkret haben wir die Schraube vollumfänglich redesingt: Wir haben sowohl die mechanischen Eigenschaften als auch die Geometrie modifiziert, um ein verbessertes Einschraubverhalten zu generieren.

Montageprozess wird stabiler

KEM Konstruktion|Automation: Sie haben also auch die Maße und Steigungswinkel der Schraube optimiert.

Menzel: Die Gewindesteigung ist feiner als bei klassischen Blechschrauben, womit eine ausreichende Überdeckung der geformten Gewindeflanken gegeben ist. Außerdem haben wir nun eine höhere Randhärte der Schraube im Gewinde. Anwender können mit der neuen Schraube dadurch nun sehr leicht dickere Bleche montieren. Für einen noch stabileren Montageprozess legen wir extra auch spezielle Schrauber-Bits bei, die einen positiven Einfluss auf die Qualität der Verschraubung haben und die Montage erleichtern.

KEM Konstruktion|Automation: Die haben aber immer noch als Antrieb das klassische Torx-Profil? Beziehungsweise Innensechsrund, wie es offiziell heißt?

Menzel: Das schon, aber unsere eigenen Bits sind etwas größer und sitzen besser in den Schraubenantrieben als die herkömmlichen, die die meisten unserer Kunden verwenden. Damit verhindern wir, dass die Schraube beim Eindrehen taumelt – was ja bei vorlochfreien Direktverschraubungen ohne Kernloch ein gängiges Phänomen ist. Die Bits sind aber explizit nur eine Option; jeder kann auch gern herkömmliche Bits verwenden.

KEM Konstruktion|Automation: Die Spezialbits haben also keine Haltefunktion?

Menzel: Nein, das wollten wir auch nicht. Bits mit Haltefunktion sitzen oft zu fest in der Schraube und bleiben dann im Antrieb stecken. Mit unseren etwas verstärkten Bits haben wir nun einen sehr guten Kompromiss gefunden.

Besser spanlos furchend statt selbstschneidend

KEM Konstruktion|Automation: Die Schrauben sind furchend, haben Sie betont. Was ist der Vorteil gegenüber selbstschneidenden Blechschrauben?

Menzel: Das Gewinde wird beim Furchen nur umgeformt; damit wird kein Material abgetragen, es gibt also keine Späne. Dies ist bei der Montage und auch im späteren Betrieb ein großer Vorteil, da durch Späne verursachte Probleme entfallen.

KEM Konstruktion|Automation: An welche Probleme denken Sie da?

Menzel: In Lüftungsanlagen zum Beispiel können verbleibende Späne zur Geräuschentwicklung führen, was natürlich nicht erwünscht ist. Gleichzeitig führt das Furchen zu einer höheren Tragfähigkeit des Gewindes, weil durch die Kaltumformung im Material der sogenannte Effekt der Kaltverfestigung auftritt. Diese erhöht die Festigkeit des Gewindes.

KEM Konstruktion|Automation: Und die Tragfähigkeit ist ja eines der Argumente für die Quick Flow Plus …

Menzel: Genau. Die Schraubspitze unserer Quick Flow Plus verdrängt das Material weiter nach unten, so dass auch bei feineren Blechen Konstruktionen mit tragenden Gewinden möglich werden. Das selbstgefurchte Gewinde ist zudem nahezu spielfrei. Damit ist eine höhere Reibung verbunden, die wiederum eine Verliersicherung erzeugt. Das spart gleichzeitig Gewicht und Kosten, weil die Mutternelemente entfallen. Für tragende Teile sind mit normalen Blechschrauben dagegen Mutternelemente auf der anderen Seite nötig, damit die Schraube nicht taumelt und die Verbindung sich nicht lösen kann.

Verbesserungen im Montageprozess

KEM Konstruktion|Automation: Inwieweit wird der gesamte Fertigungs- beziehungsweise Montageprozess im Vergleich zu normalen metrischen Schrauben optimiert?

Menzel: Mit der neuen Dünnblechschraube spart der Anwender sich mehrere Prozessschritte. Gehen wir davon aus, wir wollen eine Komponente, zum Beispiel die Griffe eines Schaltschranks, bei der Installation vor Ort an das Gehäuse schrauben. Dabei sind bei der metrischen Schraube und der Quick Flow Plus dann nur die beiden Prozessschritte am Anfang und am Ende identisch: Am Anfang wird zunächst ein Vorloch im Klemmteil generiert; dieser Prozessschritt ist meist vorgelagert, wie bei den genannten Schaltschrankgriffen. Und am Schluss bleibt natürlich das Einschrauben. Die Quick Flow Plus begnügt sich mit diesen beiden Schritten, während es bei der metrischen Schraube fünf weitere gibt, die bei uns aber entfallen (siehe Kasten).

KEM Konstruktion|Automation: Das heißt konkret …

Menzel: Erstens brauche ich mit unserer Schraube das Blech, also die Tür, nicht mehr zu bohren oder zu stanzen. Zweitens entfällt das Ansenken, drittens das Gewindeschneiden, und viertens muss ich das Gewinde auch nicht mehr reinigen; denn normalerweise haftet da ja noch Öl an. Und am Ende, fünfter Prozessschritt, entfällt auch die Kontrolle des Gewindes. Zudem kann durch die Erzeugung eines spielfreien Gewindes, wie zuvor erläutert, auf den Einsatz zusätzlicher Mutternelemente verzichtet werden.

Typische Anwendungen der Dünnblechschraube im Überblick

KEM Konstruktion|Automation: Kommen wir zu den Anwendungen. Der Schaltschrank war sicher ein typisches Beispiel. Welche Applikationen haben Sie sonst noch im Blick?

Menzel: Ein großes Anwendungsgebiet sind ganz allgemein Metallgehäuse; die finden wir in allen Branchen. Hinzu kommen Lüftungsanlagen, wie oben angedeutet, und Wärmepumpen, weiße Ware oder auch E-Bikes: lauter Produkte, an die entweder bei der Endmontage oder zur Individualisierung noch einzelne Komponenten, wie Zubehör, angeschraubt werden müssen. Auch im Torbau, zum Beispiel bei Garagen-Sektionaltoren, sehen wir interessante Möglichkeiten.

KEM Konstruktion|Automation: Wie kam es zu der Weiterentwicklung? Spezielle Anforderungen seitens Ihrer Kunden aus den genannten Branchen?

Menzel: In der Tat hatten wir eine Anfrage aus der Lüftungstechnik, die den Stein ins Rollen brachte. Wir wollten aber schon länger eine Optimierung vornehmen. Das Ziel war es, eine ganzheitliche Lösung zu entwickeln, die die speziellen Kundenanforderungen erfüllt. Dabei standen unter anderem Montagefreundlichkeit, Geschwindigkeit und Stabilität im Fokus.

Einsetzbar bei Metallen sowie CFK

KEM Konstruktion|Automation: Für welche Werkstoffe wurde die neue Dünnblechschraube entwickelt?

Menzel: Gängig sind Stahl, Edelstahl und Aluminium; aber auch mit kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) haben wir schon erfolgreiche Versuche durchgeführt. Bei den handelsüblichen Stählen liegt die Blechdicke im Bereich bis circa 1,5 Millimeter, bei Alu zum Teil bis 2,5 Millimeter. Aber, wie oben angedeutet, eine allgemeine Aussage ist nicht zielführend.

KEM Konstruktion|Automation: Welche Längen, Durchmesser und Antriebsprofile bieten Sie an?

Menzel: Wir haben aktuell Schraubendurchmesser von vier und fünf Millimetern im Portfolio. Als Standard bieten wir einen Linsenkopf sowie einen Linsenkopf mit angepresster Scheibe an. Ein wesentlicher Vorteil des Linsenkopfs mit angepresster Scheibe ist der größere Kopfdurchmesser. Durch diesen wird die Kopfreibung erhöht und somit eine prozesssichere Montage ermöglicht. Als Standardantrieb haben wir Innensechsrund definiert. Sonderköpfe oder -längen können jedoch selbstverständlich realisiert werden.

KEM Konstruktion|Automation: Wie wird das Produkt normalerweise eingebracht, und ab welcher Stückzahl lohnt sich die Automatisierung?

Menzel: Die Montage hängt eigentlich nicht von der Stückzahl ab, sondern vom Ort des Geschehens. Da der große Vorteil ja die viel leichtere Endmontage ist, liegen sehr viele Anwendungen eben auch direkt vor Ort, wo die Lüftungsanlage oder das Gehäuse aufgestellt werden. Dort wird in der Regel mit einem Akkuschrauber von Hand montiert. Falls Maschinenbauer ihre Geräte oder Anlagen bereits im Werk montieren, ist eine Automatisierung sehr leicht möglich. Die dafür benötigte Anlagentechnik ist bei den Herstellern meistens schon vorhanden.

KEM Konstruktion|Automation: Das heißt, ich benötige im Normalfall auch keine spezielle Schraubstrategie zur Montage? Sonst wäre es ja mit den klassischen Akkuschraubern schwierig.

Menzel: Richtig. Eine einfache Abschaltung über das Drehmoment genügt; denn bei den Anwendungen, um die es geht, treten im späteren Betrieb keine gravierenden dynamischen Lasten auf, so dass der Schraubprozess auch keine große Überwachung erfordert.

Details zu Normen und Schraubensicherung

KEM Konstruktion|Automation: Gibt es Normen oder Richtlinien, die im Einsatz mit Quick Flow Plus zu beachten sind?

Menzel: Keine speziellen, außer denen, die im Maschinenbau oder der jeweiligen Branche allgemein gelten.

KEM Konstruktion|Automation: Werden Schraubensicherungsmittel benötigt?

Menzel: Nein, Sicherungen sind nicht erforderlich, weil sich die Schraube ihr spielfreies Gewinde selbst furcht und sich durch die höhere Gewindereibung somit selbst sichert. Da bei den Zielanwendungen im Betrieb keine dynamischen Kräfte wirken, ist in der Regel auch keine zusätzliche Schraubensicherung notwendig.

Tipps für den Konstrukteur beim Einsatz der Dünnblechschraube

KEM Konstruktion|Automation: Was muss ein Konstrukteur im Vorfeld beachten?

Menzel: Im Prinzip kann er so konstruieren wie bei jeder anderen Verschraubung. Wer die Quick Flow Plus einsetzt, tut das ja aus bestimmten Gründen – und muss dann berücksichtigen, dass die Schraube eine spezielle Gewindespitze hat. Diese sollte so angeordnet werden, dass für den Werker und später den Anwender keine Gefahr von ihr ausgeht. Die Spitze darf auch nicht im tragenden Bereich der Konstruktion liegen. Bezüglich der Toleranzen bin ich sehr flexibel, weil ja kein Vorloch benötigt wird. Und auch, wenn an dem Bauteil geschweißt werden muss, brauche ich nicht so viel Rücksicht zu nehmen wie bei anderen Blechschrauben, weil es das Vorloch nicht gibt und ein möglicher Verzug daher kein Problem darstellt.

KEM Konstruktion|Automation: Was muss ich als Anwender beachten, welche Fehler sollte ich nicht machen?

Menzel: Wenn Sie mit einem Akkuschrauber arbeiten, sollte der eine Drehzahl von 1700 Umdrehungen pro Minute leisten können; das ist aber normalerweise unproblematisch. Und wir empfehlen natürlich, mit unseren Spezialbits zu arbeiten.

www.boellhoff.com

Weitere Details zu den Blechschrauben Quick Flow Plus…


So einfach gestaltet sich der Montageprozess mit Blechschrauben des Typs Quick Flow Plus.
Bild: Böllhoff
So einfach gestaltet sich der Montageprozess mit Blechschrauben des Typs Quick Flow Plus.
Bild: Böllhoff

Die Vorteile auf einen Blick

  • Kein Vorlochen des Bauteils nötig
  • Einseitige Zugänglichkeit genügt
  • Montage ohne Mutternelemente
  • Kurze Taktzeiten durch Direktverschraubung mit doppelgängigem Gewinde
  • Senkung der Prozesskosten
  • Hohe Prozesssicherheit in der Montage aufgrund höherer Überdrehmomente
  • Wiederholtes Lösen und Anziehen möglich
  • Spezielle Bits für komfortable Montage erhältlich (optional)
  • Automatisierte Montage möglich
  • Spanfreie Montage
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