Zu den Grundlagen der Automatisierungstechnik sind von Prof. Schmertosch erschienen:
- Industrielle Kommunikation in der Automatisierungstechnik
- Wozu dienen Feldbus und Industrial Ethernet?
- Was ist eine Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) und ist sie noch zeitgemäß?
- Welche Funktion haben I/O-Module und was können sie leisten?
- Für jede Aufgabe die richtige Antriebstechnik – ein Überblick
- Wozu dienen HMI-Systeme und welche Varianten gibt es?
Inhaltsverzeichnis
1. Welche nichtserielle Signalformen gibt es und was haben diese für eine Bedeutung?
2. Intelligente Feldgeräte erfordern einfache und preisgünstige Schnittstellen
3. Feldbusse sind in aktuellen Automatisierungssystemen unverzichtbar
4. Offenen Standards gehört die Zukunft
Bei der Betrachtung industrieller Kommunikationssysteme muss grundsätzlich zwischen seriellen und nichtseriellen Varianten unterschieden werden. Zu letzteren zählen alle binären und analogen Schnittstellen zwischen den im Prozessumfeld installierten Feld- sowie den in einem Schaltschrank montierten Schaltgeräten und dem Steuerungssystem. Eine wesentliche Eigenschaft dieser Signalformen ist der unmittelbare zeitliche Bezug einer Signaländerung zum Verlauf der jeweiligen Prozessgröße. Feldbusse und alle weiteren seriellen Kommunikationsformen haben diesen direkten Zeitbezug nicht oder zumindest nicht in dieser Güte. Dafür haben sie den Vorteil, außer den eigentlichen Prozesswerten auch Daten zur Konfiguration und Diagnose des jeweiligen Feldgerätes oder ganze Datenpakete beispielsweise zu einem Bediengerät oder dem Produktionsleitsystem übertragen zu können. Bevor wir uns jedoch damit beschäftigen, sollen zunächst die wesentlichen Eigenschaften der nichtseriellen Signale betrachtet werden.
Welche nichtserielle Signalformen gibt es und was haben diese für eine Bedeutung?
Direkte binäre und analoge Signale sind sicher die in einem Steuerungssystem am häufigsten verwendeten Signalformen und so wird es trotz allen technologischen Fortschritts noch lange bleiben. Dabei werden die Prozesszustände, wie z.B. die Stellung eines Hebels oder eine Temperatur, von einem entsprechenden Feldgerät in ein elektrisches Signal gewandelt und dieses direkt auf einen Eingangskanal der Steuerung aufgeschaltet. Dabei kommen sowohl Rohwerte (z.B. die Spannung eines Thermoelementes oder der Widerstand eines Dehnmessstreifens) als auch standardisierte Signalformen zur Anwendung. Eine Übersicht enthalten die folgenden Tabellen, wobei die gebräuchlichsten bzw. standardisierten Varianten rot markiert sind.
Signalform | elektrische Größe | Signaleigenschaft | Anwendung und Beispiele |
digital | Spannung | 5 VDC, 24 VDC, 100 – 230 VAC | Relais, Schütze, Anzeigen |
analog | Strom | 0(4) – 20 mA | Feldgeräte vorw. Anlagentechnik |
1 A, 5 A (DC/AC) | Energiemessung | ||
Spannung | < 1 V | Thermoelemente, Piezogeber | |
±5 V, ±10 V, 0…5 V, 0…10 V | intelligente Feldgeräte | ||
Widerstand | Pt100, NTC, PTY, DMS | Temperatur- und Kraftmessung |
Signalform | Verbindung | Physikalische Basis | Anwendung und Beispiele |
seriell | Punkt zu Punkt | RS232 | selten für intelligente Feldgeräte |
RS485 | IO-Link, für intelligente Feldgeräte | ||
Bus | RS485/422 | CAN, Profibus, Modbus, ASi… | |
Ethernet | Profinet, Sercos, Powerlink… |
Diese Form der Kommunikation wird auch als eine Punkt-zu-Punkt-Schnittstelle (Point to Point, PtP) bezeichnet, was bedeutet, dass jedes Signal genau einen Ein- oder Ausgang in der Steuerung benötigt. Für viele Messgrößen ist das völlig ausreichend, doch immer intelligentere Feldgeräte sowie in einem Produktionssystem verteilte Steuerungssysteme verlangen weitergehende Informationen, die nur mit seriellen Kommunikationsformen sinnvoll zu realisieren sind. Dazu haben sich einerseits die klassischen Feldbusse, wie z.B. Profibus oder CAN sowie Ethernet-basierte Varianten, aber auch speziell für die Feldgeräte-Kommunikation optimierte Lösungen etabliert.
Intelligente Feldgeräte erfordern einfache und preisgünstige Schnittstellen
Die in einem Produktionssystem üblicherweise hohe Anzahl von Feldgeräten sowie die Anforderungen nach kürzesten Montage- und Inbetriebnahmezeiten haben zu sehr preiswerten seriellen Kommunikationslösungen geführt. Beispielsweise wird im Anlagenbau gern das HART-Protokoll verwendet, weil hier häufig moderne Geräte über bestehenden Leitungswege gekoppelt werden sollen. In diesem Fall wird einfach über das zumeist analoge Standardsignal ein serielles Protokoll aufmoduliert, über das dann Konfigurations- und Diagnosedaten übertragen werden [1]. Auf diese Weise können einerseits innovative Feldgeräte eingesetzt und zugleich mitunter beträchtliche Installationskosten für neue Kabelwege eingespart werden.
Ähnlich verhält es sich beim IO-Link, mit dem ebenfalls Prozess-, Konfigurations- und Diagnosedaten auf einer Leitung übertragen werden können [2]. Diese Lösung hat den Vorteil, dass sie sehr preisgünstig ist und damit auch für eine breite Vielfalt von Feldgeräten verwendbar ist, wie z.B. Näherungsinitiatoren, Lichtschranken oder diverse Aktoren. Zudem bieten zahlreiche Firmen (wie z.B. [3]) zusätzliche IO-Link-Komponenten wie konfektionierte Kabel, Verteiler oder dezentrale IO-Module an, mit denen der Installationsaufwand noch weiter vereinfacht werden kann.
Ein Vorteil der bisher genannten Lösungen ist neben den genannten wirtschaftlichen Aspekten der direkte zeitliche Bezug des jeweiligen Digital- oder Analogsignals zum Verlauf der Prozessgröße. Dieses Echtzeitverhalten wird auch nicht durch die zusätzlichen seriellen Protokolle von HART oder IO-Link beeinflusst. Der direkte zeitliche Zusammenhang geht erst in der Steuerung bzw. schon im IO-Modul verloren, denn ab hier wird in der Regel zyklisch abgetastet und verarbeitet, was zu einem sogenannten Jitter führt. Mit diesem können die Steuerungen durch verschiedene Maßnahmen recht gut umgehen, das Thema Jitter spielt jedoch bei den rein seriell arbeitenden Feldbussystemen eine ganz entscheidende Rolle.
Feldbusse sind in aktuellen Automatisierungssystemen unverzichtbar
Einer der ersten industriellen Feldbusse, der Profibus (Process Field Bus), wurde1989 durch die Firma Siemens und das Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert. Das Ziel der ‚Realisierung und Verbreitung eines bitseriellen Feldbusses inklusive der Normung einer Feldgeräteschnittstelle als Grundvoraussetzung‘ beschreibt auch das dringlichste Anliegen der Industrie: Den – durch die sich rasant weiterentwickelnde Automatisierungstechnik stark zunehmende Anzahl von Feldgeräten – verursachten Verdrahtungsaufwand mittels eines seriellen Feldbus zu minimieren [4]. Als sich dann 1995 die inzwischen 27 regionalen Profibus-Nutzerorganisationen zu Profibus & Profinet International (PI) zusammenschlossen, gab es schon zahlreiche Anlagen und noch mehr Hersteller von Feldgeräten mit einem Profibus-Interface. Inzwischen ist der Feldbus in den Normen IEC 61508 und IEC 61784 verankert, und es gibt wohl keinen Hersteller von Steuerungstechnik bzw. Feldgeräten, der für seine Produkte ein Profibus-Interface nicht mindestens als Option anbietet.
Obwohl der Profibus noch immer in zahlreichen Applikationen zum Einsatz kommt, so ist er doch inzwischen in die Jahre gekommen. Auch wenn er durch seine robuste Arbeitsweise und die inzwischen 12 Mbit/s schnelle Datenrate in vielen Applikationen immer noch völlig ausreicht, kann er mit modernen Ethernet-basierten Bussystemen nicht annähernd mithalten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen ist es die physische Schnittstelle auf Basis der standardisierten EIA-485-Physik. Deren Charakteristik mit maximal 32 Teilnehmern, einer Linienarchitektur mit höchstens 1.200 m Ausdehnung und einer Datenrate von typisch 10 Mbit/s ist für heutige Anforderungen bei weitem nicht mehr ausreichend.
Offenen Standards gehört die Zukunft
Aktuell existieren zahlreiche Feldbusvarianten mit unterschiedlichen Zielstellungen. Beispielsweise liegt der Fokus beim AS-Interface (ASi) auf einfachster Verkabelung und minimalem Montageaufwand für die unterschiedlichsten Feldgeräte [5]. Der Profibus-PA ist defacto Standard für die Kommunikation in explosionsgefährdeten Bereichen und mit dem CAN-Bus, ursprünglich für die Vernetzung in Automobilen entwickelt, lassen sich trotz gleicher EIA-485-Physik durch einen möglichen Querverkehr auch dynamisch anspruchsvollere Applikationen realisieren [4] [6].
Obwohl diese Varianten nach wie vor in vielen Applikationen erfolgreich eingesetzt werden, so reichen deren Ressourcen durch das zunehmende Datenaufkommen in immer stärker dezentralisierten Strukturen und vor allem unter den Anforderungen einer digitalen Produktion und Industrie 4.0 schon lange nicht mehr aus.
Aus diesen Gründen ist das Ethernet, wie wir es aus der Bürowelt kennen, das Mittel der Wahl. Da Ethernet jedoch in seiner ursprünglichen Arbeitsweise für die in der Automatisierung erforderliche Echtzeitkommunikation denkbar ungeeignet ist, haben verschiedene Hersteller unterschiedliche Verfahren entwickelt, um Ethernet echtzeitfähig zu machen. Beispiele dazu sind Profinet, Powerlink oder Sercos u.a. (gute Übersichten und technische Fakten in [7]).
Dazu kommen Varianten, die im Sinne der Maschinensicherheit (Safety) Informationen so übertragen, dass im Falle einer Störung, ganz gleich ob in Hard- oder Software, von der Maschine oder Anlage keine Gefährdung ausgeht. Dazu existieren aktuell zahlreiche Lösungen, wie beispielsweise Profisafe, openSafety oder SafetyNet. Zudem rückt das Thema der Datensicherheit (Security) immer weiter in den Vordergrund.
Obwohl all diese Varianten die Hauptanforderungen nach einer schnellen, jitterfreien und sicheren Übertragung auch größerer Datenmengen erfüllen, so haben sie doch einen entscheidenden Nachteil: Sie sind nicht miteinander kompatibel und zumeist an die Hardware eines Herstellers gebunden. Dieses Manko hat zur Entwicklung offener Standards wie OPC UA und Time Sensitive Network (TSN) geführt, die das klassische ‚Büro-Ethernet‘ fit für die automatisierungstechnische Zukunft machen.
Automatisierung 4.0: Objektorientierte Entwicklung modularer Maschinen
Übersicht zu den Beiträgen der Serie Grundlagen der Automatisierungstechnik von Prof. Schmertosch:
- Industrielle Kommunikation in der Automatisierungstechnik
- Wozu dienen Feldbus und Industrial Ethernet?
- Was ist eine Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) und ist sie noch zeitgemäß?
- Welche Funktion haben I/O-Module und was können sie leisten?
- Für jede Aufgabe die richtige Antriebstechnik – ein Überblick
- Wozu dienen HMI-Systeme und welche Varianten gibt es?
Literatur:
[1] FieldComm Group: HART-Technologie im Detail. [Online] [letzter Zugriff: 06.06.2021]. https://www.fieldcommgroup.org/de/technologien/hart/hart-technologie-im-detail.
[2] IO-Link Konsortium: Homepage [letzter Zugriff: 06.06.2021.]. https://www.io-link.com.
[3] Bihl+Wiedemann GmbH: IO-Link mit Bihl+Wiedemann: einfach, flexibel, kostengünstig. Homepage: IO-Link. [letzter Zugriff: 06.06.2021].
https://www.bihl-wiedemann.de/de/applikationen/io-link.html.
[4] Profibus Nutzerorganisation e. V. (PNO): Homepage. [letzter Zugriff: 06.06.2021]. https://de.profibus.com/community/dieprofibus-nutzerorganisation/.
[5] AS-International Association e.V.: AS-Interface (Homepage). [letzter Zugriff: 06.06.2021]. https://www.as-interface.net/.
[6] CiA. CAN in Automation (Homepage). [letzter Zugriff: 06.06.2021]. http://www.can-cia.org/.
[7] EPSG – Ethernet Powerlink Standardiziation Group. Industrial Ethernet Facts 3d Edition. Friedersdorf: s.n., 2017.
https://www.ethernet-owerlink.org/fileadmin/user_upload/Dokumente/Industrial_Ethernet_Facts/