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Fortschritt in der Antriebstechnik
Die EPU-G von Moog repräsentiert einen bedeutenden Fortschritt in der elektrohydrostatischen Antriebstechnik und ist...
Inhaltsverzeichnis
1. Wirtschaftliche Vorteile von Sondergetrieben
2. Spezielle Anforderungen erfordern Sondergetriebe
3. Sondergetriebe im Praxiseinsatz bei JNOV Tech
4. Modifiziertes NGV-Getriebe gefragt
5. Modifizierte Standardgetriebe
6. Entwicklungsaufwand modifizierter Standardgetriebe geringer
Der Vorteil von Standardgetrieben liegt auf der Hand: Sie sind kosteneffizient und normalerweise auch in kleineren Mengen kurzfristig lieferbar. Ein leistungsfähiger Hersteller sollte deshalb ein möglichst breites Portfolio an Standardmodellen anbieten, das idealerweise auch Standardgetriebe für besondere Anwendungen – wie beispielsweise zum Einsatz in Fahrerlosen Transportfahrzeugen oder in hygienesensitiven Umgebungen – umfasst.
Standardmodelle haben aber natürlich auch einen Nachteil: Sie sind oft ein Kompromiss zwischen verschiedenen Anforderungen oder für bestimmte Leistungsbereiche überdimensioniert. Gerade bei besonderen Aufgabenstellungen kann sich deshalb die Entwicklung einer Sonderlösung oder auch die individuelle Anpassung eines Standardgetriebes lohnen. Der Weg zur optimalen anwendungsspezifischen Antriebslösung führt dabei immer über die enge Abstimmung mit dem Kunden.
Wirtschaftliche Vorteile von Sondergetrieben
Entwicklung und Fertigung anwendungsspezifischer Sonder- und modifizierter Standardgetriebe erfordern besondere Kompetenzen auf Seiten des Herstellers. Das betrifft insbesondere die Auslegung, Umsetzung und Optimierung von Verzahnungsteilen. Getriebespezialist Neugart hat dafür eigens eine spezialisierte Abteilung, das Neugart-Verzahnungs-Kompetenzzentrum (kurz VKZ). Hier wird für jedes Getriebe die ideale Verzahnungsgeometrie errechnet, egal ob Standard- oder Sondergetriebe. Auch neue Fertigungs- oder Härteverfahren für Verzahnungsteile werden im VKZ entwickelt. Trotz des höheren Engineering- und Fertigungsaufwands macht sich der Einsatz von kundenspezifischen Sondergetrieben aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht bezahlt. Denn die Anfangsinvestitionen amortisieren sich über den Mehrwert – zum Beispiel, weil die entsprechende antriebstechnische Aufgabe anders gar nicht zu lösen gewesen wäre, oder weil sich der zur Verfügung stehende Platz durch Sonderbauformen effizienter ausnutzen lässt. Außerdem können Sondergetriebe unter Umständen anwendungsspezifisch einfacher und damit günstiger ausgelegt werden als vergleichbare Standardprodukte. Diese Einsparungen addieren sich mit zunehmender Stückzahl.
Spezielle Anforderungen erfordern Sondergetriebe
Spezielle Anforderungen, die unter Umständen ein Sondergetriebe erforderlich machen, gibt es viele: Sie können sich zunächst einmal aus der Antriebsaufgabe selbst ergeben, etwa wenn ein Motor mehrere Achsen gleichzeitig antreiben soll. Zudem gibt es Einbausituationen und andere konstruktive Zwänge, die nach neuen Lösungen verlangen. Sehr oft bilden aber auch branchen- und anwendungsspezifische Faktoren den Ausgangspunkt für ein Sondergetriebe, zum Beispiel, wenn dieses im direkten Kontakt mit Lebensmitteln oder unter rauen Umgebungsbedingungen eingesetzt werden soll. Beispiele aus dem Neugart-Kundenkreis finden sich in so unterschiedlichen Hightech-Anwendungen wie Kernspintomographen, Lackierrobotern oder Automatisierungssystemen für die Agrarindustrie.
Sondergetriebe im Praxiseinsatz bei JNOV Tech
Auch das französische Robotik-Start-up JNOV Tech setzt auf Sondergetriebe von Neugart: Das Unternehmen mit Sitz in Toulouse ist Hersteller der Neuentwicklung CMR (Collaborative Mobile Robot). Die Erfinder beschreiben das System als „vernetzt und kooperativ arbeitende Fahrzeuge zum flexiblen Transport auch komplexer Lasten“. Tatsächlich können die nur etwa langspielplattengroßen CMR-Module, die auf den ersten Blick wie etwas zu groß geratene Saugroboter aussehen, im Verbund eine Gesamt-Traglast von bis zu 32 t bewegen. Seit ihrer Markteinführung 2021 setzen sich die innovativen Transportfahrzeuge zunehmend durch, vor allem in den Hauptbranchen Luft- und Raumfahrt, Energie, Maschinenbau und Automobilindustrie.
Jedes CMR läuft auf zwei größeren Antriebsrädern und auf zwei kleineren, rundum multidirektional beweglichen Rollen. Pro Antriebsrad kommt je ein Getriebe zum Einsatz, pro Fahrzeug sind es also zwei. Diese müssen – wie auch bei anderen Fahrerlosen Transportfahrzeugen (Automated Guided Vehicles, AGVs) – ganz eigene, hohe Anforderungen an Konstruktion und Mechanik erfüllen. Mit der Baureihe NGV hat Neugart ein Planetengetriebemodell im Portfolio, das mit seinen Produktmerkmalen ganz gezielt auf den Einsatz in AGVs zugeschnitten ist. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Lager: Sie sind so ausgeführt und platziert, dass sie am Abtrieb hohe Radiallasten erlauben.
So stand das NGV zunächst auch als mögliche Lösung im Raum, als JNOV Tech auf der Suche nach einem geeigneten Getriebe Anfang 2020 erstmals auf Neugart zukam. Zu diesem Zeitpunkt war bei dem Robotik-Start-up bereits die generelle Entscheidung für ein Planetengetriebe gefallen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die besonderen technischen Ansprüche des französischen Unternehmens in Bezug auf eine sehr kompakte Bauform mit dem NGV-Standardmodell nicht 100-prozentig zu erfüllen waren.
Modifiziertes NGV-Getriebe gefragt
Gefragt war also eine speziell auf das Layout der CMRs zugeschnittene Modifizierung des NGV-Getriebes. Dabei wurde der Motor ohne Adapter direkt an das Getriebe gebaut (Motor-Direkt-Anbau, MDA). Durch den Wegfall des Motoradapters ließ sich die Baulänge entsprechend reduzieren. Zudem wurde das Lagerungskonzept so geändert, dass das Getriebe noch weiter im Radkörper platziert werden konnte. Dadurch steht mehr Raum im Fahrzeug zur Verfügung, um die eingebaute Hebevorrichtung und die Batterie optimal unterzubringen. Die Verzahnungsteile des Standardgetriebes NGV wurden beibehalten und mussten nicht neu ausgelegt werden. Somit waren die Anpassungen schnell und kosteneffizient umzusetzen. Neugart lieferte alle nötigen technischen Informationen und Zeichnung zur Motor-Getriebe-Schnittstelle, zur Dichtung und zum Montageprozess für den MDA, sodass die motorseitige Anpassung problemlos umgesetzt werden konnte.
Modifizierte Standardgetriebe
Wie dieses Beispiel zeigt, muss es also oft gar kein komplett neues Sondergetriebe sein. Denn viele Aufgaben lassen sich auch durch Modifikationen an Standardgetrieben schnell und unkompliziert lösen. So kommen beispielsweise in Verpackungsmaschinen, die für komplexe Anwendungen oft spezifische Antriebslösungen benötigen, häufig modifizierte Standardgetriebe zum Einsatz. Die Basis dafür bildet ein geeignetes Standardgetriebe aus dem breit gefächerten Neugart-Portfolio. Während Gehäuse, Lagerung und Verzahnungsteile dabei unverändert bleiben, können Abtriebswelle, Spannsystem oder Motoradapter auf vielfältige Art und Weise anwendungsspezifisch angepasst werden. Ebenso sind Sonderlackierungen oder spezielle Beschichtungen wie eine Vernickelung möglich.
Entwicklungsaufwand modifizierter Standardgetriebe geringer
Der Vorteil: Der Entwicklungsaufwand ist bei modifizierten Standardgetrieben naturgemäß geringer als bei kompletten Sonderlösungen, da nur wenige Bauteile geändert werden müssen. Häufig werden bestehende Komponenten nur neu kombiniert, um die passende Lösung für den Kunden zu finden. Deshalb ist eine schnelle Verfügbarkeit der Bauteile garantiert. Mustergetriebe wie auch Serienlieferungen können in entsprechend kurzer Zeit realisiert werden. (jg)
Mehr Informationen zum NGV-Getriebe von Neugart