Ein hohes Maß an Flexibilität und eine bestmögliche Anpassung an individuelle Elektronik-Einbauten sind Kernpunkte von Elektronikgehäusen. Zu solch individuellen Elektronik-Einbauten gehören Leiterplatten. Wer Elektronik-Gehäuse konstruiert, muss daher auch über ein gutes Grundlagen-Wissen über Leiterplatten verfügen. Welches, erklärt dieser Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
1. Elektrische Verdrahtung – die 3 Generationen
2. Was ist eigentlich eine Leiterplatte und wozu braucht man sie?
3. Schaltplan
4. Herstellung einer Leiterplatte
5. Typen von Leiterplatten
6. Gefahren, die von einer Leiterplatte ausgehen
7. Gefahren für die Leiterplatte
8. Hintergrund zur elektrischen Festigkeit
9. Veranstaltungstipps
Elektrische Verdrahtung – die 3 Generationen
Die elektrische Verdrahtung war in der Vergangenheit bis heute in mehreren Ausführungen möglich. Ich nenne sie Generationen, denn mit jedem Sprung von einer zu anderen, haben sich bisher immer die Gehäusekonstruktionen enorm geändert, ebenso der Kundennutzen und die -einsatzfälle. Die drei Generationen beginnen mit
- der fliegenden Verdrahtung, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitet war.
- Die zweite Generation ist die heutige weit verbreitete gepresste Leiterplatte,
- die dritte stellt die additiv gefertigte Verdrahtung dar. Diese Variante ist gerade im Aufbau, wir befinden uns gerade beim Beginn des Umbruchs.
Was ist eigentlich eine Leiterplatte und wozu braucht man sie?
Wenn man von der heutigen 2. Generation ausgeht, dann ist die Leiterplatte etwas flaches, starres und stabiles, das die Bauteile und deren Verbindungen fixiert. Der Begriff „Platte“ zeigt mechanisch, dass es primär zweidimensional aufgebaut ist.
Auf Lebensdauer werden die Bauteile mechanisch gehalten und gleichzeitig elektrisch verbunden. Es kommt selten zu großen Abweichungen oder Ausfällen, wenn man zum Beispiel die richtigen Werkstoffe für das Basismaterial wählt. Die Fixierung stellt die elektrische Sicherheit (siehe Kasten Hintergrund) sicher, da sie über die Lebensdauer bestehen bleibt. Die teilweise sehr kleinen und damit mechanisch empfindlichen Strukturen werden stabil gehalten.
Schaltplan
Der Kollege des Elektronik-Konstrukteurs erstellt den Schaltplan dieser Leiterplatte. Er enthält alle Bauteile, die auf der Leiterplatte bestückt werden sollen. Genau hier ist die Zusammenarbeit gefragt, denn die gemeinsam ausgesuchte Technologie entscheidet, welche Bauteile eingesetzt werden. Leider kann es häufig vorkommen, dass der Elektronikentwickler diese Entscheidung selbst fällt und somit das Grundgerüst des Produktes festlegt. Der Mechanik-Entwickler kann und möchte nichts daran ändern, solange er nicht die Grundlagen der Leiterplatte kennt. Mit diesem Grundwissen hätte er die Möglichkeit, die Vor- und Nachteile aller verfügbaren Technologien zu kennen und mitentscheiden zu können.
Darauf aufbauend kann er das Gehäuse konstruieren mit allen notwendigen Eigenschaften. Doch warum sollte er die Technologie mitentscheiden? Die Integration der Elektronik schreitet immer weiter voran. Die Produkte müssen immer kleiner und kompakter werden. Daher wird es notwendig, die Bauteile und deren elektrischen Verbindungen so kompakt wie möglich auszuführen.
Dies bedingt den Entwicklungsprozess, in dem der Elektronikentwickler und der Konstrukteur Hand in Hand arbeiten müssen. Sie setzen gemeinsam jedes Bauteil an die richtige Stelle. Dabei werden sowohl elektrische als auch mechanische Bedingungen betrachtet. Dies können sein:
- Größe
- Technologie
- Stromfluss
- Wärmeentwicklung
- Montage
- Sicherheitsabstände.
Beide müssen Hand in Hand arbeiten und aus dem gesamten Baukasten der Technologien alles nutzen, was möglich und notwendig ist.
Herstellung einer Leiterplatte
Sie fragen sich vielleicht, warum der Konstrukteur etwas über die Leitplattenherstellung wissen muss? Weil er das Wissen haben über die Herstellung haben muss, um mit dem Hersteller optimal kommunizieren zu können. Er muss quasi die Hebel kennen, die zu seinen Gunsten optimiert werden können. Zum Beispiel die Kosten, die Toleranzen, die Ausführungen, die Herstellreihenfolge. Damit kann dann für den Hersteller ein optimales Dokument (Zeichnung) erstellt werden.
Das Gehäuse und die Leiterplatte können somit optimal aufeinander angepasst werden. Sie können das vergleichen mit der Ausbildung/den Praxisphasen, die jeder Konstrukteur während der Ausbildung bzw. dem Studium macht. Dabei steht er ein paar Wochen lang in der Werkstatt an der Drehmaschine, Fräsmaschine, Bohrmaschine und lernt die Herstellprozesse kennen. Denn er wird später Teile entwickeln, die an der Dreh-, Fräs- oder Bohrmaschine bearbeitet werden müssen.
Nun muss jetzt der Konstrukteur nicht unbedingt in einer Firma ein Praktikum machen, die Leiterplatten herstellt – was natürlich trotzdem von Vorteil wäre. Es reicht, die Herstellprozesse so zu kennen, wie sie zum Beispiel über MDI (siehe Veranstaltungstipps) vermittelt werden.
Typen von Leiterplatten
Welche Typen sollte denn der Konstrukteur kennen?
- Da wären zum Beispiel die gepressten Typen, die heute weit verbreitet sind, die FR- Typen (FR wie Flame Retardant). Ich nenne sie FR-x, weil es davon verschiedene Untertypen gibt.
- Dann sollte er die Flex-Typen kennen. Wie kann er flexible Leiterplatten in seinem Gehäusekonzept eindesignen?
- Dann gibt es Kupfertypen mit speziellen Kupfereinlagen, die für die spezielle Kühlung zuständig sind.
- Und schließlich sollte er die MID-Technik (MID=Molded Interconnect Devices oder Mechatronic Integrated Devices) kennen und eben die neuen AME-Technologien, die Additively Manufactured Electronics.
Gefahren, die von einer Leiterplatte ausgehen
Dann zum Thema Gefahren: Welche Gefahren gehen von einer Leitplatte aus? Es kann sein, dass dies die größte Angst eines Mechanikers vor der Elektronik ist. Ich hatte mal ein Erlebnis mit einer Leiterplatte: Ich war auf Weg zu einem Kollegen in einem anderen Büro einer anderen Abteilung – mit einer Leiterplatte in der Hand. Als ich sie auf den Tisch gelegt habe, hat er sofort die Hände in den Himmel gestreckt und gesagt: „Bekomme ich jetzt eine gewischt?“
Sie sollten die Gefahren kennen und eben auch einschätzen können. Mit einer pauschalen Angst vor Elektronik werden Sie nicht ohne Berührungsängste Gehäuse entwickeln können.
Viele Normen und Richtlinien gewährleisten die Sicherheit mit Elektronik. Und diese Sicherheitsanforderungen müssen auch in einem Gerät erfüllt werden. Die Sicherheitsanforderungen unterscheiden sich deutlich zwischen einer Signal- und einer Leistungsschaltung.
Sie müssen aber nicht die Normen durchschauen und nach den Werten suchen, sondern es gibt Fachleute und Fachexperten in dem Bereich. Lassen Sie sich die relevanten Werte geben, denn Sie sind (nur) verantwortlich für die Einhaltung der Sicherheitswerte.
Weitere Gefahren, die noch von Leiterplatten ausgehen können, sind Temperatur (Hitze, Verbrennung) und Lärm. Lärmemissionen können durch z.B. Störung von Bedienpersonen auch große Folgen haben.
Gefahren für die Leiterplatte
Durch ihr Gehäuse muss die Leiterplatte selbst auch vor äußeren Gefahren geschützt werden. Das können sein: äußere Ströme, äußere Spannungen, mechanische Einwirkung und auch Verschmutzung. Alles kann die Leiterplatte zerstören.
Quellen
Bo Hanus. „Der leichte Einstieg in die Mechatronik“. Franzis, Nov. 2009, ISBN: 978-3-772-346040, S.15
Rolf Isermann. Mechatronische Systeme. Bd. 2. Berlin-Heidelberg-New York: Springer Verlag, 2008, ISBN: 978-3-540-32336-5, S. 623
Hintergrund zur elektrischen Festigkeit
Für die Konstruktion eines Gehäuses für Elektronik ist Grundwissen über Elektronik erforderlich. Aber was genau bedeutet „über Elektronik Bescheid wissen“ für einen Konstrukteur? Muss er noch ein Elektrotechnik-Studium absolvieren, bevor er als Konstrukteur mit Elektronik arbeiten kann? Dass das zu weit geht, zeigt schon der Artikel „Mechatronik beherrschen – wie sich moderne Produkte entwickeln lassen“, in dem der Beruf Elektronik-Konstrukteur näher beschrieben wird.
Basis-Wissen eines Konstrukteurs
Wenn der Konstrukteur tätig ist, dann denkt er immer aus der Maschinenbau-Richtung. Auch wenn er Gehäuse für Elektronik entwickelt, auch dann hat er immer sein Maschinenbauwissen im Hintergrund. Und das braucht er zur Lösung der typischen Mechanikaufgaben. Er hat eine Ausbildung oder ein Studium im Maschinenbau absolviert und hat deswegen hier seinen Schwerpunkt. Also, was hat er denn so alles gelernt?
- Er kennt sich aus mit großen Schrauben ab M8.
- Er weiß, was die klassischen Fertigungsverfahren wie Drehen, Fräsen, Bohren oder Schleifen sind
- Er kann Schweißkonstruktionen auslegen
- Er kennt sich aus mit der Festigkeitslehre und Kinematik.
- Er kann große Maschinen konstruieren.
- Erkennt sich aus mit Pneumatik, Turbinen oder Schiffbau oder Werkzeugmaschinen.
Man kann sagen, dass sich der klassische Konstrukteur oder Entwickler aus dem Maschinenbau mit großen, stabilen und massiven Maschinen und Anlagen auskennt. Das ist sein Hintergrund, da kommt er her. Doch was passiert, wenn er es mit Elektronik zu tun hat? Dann muss er umdenken.
Vom Konstrukteur zum Elektronik-Konstrukteur
Es gilt, gewisse Hürden zu überwinden – nicht nur die eben genannten, sondern noch historisch gewachsene. Den Maschinenbau und die Elektrotechnik verbindet viel, es sind beides technische Studiengänge mit langer Tradition. Im Vergleich dazu gibt es viele Misch-Studiengänge, wie Wirtschaftsingenieur oder Mechatronik, die jeweils Teile davon enthalten. Dennoch sind sie von den Inhalten her sehr unterschiedlich. Bo Hanus schreibt darüber: „Der Umstieg von der Mechanik in die Elektronik fällt in den meisten Fällen etwas schwerer als der Umstieg von der Elektronik in die Mechanik. [..] In der Elektronik sind dagegen die meisten Funktionen und Vorgänge optisch nicht nachvollziehbar. Ohne Kenntnisse der theoretischen Grundlagen bleibt dieses Fachgebiet ein undurchschaubares Mysterium.“ Die Entscheidung entweder für Maschinenbau oder Elektrotechnik scheint eine Grundsätzliche zu sein. Selbst bei Mechatronik-Studiengängen/Ausbildungen kommt es im Verlauf zur Festlegung eines Schwerpunktes (Maschinenbau, Elektrotechnik oder Software), abhängig vom Lehrstuhl und der Lehrkräfte.
Nun finden wir uns wieder im 3er-Team in der Produktentwicklung von elektrischen und elektronischen Geräten. Das Team funktioniert nur richtig gut, wenn die oben genannte Hürde überwunden wird. Mit der richtigen Portion an Wissen für den Mechanik-Spezialisten kann er auch Teile der Elektrotechnik mitentscheiden – und so das elektrische/elektronische Gerät von der mechanischen Seite her mitdesignen. Aus Sicht des Autors ist genau das der Schlüssel zu wirklich innovativen Produkten. Die Synergieeffekte, die sich durch das richtige 3er-Team ergeben können, sollte ein Unternehmen nutzen, wenn es hochwertige Produkte verkaufen möchte. Rolf Isermann schreibt zu Synergie-Effekten: „Mechatronics is the synergetic integration of mechanical engineering with electronic and intelligent computer control in the design and manufacturing of industrial products and processes.“
Mechanische und elektrische Festigkeit
In der mechanischen Ausbildung oder dem Studium gibt es den Begriff der mechanischen Festigkeit. Abhängig vom Werkstoff, dem Querschnitt des Körpers und der angelegten Kräfte entstehen unterschiedliche Wirkungen auf den Körper. Das wird sehr vertieft: die mechanische Stabilität eines Bauteils zu beurteilen und normengerecht auszulegen.
Wenn man mit Elektrik/Elektronik zu tun hat, dann gibt es den Begriff der elektrischen Festigkeit. Er beschreibt die elektrisch sichere Auslegung zum Schutz von Leben. Dazu gibt es sehr viele Richtlinien und Normen, die das sicherstellen. Sie als Konstrukteur müssen diese Werke nicht auswendig kennen, sie müssen lediglich wissen, dass es diese gibt. Für die richtigen Sicherheitswerte fragen Sie einfach die Fachleute, die sich damit intensiv auskennen. Aus den Kennwerten des Stromes und/oder Spannungsdifferenz entstehen Sicherheitsabstände, die Sie in ihrem Gehäuseaufbau zu beachten haben. Ist es nicht möglich, die Abstände einzuhalten, erreicht man mit Isolatoren die sicheren Zustände. Beeinflusst werden kann das von Parametern wie Temperatur, Feuchtigkeit, Schmutzpartikeln…
Fazit
Der Konstrukteur muss Wissen über die Mechanik und den Maschinenbau besitzen. Mit Blick auf Elektrik/Elektronik allerdings in etwas anderer Form. Nicht so groß, nicht so stabil, nicht so groß denkend, sondern eher klein. Kleinmaßstab, kleinere Schrauben etc. Aber er muss auch zusätzlich etwas über Elektronik wissen, da kommt er nicht drum herum. Und aus dieser Kombination kann im 3er Team ein innovatives Produkt werden, das intelligente Elektronik enthält.
Mechatronik beherrschen – wie sich moderne Produkte entwickeln lassen
Veranstaltungstipps
Sind auch Sie Konstrukteur von Geräten mit Elektrik/Elektronik und Software? Dann bietet Ihnen der Autor für die Weiterbildung zwei Wege an:
- Mit der Akademie MDI – Mechatronisches Design und Innovationen. Dieses Angebot will gezielt die Konstruktion von Geräten mit Elektronik/Software unterstützen und damit die wichtigen Innovationen unserer Zeit voranbringen.
- Das oben beschriebene Buch „Leitfaden für den innovativen Elektronik-Konstrukteur – Band 1: Grundlagen und die Leiterplatte“, das aktuell erschienen ist und über die angegebene Website oder in allen bekannten Buchshops erhältlich ist.
Für die Weiterbildung werden aktuell angeboten:
- E-Mail-Lernkurs:
Über ein Jahr verteilt bekommen die Lernenden E-Mails zugesendet, mit denen sie sich selbst weiterbilden können. Optional können zusätzlich Lernvideos zur Vertiefung, pdf-Dateien zum Ausdrucken und Live-Webinare mit Q&A hinzugebucht werden. Lerninhalte sind alle Themen des Buches, also das Leiterplatten-Know-how für Elektronik-Konstrukteure.
Weitere Details zu E-Mail-Lernkurs und Optionen - Präsenz-Seminar:
In einem 2-Tagesseminar werden die Teilnehmenden mit den obigen Inhalten live vor Ort geschult. Musterteile zum Anfassen machen alles erleb- und erlernbarer.
Weitere Infos zu Ort und Terminen