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Inhaltsverzeichnis
1. Rekuperation spart Energie
2. In DC-Netzen genügt eine zentrale Energiewandlung
3. DC-Lösungen von Lapp für den Kraftfahrzeugbau
4. DC-Kabel für Roboter
5. Weniger Leiter senken den Kupferbedarf
6. Testanlagen für DC-Betrieb
7. ODCA übernimmt von DC-Industrie2
Fertigungsanlagen im Automobilbau arbeiten mit einem immer höheren Grad an Automatisierung – und damit brauchen sie viel Strom, damit eine große Zahl an Robotern mit hoher Präzision stanzen, schweißen, nieten und kleben kann. „In Zukunft wahrscheinlich mehr und mehr Gleichstrom“, präzisiert Alois Heimler, Strategic Marketing Manager Intralogistik & Automotive bei Lapp: „Das Zauberwort heißt weniger Spannungswandlungen.“ Das Stuttgarter Unternehmen ist Experte für Gleichstrom – und mit seinen Kabel- und Verbindungslösungen auch an entsprechenden Pionierprojekten beteiligt.
Eines dieser Projekte ist die Umstellung einer ganzen Karosseriebauanlage auf Gleichstrom beim bayerischen Automobilhersteller BMW. Betreten Besucher die Produktionsanlage in Dingolfing, bleibt ihnen der Zauber der Spannungswandlungen allerdings zunächst verborgen. Sämtliche Roboter und Maschinen arbeiten wie gewohnt in gleicher Geschwindigkeit und Präzision. Bauteile tauchen nach und nach in die Fertigungsstraße ein, durchlaufen Arbeitsschritt um Arbeitsschritt und werden der finalen Karosserie von Minute zu Minute ähnlicher. Dass die Anlage mit Gleichstrom läuft – in unserer Wechselstrom-Welt eine bisher noch seltene Form der Energieversorgung im industriellen Umfeld – erschließt sich erst auf den zweiten Blick.
Rekuperation spart Energie
Gerade im Karosseriebau lohnt sich die Umstellung von Wechsel- auf Gleichstrom. Ein großer Teil des Stromverbrauchs einer Industrieanlage entfällt auf Maschinen und Roboter – doch lassen sich hier große Einsparpotentiale heben, insbesondere bei hochdynamischen Prozessen von Industrierobotern. Diese bewegen sich auf programmierten Bahnen, um die einzelnen Bauteile einer Karosserie zu einem Fahrzeug zusammenzufügen. Dabei beschleunigen sie kurzzeitig und bremsen dann wieder ab. Das bedeutet, dass ein Roboter kurzzeitig viel Energie entnimmt, um einen Bewegungsablauf zu initiieren – und dabei die Energie in kinetische Energie wandelt.
Beim Abbremsen oder im Senkbetrieb lässt sich dann über den Generatorbetrieb der Antriebe wieder elektrische Energie zurückgewinnen. Allerdings wird diese in Wechselstromsystemen (AC) in der Regel nicht gespeichert und geht als Wärmeenergie verloren; bisher wurden Bremswiderstände eingesetzt, um die überschüssige Energie zu „verbrennen“.
Anders im Gleichstromnetz (DC): „Hier wird die Energie in den DC-Zwischenkreis, andere DC-Verbraucher oder Energiespeicher gespeist“, fährt Alois Heimler fort. „Somit kann die Energie, die bei Abbremsvorgängen frei wird, ohne große Wandlungsverluste zentral für alle Verbraucher in das Netz zurückgeschickt werden.“ Diese Rekuperation erlaubt damit auch den direkten Energieaustausch zwischen allen Antrieben.
Frequenzumrichter für DC-Netze für eine energieeffiziente Industrie
In DC-Netzen genügt eine zentrale Energiewandlung
Da gerade in Zeiten, in denen das Thema Nachhaltigkeit immer stärker im Fokus steht, das Einsparen von Energie immer relevanter wird, kann sich die Verwendung bislang ungenutzter Bremsenergie als sehr nützlich erweisen. Und das ist nicht der einzige Vorteil, den DC-Netze mit sich bringen: Anstatt vieler dezentraler Wandlungen von AC zu DC gibt es nur noch eine zentrale Energiewandlung, die alle Anlagen mit Gleichstrom versorgt.
Bonuspunkt: Kommt der Strom aus einer regenerativen Quelle wie beispielsweise der Photovoltaik, steht er direkt in Form von Gleichstrom zur Verfügung – und kann direkt genutzt werden, wenn zunehmend auch die entsprechenden Verbraucher für Gleichstrom ausgelegt sind.
„Gleichspannung ist demnach ein Kernelement für die Energiewende“, betont Heimler. Die genauen Einsparungen bei einer Umstellung auf DC variieren je nach Anlage und ihrer Auslastung. Ergebnisse zwischen 15 und 20 % sind jedoch realistisch.
DC-Lösungen von Lapp für den Kraftfahrzeugbau
Dieser Nachhaltigkeitsgedanke beschäftigt Lapp bereits seit einigen Jahren, weswegen das Unternehmen als erster Hersteller ein Leitungsportfolio für verschiedene Anwendungen im Niederspannungsbereich entwickelt hat – und das stößt auf immer größeres Interesse. Auch in der Karosserieproduktion in Dingolfing kommen die Lösungen von Lapp zum Einsatz. Darunter die Ölflex DC 100. Mit ihrer speziellen Konstruktion für den Langzeitbetrieb und einer maximalen Spannung von 0,75 bzw. 1,5 kV bietet sie die optimale Grundlage für energieeffiziente DC-Netze in industriellen Anlagen – was sie zur ersten Wahl für Automobilhersteller macht.
Ebenso verbaut ist die Ölflex DC Grid 100. Durch ihren flexiblen und feindrähtigen Aufbau ist sie als DC-Starkstromkabel für Gleichstromnetze industrieller Anlagen sowohl in trockenen, feuchten als auch nassen Umgebungen einsetzbar. Somit eignet sie sich ideal für Steuerungsanlagen, Motoren und Frequenzumrichter.
DC-Kabel für Roboter
An der siebten Achse der Roboter in der Anlage kommt die Ölflex DC Robot zum Einsatz. In der Automobilfertigung sind die Anforderungen an Robotikanwendungen hoch. Das Kabel wurde speziell entwickelt, um diesen extremen Bedingungen standzuhalten. Durch seine besondere Flexibilität und gleichzeitige Widerstandsfähigkeit gegenüber Biegungen sowie Rotationen, kann das Kabel den Robotern präzise Bewegungen ermöglichen. Seine kompakte Bauweise spart darüber hinaus wertvollen Platz.
Auch für bewegliche Anwendungen hat Lapp die passende Lösung. Die Ölflex DC Chain 800 kann in Schleppketten mit langen Verfahrwegen oder hohen Beschleunigungen eingesetzt werden. Durch ihre kurze Aderverseilung ermöglicht sie kleinste Biegeradien. Ihr Außenmantel, der aus speziell entworfenem thermoplastischem Polymer gefertigt ist, weist eine hohe Beständigkeit gegenüber Chemikalien und Ölen auf.
Weniger Leiter senken den Kupferbedarf
Gegenüber den üblichen AC-Leitungen haben alle genannten Verbindungslösungen noch einen weiteren Vorteil: Während für Wechselspannung 5-adrige Leitungen benötigt werden, kommen bei Gleichspannung ein bis zwei Leiter weniger zum Einsatz. Durch die geringere Anzahl an Leitern verringert sich entsprechend auch der Materialeinsatz. Somit wird für DC-Leitungen weit weniger Kupfer benötigt als für die AC-Pendants. Das macht sie darüber hinaus deutlich platzsparender – und gerade für Anwendungen unter beengten Platzverhältnissen oder auch in Schaltschränken interessant. Insgesamt können so etwa 40 % an Material eingespart werden.
Testanlagen für DC-Betrieb
Die Karosseriebauanlage im BMW-Group-Werk Dingolfing ist ein Anwendungspilot, der die DC-Technologie derzeit in der Praxis testet. Sie wurde als Teil des Projekts DC-Industrie2 initiiert, das die Chancen und Herausforderungen der DC-Technik in industriellen Produktionsanlagen untersuchte. Auf lange Sicht ist geplant, ganze Fabrikhallen auf Gleichstrom umzustellen. Die Ergebnisse des inzwischen abgeschlossenen DC-Industrie2-Projekts sind hierfür richtungsweisend, um energieeffiziente Lösungen und Standards zu kreieren.
Lapp beteiligte sich als Projektpartner an dem deutschen Forschungsprojekt – und die im Rahmen des Projekts entstandene Ölflex DC 100 ist heute als Serienprodukt auf dem Markt. Den Automobilhersteller und Lapp verbindet aber nicht nur die gemeinsame Teilnahme an dem Forschungsprojekt, sondern auch eine langjährige Partnerschaft. DC-Leitungen mit besonderen Leitungsquerschnitten wurden von Lapp eigens und in kürzester Zeit für die Dingolfinger als Prototyp entwickelt und gefertigt.
„Wir glauben daran, dass in Zukunft mehr und mehr Produktionsanlagen mit Gleichspannung versorgt werden“, fasst Alois Heimler zusammen. Das bestätigt auch das große Interesse, das dem DC-Portfolio von Lapp vermehrt zukommt und als wichtiger Schritt in Richtung Energiewende gesehen werden kann. Dementsprechend richtet sich das Familienunternehmen für die Zukunft aus und hat nicht nur die globale Forschung und Entwicklung, sondern auch die Steuerung von Labor- und Testzentrumsaktivitäten neu aufgestellt, um schneller und agiler auf die Entwicklungen in der Industrie reagieren zu können. (co)
Mehr zum Angebot für Gleichspannungsnetze
ODCA übernimmt von DC-Industrie2
Sowohl BMW als auch Lapp waren Teil des Forschungsprojekts DC-Industrie2. Aufgabe war, ein Konzept für ein intelligentes DC-Versorgungssystem zu entwickeln. Getestet wurde unter anderem, ob ein DC-System eine Produktionshalle günstig mit Gleichstrom versorgen kann. Lapp erforschte in dem Projekt die Langzeitstabilität von Isolationsmaterialien für DC-Kabel und -Leitungen. Das Projekt fand im März 2023 einen erfolgreichen und planmäßigen Abschluss mit dem Fazit: DC eignet sich für ein nachhaltiges, elektrisches Netz und kann leicht in die Produktion eingebunden werden.
Die Erkenntnisse werden in der vom ZVEI in Kooperation mit Unternehmen aus Industrie, Wissenschaft und Forschung gegründeten Arbeitsgemeinschaft Open Direct Current Alliance (ODCA) aufgenommen und weiterentwickelt, um die Entwicklung und Markteinführung von Gleichstromnetzen voranzutreiben. Mit 56 beteiligten Unternehmen (33 beim Start im Jahr 2022), darunter auch Lapp, setzt sich die ODCA für eine ressourcenschonende und CO2-neutrale Welt ein. Durch den Einsatz von Gleichstromtechnologie strebt die Allianz eine effizientere Energieübertragung an, um das gesellschaftliche Ziel der Nachhaltigkeit zu unterstützen.