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Inhaltsverzeichnis
1. Funktionsweise einer Sicherheitsbremse
2. Bauarten von Sicherheitsbremsen
3. Der Unterschied zwischen „Bewegung stoppen“ und „Last sicher halten“
4. Tipps zum Einsatz einer Sicherheitsbremse
5. Angaben zur Dimensionierung
6. Aufbau redundanter Sicherheits-Bremssysteme
7. Monitoring und Predictive Maintenance
8. Tipps zur Auswahl von Sicherheitsbremsen
Funktionsweise einer Sicherheitsbremse
KEM Konstruktion|Automation: Wie funktioniert eine Sicherheitsbremse?
Bernd Kees (mayr Antriebstechnik): Das Wichtigste bei einer Sicherheitsbremse ist, dass sie nach dem grundlegenden Prinzip der Energie-Trennung arbeitet. Das heißt, die Bremse ist auch dann geschlossen, wenn keine Energie von außen zugeführt wird. Denn bei Stromausfall oder in einem anderen Havariefall muss die Bremse sicher schließen. Sonst könnte eine Last, zum Beispiel bei einer vertikalen Achse, abstürzen.
Wir bei mayr haben uns hohe Anforderungen auferlegt, um ein solches Produkt Sicherheitsbremse nennen zu dürfen. Das heißt, wir halten weitere Kriterien ein:
- Es müssen immer kurze Schaltzeiten gewährleistet sein, um kurze Anhaltewege zu realisieren, damit die Last schnell zum Stehen kommt.
- Bei der Dimensionierung einer Sicherheitsbremse achten wir darauf, dass die eingesetzten Komponenten sicherheitsorientiert dimensioniert sind. Das bedeutet beispielsweise, dass die Bauteile mit ausreichender Festigkeit gefertigt sind.
- Zudem ist eine sichere Federkraft wichtig, denn Sicherheitsbremsen sind bei mayr immer Federdruckbremsen, bei denen das Bremsmoment oder die Bremskraft durch Druckfedern erzeugt wird. Wir verwenden daher mehrere Federn, das heißt: Sollte wirklich eine Feder ausfallen, verbleibt die Federkraft der anderen Federn. Zudem verbauen wir die Federn so, dass selbst bei der gebrochenen Feder eine Kraft verbleiben würde.
Bei uns werden Sicherheitsbremsen im Werk zusammengebaut, anschließend auf einem End-Prüfstand geprüft und dort die Daten erfasst und dokumentiert, mit denen die Bremse das Haus verlassen hat.
Bauarten von Sicherheitsbremsen
KEM Konstruktion|Automation: Welche Bauarten von Sicherheitsbremsen gibt es?
Kees: Die Bauarten von Sicherheitsbremsen sind sehr vielfältig. Auf unserer Website erhält man einen Überblick über die vielen verschiedenen Modelle. Am häufigsten sind Sicherheitsbremsen, die rotierende Bewegungen abbremsen, aber es gibt auch Sicherheitsbremsen, die lineare Bewegungen abbremsen. Bei allen Modellen erfolgt das Schließen über Federkraft. Geöffnet werden die Bremsen nach drei verschiedenen Prinzipien: Meistens elektromagnetisch, aber es gibt auch pneumatische oder hydraulische Lösungen.
Die Bremsen kommen an verschiedenen Einbaupositionen zum Einsatz; die rotierenden Bremsen zum Beispiel im Motor, hinter oder vor dem Motor, an der Spindel oder an einem freien Wellenende. Unsere Linearbremsen sind an einer separaten Kolbenstange, an einer Zahnstange oder auch direkt an der Führungsschiene angebracht.
Darüber hinaus gibt es spezielle Branchenlösungen, beispielsweise für die Aufzugstechnik oder die Bühnentechnik. Bei diesen Anwendungen werden im Normalfall Doppelbremsen verwendet. Diese müssen sehr leise öffnen und schließen, weil die Schaltgeräusche im Aufzug oder in der Bühnentechnik irritieren oder stören würden. Weitere Anwendungen mit speziellen Anforderungen gibt es in anderen Branchen, wie etwa dem maritimen Bereich. Hier werden spezielle korrosionsgeschützte Ausführungen benötigt, die zudem sehr robust aufgebaut sind.
Der Unterschied zwischen „Bewegung stoppen“ und „Last sicher halten“
KEM Konstruktion|Automation: Sicherheitsbremsen sollen Bewegungen stoppen und Lasten sicher halten. Gibt es Unterschiede zwischen Sicherheitsbremsen für die Aufgaben „Bewegung stoppen“ und „Last sicher halten“?
Kees: Im Feld sind inzwischen die meisten Anwendungen sogenannte Halte-Anwendungen, in denen die Bremsen im Normalbetrieb im Stillstand geschlossen werden und die stehende Last halten. Sicherheitsbremsen müssen jedoch grundsätzlich beides können. Sie stehen für einen sicheren Halt, müssen im Störfall wie beispielsweise bei Stromausfall aber auch dynamisch bremsen können. Deshalb sind unsere Bremsen für beides geeignet.
Wenn Bremsen speziell für sehr hohe und/oder sehr häufig auftretende dynamische Reibarbeiten ausgelegt werden, gibt es dafür wieder eigene Lösungen mit speziellen Reibbelägen, teilweise veränderter Federkraft, um eine höhere Verschleiß-Reserve zu bekommen und gegebenenfalls werden auch die Bauteile stärker dimensioniert, um eine bessere Energieaufnahme zu ermöglichen.
Standardbaukasten bringt mehr Orientierung bei der Auswahl von Roboterbremsen
Tipps zum Einsatz einer Sicherheitsbremse
KEM Konstruktion|Automation: Was müssen Konstrukteure und Konstrukteurinnen beim Einsatz einer Sicherheitsbremse beachten?
Kees: Der erste Schritt ist, die richtige Sicherheitsbremsen-Bauform auszuwählen. Die Auswahl erfolgt in Abhängigkeit von der jeweiligen Anwendung, den geltenden Vorschriften, den jeweiligen Anbaumöglichkeiten sowie den herrschenden Umgebungsbedingungen. Typenabhängig bieten wir dem Konstrukteur zur Unterstützung eine Validierungshilfe zur Bremsenbaureihe.
Wenn der Konstrukteur/die Konstrukteurin so weit ist, dass er die richtige Bremse gewählt hat, ist die richtige Auslegung wichtig. Also die Frage, ob die Sicherheitsbremse beispielsweise ein ausreichendes Haltemoment für das Halten der Last hat. Wichtig ist dann aber auch, die Dynamik zu betrachten. Die Sicherheitsbremse muss die Energie, die bei einer dynamischen Bremsung – etwa einem Not-Stopp – auftritt, ‚vernichten‘ können und muss die Last entsprechend dem vorgegebenen Weg und der vorgegebenen Zeit abbremsen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist anschließend der Bremsen-Test. In sicherheitskritischen Anwendungen mit hohem Gefährdungspotential kann es erforderlich sein, die Bremse in der Anwendung auf ihr Bremsmoment zu testen. Auch das muss bereits in der Auslegung berücksichtigt werden. Für die Sicherheitsbetrachtung müssen dann auch Sicherheitskennwerte für die Bremse vorhanden sein.
Angaben zur Dimensionierung
KEM Konstruktion|Automation: Wie sollte eine Sicherheitsbremse dimensioniert sein?
Kees: Zur Dimensionierung sind die erforderlichen Bremsmomente, der zur Verfügung stehende Bauraum und die Anbaumöglichkeiten wichtig. In den verfügbaren Bauraum muss eine Bremse passen, die ausreichend Bremsmoment hat. Man beginnt in der Regel mit einer Vorauswahl. Bei vertikalen Achsen bestimmt man meist ausgehend von einem Lastmoment ein Haltemoment mit entsprechender Sicherheit dazwischen. Diese Sicherheit liegt üblicherweise bei einem Faktor zwischen 1,5 und 3. Der genaue Wert hängt von der jeweiligen Anwendung ab. Es gibt zum Teil normative Vorschriften, mit welchen Sicherheiten gearbeitet werden muss. Zudem spielt der Gefährdungsgrad diesbezüglich eine Rolle. In anderen Fällen beginnt die Dimensionierung mit dem Motormoment, zum Beispiel dann, wenn ein Antriebshersteller einen Motor in verschiedenen Anwendungen einsetzt. Dieser Hersteller kann am Ende gar nicht immer sagen, ob und welche Lastmomente auftreten. Deswegen geht man hier vom Motormoment aus. Das heißt für die Vorauswahl kommen diese zwei Ansätze zum Tragen: Lastmoment und Motormoment.
Wichtig ist bei der Auslegung, neben dem Halten auch die dynamische Bremsung zu betrachten. Welche Reibarbeiten werden beim Bremsen erzeugt und sind diese zulässig? Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Schaltzeiten. Denn in vertikalen Achsen können Lasten zusätzlich beschleunigen, bevor das System zum Stillstand kommt. Auch in diesem Fall darf es eben nicht passieren, dass man die zulässigen Werte überschreitet. Das Ganze, also Totzeiten im System, Schaltzeit der Bremse und der Bremsweg, müssen berücksichtigt werden. Dazu kommen maximal zulässige Verzögerungswege und -zeiten, die für die jeweilige Anwendung eingehalten werden müssen. Letztendlich sind diese Parameter anwendungs- und branchenabhängig; die entsprechenden Angaben mit den zulässigen Werten der Bremsen finden sich in der zugehörigen Dokumentation.
Aufbau redundanter Sicherheits-Bremssysteme
KEM Konstruktion|Automation: Welche Möglichkeiten gibt es, auch redundante Systeme aufzubauen?
Kees: In der Bühnentechnik wurden bisher zumeist klassische Doppelbremsen verwendet. Das sind zwei Bremsen, die gleich aufgebaut sind und hintereinander montiert werden. Ein Novum für die Bühnentechnik sind unsere Roba-stop-stage-Bremsen. Diese bieten mit zwei Bremskreisen die nötige Redundanz, haben aber nur das einfache Bremsmoment. Normalerweise bedeuten zwei Bremskreise auch doppeltes Bremsmoment. Die Störfallbelastung ist also hoch, wenn beide Bremskreise einfallen. Das ist bei den Roba-stop-stage-Bremsen eben nicht der Fall. Sie bremsen sanft und bauteilschonend.
Daneben gibt es baumustergeprüfte Bremsen, bei denen die Redundanz anders gelöst wird und nicht alle Teile doppelt vorhanden sind. Bei diesen Lösungen handelt es sich um homogene Redundanzen. Andere Redundanz-Lösungen, bei denen zwei Bremsen unterschiedlicher Bauart an zwei verschiedenen Stellen zum Einsatz kommen, bezeichnet man als diversitäre Redundanz. Diese haben den Vorteil, dass bei Auftreten eines Fehlers mit hoher Wahrscheinlichkeit nur eine Bremse betroffen ist.
Monitoring und Predictive Maintenance
KEM Konstruktion|Automation: Wie lassen sich Sicherheitsbremsen überwachen?
Kees: Es gibt verschiedene klassische Überwachungsmöglichkeiten von Mikroschaltern über Näherungsinitiatoren und Hall-Sensoren bis hin zu Temperatur-Sensoren. Daneben bietet mayr Monitoring-Lösungen mit dem Modul Roba-brake-checker an. Das Modul versorgt die Bremse einerseits mit der benötigten Gleichspannung und überwacht gleichzeitig die Bremse durch die Auswertung von Strom- und Spannungskurve. Auf diese Weise kann das Überwachungsmodul feststellen, ob die Bremse geschaltet hat, ob sie offen oder geschlossen ist. Darüber hinaus können Anomalien festgestellt werden, etwa ob die Bremse überhitzt ist. Und man sieht, wie sich die Schaltkurve über die Lebensdauer verändert und kann somit auch auf den Verschleiß der Bremse schließen. Das geht dann in Richtung Predictive Maintenance, denn dadurch kann man rechtzeitig eingreifen und eine Wartung einplanen, damit es nicht zu ungeplanten Stillständen kommt.
Tipps zur Auswahl von Sicherheitsbremsen
KEM Konstruktion|Automation: Welche Tipps können Sie zum Einsatz von Sicherheitsbremsen geben?
Kees: Das Wichtigste ist für uns, dass wir möglichst umfassende Informationen vom Anwender über die Anwendung erhalten. Denn mit diesen Informationen können wir in den Dialog mit dem Kunden treten und so möglichst exakt die Anforderungen an das Bremssystem definieren und gemeinsam die richtige Lösung finden. Darüber hinaus stellt mayr Validierungshilfen für die Bremssysteme bereit. Das heißt, dass auf diese Weise auch der Konstrukteur, der bewerten muss, ob er die richtige Bremse für seine Anwendung hat, schon einen Abgleich machen kann, ob dieses Bremssystem für ihn gut passt. Will heißen: Wir unterstützen ihn bei der Bewertung seiner Sicherheitsstruktur nach DIN EN 13849-2 bezüglich dem Thema Bremse. Sicherheitskennwerte sind zudem ein wichtiges Thema. Diese sind bei sicherheitskritischen Anwendungen erforderlich.
Zum Schluss, wenn wir gemeinsam mit dem Kunden die Lösung ausgewählt haben und er die Bremse in sein System integriert hat, ist es wichtig, das Bremssystem in der Anwendung einer Applikationsprüfung zu unterziehen – damit in der Praxis alles funktioniert wie vorgesehen.
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