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Inhaltsverzeichnis
1. Nach Tesla setzt auch Volvo auf Megacasting
2. Messe Euroguss präsentiert das Megacasting
3. Megacasting erfordert immer größere Maschinen
4. Fertigung ist kein Selbstläufer
5. Ökonomische Aspekte des Megacastings
6. Chancen auch für „kleinere“ Maschinen
7. Weitere Anwendungsgebiete für das Megacasting
Mit der Verwendung von Megacasting im Tesla Model Y scheint sich der Einsatz von großen und komplexen Strukturen aus Aluminiumdruckguss in der Serienproduktion etabliert zu haben. Eine Entwicklung, die noch vor einigen Jahren nicht vorhersehbar war.
„Das hat, glaube ich, in der Fachwelt keiner so richtig erwartet“, sagt Professor Dr. Günther Schuh von der RWTH Aachen University. Der Lehrstuhlinhaber für Produktionssystematik beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Fragen des Innovations- und Technologiemanagements und der industriellen Produktion, und der Unternehmer ist CEO der e.Volution GmbH. Über diese treibt er die Entwicklung der ersten echten Circular-Economy-Fahrzeuge der Welt voran. „Dass wir Megacasting in dieser Größenordnung sehen, ist schon überraschend genug. Besonders beeindruckend finde ich aber, das Verfahren zu einem Großserienprozess gemacht zu haben“, stellt er fest.
Nach Tesla setzt auch Volvo auf Megacasting
Tesla hat es vorgemacht, andere OEM springen nun auf den Zug auf. Ab 2025 will Volvo das Megacasting in seinem Stammwerk zur Produktion von Elektroautos nutzen. Dabei soll ein beträchtlicher Anteil des Fahrzeugbodens zusammenhängend gegossen werden. Weitere Autohersteller, insbesondere in China, gießen bereits große Strukturbauteile für ihre Fahrzeuge oder planen dies. Jüngst hat auch Toyota entsprechende Ankündigungen gemacht.
Messe Euroguss präsentiert das Megacasting
Megacasting scheint die Automobil- und die mit ihr eng verbundene Druckgussbranche zu elektrisieren. So ist es kein Wunder, dass auch internationale Fachmessen wie die im Januar 2024 bevorstehende Euroguss in Nürnberg (16. bis 18. Januar 2024) die neue Technologie samt der dazugehörigen Wertschöpfungskette präsentieren. „Die Besucher der Messe werden hier alles Wissenswerte über diesen Trend erfahren und alle relevanten Anbieter antreffen“, berichtet Euroguss Executive Director Christopher Boss. „Wir wissen, dass dies derzeit eines der beherrschenden Themen der Branche ist und geben deshalb der Präsentation des Mega- und Gigacastings entsprechenden Raum.“
Megacasting erfordert immer größere Maschinen
Gegossen werden die großen Strukturteile auf riesigen leistungsstarken Anlagen, die in den letzten Jahren neu entwickelt wurden. Über 400 t schwer, 20 m lang, 6 m hoch und 6 m breit sind die Maschinen, auf denen aktuell komplexe Teile mit einer Grundfläche von 1,5 x 1,5 m produziert werden können.
Doch damit scheint die Entwicklung nicht abgeschlossen. Sind aktuell 9.000 t Schließkraft bei einer Aluminium-Druckgießzelle das Maß der Dinge, sind in China mittlerweile 20.000-t-Anlagen in der Projektierung. Wird es damit tatsächlich eines Tages möglich sein, den Body eines Pkws, wie bei einem Matchboxauto, aus nur ganz wenigen Teilen herzustellen?
Fertigung ist kein Selbstläufer
„Auf dem Papier kann man natürlich Maschinen mit immer größeren Schließkräften entwerfen“, erklärt Professor Dr. Martin Fehlbier, Lehrstuhlinhaber für Gießereitechnik an der Universität Kassel. „Was meiner Meinung nach fehlt, sind weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, welche Problematiken speziell bei Bauteilen mit extrem langen Fließwegen auftreten – wenn man sich zum Beispiel einem Batteriekasten mit einer Grundfläche von 2 x 2 m nähert. Hier fehlen neben grundlegenden Untersuchungen begleitend zum Großgussprozess entsprechend weiterentwickelte innovative Technologien und Methoden. Das ist kein Selbstläufer, es gibt noch ganz viel zu tun und zu bewerten, um zu guten Megacasting-Gussteilen und nachhaltigen Prozessen zu kommen.“
Ökonomische Aspekte des Megacastings
Neben der Frage nach der technologischen Machbarkeit muss die nach der Sinnhaftigkeit weiteren Größenwachstums gestellt und beantwortet werden. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch unter ökonomischen Aspekten geboten: „Ab einer gewissen Größe wächst die Herausforderung, den gesamten Prozess wirtschaftlich zu gestalten“, sagt Cornel Mendler, Managing Director Die Casting bei Bühler, einem der führenden Hersteller von Megacasting-Anlagen. „Die Geräte in der Druckgießzelle sowie die vor- und nachgelagerten Prozesse müssen ebenfalls auf diese Kapazitäten ausgelegt und optimal aufeinander abgestimmt sein, um eine effiziente Produktion zu ermöglichen.“
2022 konnte Bühler Volvo Cars von seiner Technologie überzeugen: Der schwedische Premium-Hersteller orderte zwei Druckgießzellen Bühler Carat 840 für sein Werk in Torslanda.
Chancen auch für „kleinere“ Maschinen
Professor Martin Fehlbier weist darauf hin, dass die Möglichkeiten kleinerer Gießmaschinen wohl noch nicht ausgeschöpft sind: „Es gibt sehr interessante Ansätze, auch auf Gießzellen etwa der 4.000er-Reihe große Teile herzustellen, indem man zum Beispiel die maximalen Spitzendrücke vermeidet oder auch die 3-Plattentechnologie mit geringerer Sprengfläche einsetzt. Hier sind die Grenzen dessen, was auch auf vergleichsweise kleineren Maschinen geht, noch nicht ausgereizt.“
Diesen Weg will man bei Volkswagen beschreiten. Im Gegensatz zum Wettbewerb nutzt die Volkswagen Group Components Gießerei in Kassel bestehende Anlagen für eine effizientere Produktion. „Das Herstellungsverfahren beinhaltet innovative Schritte wie den Anguss in der Mitte für kurze Fließwege und die Vermeidung von Überläufen. Elemente wie neuartige Entlüftungsventile verhindern Gasporositäten beim Gießen. Die gezielte schiefe Konstruktion der Form hilft und führt zum Ausgleich der thermischen Verzüge beim Abkühlprozess. Nach dem Gießen werden der Angussbereich und die Entlüftungsventile abgestanzt und sofort eingeschmolzen“, erläutert Mirco Wöllenstein, Leiter der Gießerei in Kassel. Unter Serienbedingungen wurden bereits über 1.000 Hinterwagen gegossen, um die Taktzeit und Qualität zu gewährleisten.
Weitere Anwendungsgebiete für das Megacasting
Möglicherweise bleibt der Einsatz der ganz großen Maschinen also jenen OEMs vorbehalten, die auf der grünen Wiese Werke für neue Fahrzeugmodelle errichten – nach übereinstimmender Meinung von Fachleuten ein Vorteil gegenüber jenen, die über eingespielte Montagelinien verfügen.
Eine weitere Frage ist, ob große Strukturbauteile aus Aluminium-Druckguss auf den Automobilbau beschränkt bleiben. Einige Experten sehen weitere Anwendungsmöglichkeiten in anderen Bereichen. „Ich glaube an ein noch größeres Wachstum des Mega- und Gigacastings außerhalb des Pkw-Baus“, zieht Professor Günther Schuh ein Fazit. Für vielversprechend hält er den Einsatz im Flugzeugbau. (co)
Die Messe Euroguss findet von 16. bis 18. Januar 2024 in Nürnberg statt.
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