Firmen im Artikel
Inhaltsverzeichnis
1. Schaltschranklose Automatisierung als Alternative
2. Steckbare Verbindungen vereinfachen die Vormontage
3. Standzeiten in der Fertigung sinken
4. Auch Endanwender profitieren von der schaltschranklosen Automatisierung
5. Erfolgreicher Start in die schaltschranklose Automatisierung
6. Merkmale der neuen Maschine
7. Fenster- und Türenbau ist Hightech
Unterschiedlichste und häufig wechselnde Profilgeometrien beherrschen Schirmer-Maschinen für die Profilbearbeitung vor allem aufgrund der automatischen Umrüstung. „Manuelles Rüsten ist bei uns tabu“, erläutert Ludger Martinschledde, Geschäftsführer der Schirmer Maschinen GmbH. Dementsprechend sind viele Anschläge und Halterungen vollautomatisch zu positionieren. „Im letzten Jahr haben wir beispielsweise eine Linie mit insgesamt 210 Achsen realisiert – die Anforderungen an die Steuerungsplattform sind also hoch.“ Entlang einer Maschine wurden dazu bislang immer mehrere Schaltschränke aufgestellt, um Antriebsverstärker, Netzteile, Energieverteilung sowie die Steuerungstechnik aufzunehmen. Dazu wurden dann Kabel zu typischerweise zwei bis drei Prozessmodulen gelegt und angeschlossen. Um die Aktoren und Sensoren der einzelnen Prozessmodule anzusteuern, kamen in Unterverteilern zudem Ethercat-I/Os zum Einsatz.
Die bislang eingesetzte elektrische Ausrüstung entspricht zwar dem Status quo – der Aufbau in Schaltschränken bringt aber einen entscheidenden Nachteil mit sich. „Elektrische Installation und Inbetriebnahme finden zum größten Teil erst bei der Endmontage statt – und damit zu einem Zeitpunkt, an dem wir eigentlich die Anlage schnellstmöglich in Betrieb nehmen und danach wieder demontieren und ausliefern wollen“, so Ludger Martinschledde weiter. Diese Diskrepanz zwischen dem Modul-Konzept der Maschine und den zentralen Schaltschränken wurde deswegen von Schirmer als Hemmschuh für einen effizienteren Projektdurchlauf identifiziert.
Schaltschranklose Automatisierung als Alternative
Um so mehr wurden Martinschledde und seine Konstrukteure hellhörig, als sie 2021 von den Möglichkeiten der komplett schaltschranklosen Automatisierung mit dem MX-System von Beckhoff hörten. „Das Team erkannte sofort das Potential dieser Lösung für den modularen Maschinenbau“, erinnert sich Daniel Siegenbrink, Produktmanager MX-System bei Beckhoff. Das MX-System setzt Schirmer nun erstmals ein mit dem Ziel, die Durchlaufzeiten und Abläufe beim Bau seiner Maschinen zu optimieren.
Anstelle der Schaltschränke, die bislang neben den Maschinen stehen, sind nun MX-System-Baseplates direkt an den Stahlgestellen der Prozessmodule angebracht. Die Aufgaben der Unterverteiler wurden entweder auch in dem MX-System untergebracht oder sie sind durch dezentrale I/O-Module (Ethercat-Box-Module) von Beckhoff ersetzt worden. Diese Kombination aus MX-System und Ethercat-Box-Modulen ermöglicht es, dass sämtliche Leitungen zu den Motoren, Sensoren sowie den Ventilinseln steckbar sind.
Steckbare Verbindungen vereinfachen die Vormontage
Der entscheidende Vorteil des MX-Systems liegt für Schirmer in der Umstrukturierung der internen Abläufe. Mit dieser steckbaren Systemlösung kann der Maschinenbauer bereits in der Vormontage alle elektrischen Komponenten eines Maschinenmoduls montieren und über vorkonfektionierte Leitungen einfach anschließen. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: In der Vormontage sind die Maschinenmodule von allen Seiten frei zugänglich, was die Leitungsverlegung und deren Anschluss wesentlich erleichtert. „Das spart viel Zeit und erhöht deutlich die Effizienz der Arbeitsabläufe“, fasst Daniel Siegenbrink die Erfahrungen zusammen. Dies gelte nicht nur für die Montage, sondern beginne bereits bei der Planung, Arbeitsvorbereitung und Materialbereitstellung in der Produktion.
Mit den Funktionsmodulen des MX-Systems entfällt zudem die im konventionellen Schaltschrankbau übliche aufwändige Einzelverdrahtung zahlreicher Teilkomponenten. Auf diese Weise werden Verdrahtungsfehler verhindert und die Teilevielfalt reduziert. Daher können die benötigten Komponenten – MX-System-Baseplates und -Module sowie die vorkonfektionierte Systemverkabelung – direkt nach der Elektroplanung aus dem Lager zur Vormontage kommissioniert werden. „Ziel ist ein auftragsunabhängiges Lager, das wir über Mindestbestände, Bedarfe und Wiederbeschaffungszeiten disponieren möchten“, fasst Ludger Martinschledde die Ziele zusammen.
Für Schirmer haben sich aber noch zwei weitere Erkenntnisse aus diesem ersten Entwicklungsprojekt ergeben:
- Kurzfristige Änderungswünsche sind auch in einer späten Projektphase viel einfacher und mit weniger Aufwand umsetzbar.
- Bei einer modulweisen Teilinbetriebnahme werden etwaige Funktionsfehler früh erkannt und lassen sich noch ohne Zeitdruck beseitigen.
Standzeiten in der Fertigung sinken
In der Endmontage, in der die Maschinen eine große Fläche belegen, muss es bei Schirmer schnell gehen, um Platz für die nächsten Anlagen zu schaffen. „Hier senken die vorverlagerten Prozesse wie insbesondere die Elektroinstallation und gegebenenfalls Teilinbetriebnahmen die Standzeiten deutlich und erhöhen somit die Flächeneffizienz“, betont Ludger Martinschledde. Schirmer kann somit in der gleichen Halle mehr Anlagen aufbauen, abnehmen und ausliefern.
Als Maschinenbauer mit einem Exportanteil von 75 % ist der universelle Einsatz der Automatisierungslösung für das Unternehmen ein weiterer wichtiger Aspekt. Musste der künftige Aufstellort bislang bereits bei der Elektroplanung und Materialbeschaffung berücksichtigt werden, kann die Maschine nun durch das im Gegensatz zum konventionellen Schaltschrank IEC-, UL- und CSA-konforme MX-System weltweit ohne aufwändige Anpassung eingesetzt werden. Das erhöht den Standardisierungsgrad bei Schirmer zusätzlich.
Auch Endanwender profitieren von der schaltschranklosen Automatisierung
Nicht nur Schirmer profitiert übrigens von einer schaltschranklosen Automatisierung. Für die Endanwender hat das MX-System ebenso handfeste Vorteile. Hierzu zählt etwa die bessere Zugänglichkeit der Maschinenbereiche und der geringere Platzbedarf durch den Wegfall der Schaltschränke. Dadurch lassen sich die Produktionsanlagen in den Hallen enger stellen und die wertvolle Fläche optimal nutzen, ohne beispielsweise die Vorgaben hinsichtlich der Fluchtwege zu verletzen. Die um den Faktor 10 geringere Anzahl an Bauteilen reduziert auch den Umfang des Ersatzteillagers.
Darüber hinaus ist die Beckhoff Diagnose App – die mit dem MX-System in den Markt eingeführt wird – ein Hilfsmittel, welches es dem Instandhaltungspersonal einfacher macht, Fehler zu lokalisieren und zu beheben. „Die durchgehende Steckbarkeit und die Verwendung der Diagnose App als Ersatz für das Multimeter ermöglichen es, dass für den Anschluss oder auch den Austausch der MX-System-Module keine speziell geschulten Elektrofachkräfte erforderlich sind“, betont Daniel Siegenbrink.
Erfolgreicher Start in die schaltschranklose Automatisierung
Der Einsatz des MX-Systems von Beckhoff hat bei Schirmer an vielen Stellen entlang der gesamten Prozesskette deutliche Vorteile und Optimierungen ergeben. So reduzierte sich der bisherige Aufwand für die Elektroplanung um rund 50 % und die üblichen zwei bis drei Wochen Montagezeit für den konventionellen Schaltschrankbau wurden zu nur noch wenigen Stunden Systemmontage. Bei den Standzeiten in der Endmontage erwartet der Schirmer-Chef ebenfalls eine deutliche Verringerung.
Die erstmals so ausgerüstete Maschine markiert damit den Aufbruch in die neue Ära der schaltschranklosen Automatisierung. „Wir werden weiterhin auf diese innovative Lösung von Beckhoff setzen“, so Ludger Martinschledde abschließend. „Dass wir unsere Maschinen auf eine schaltschranklose Automatisierung mit dem MX-System umstellen, ist für uns klar – und das wird zukünftig auch für die Produktlinien für Alu- und Stahlprofile gelten.“ (co)
Mehr zum MX-System für die schaltschranklose Automatisierung…
Merkmale der neuen Maschine
- 14 m Anlagenlänge
- 11 Maschinen-Prozess-Module
- 67 Achsen
23 Synchron-Servomotoren AM8000
4 Linear-Servomotoren AL8000
28 Synchron-Servomotoren AM8100
12 Drehstrom-Asynchronmotoren
- 18 Ventilinseln
- 11 MX-System-Baseplates
- 118 MX-System-Funktionsmodule
1 IPC-Modul
39 System-Module
34 I/O-Module (inklusive 28 für die kompakte Antriebstechnik)
7 Relais-Module
37 Drive-Module
- 64 Ethercat-Box-Module
- 1 kundenspezifisches Control Panel
Fenster- und Türenbau ist Hightech
Mit den modularen Profilbearbeitungslinien liefert die Verler Schirmer Maschinen GmbH kundenindividuelle Lösungen, um hochwertige Fenster und Türen herzustellen. Die Maschinen besitzen einen maßgeschneiderten Automatisierungsgrad, wozu das 1979 gegründete Unternehmen seit über 40 Jahren auf die PC-basierte Steuerungstechnik von Beckhoff setzt. Schirmer ist seit 2016 Mitglied der Beckhoff Automation Gruppe und beschäftigt heute rund 250 Mitarbeitende.
Maschinen von Schirmer bilden eine Vielzahl unterschiedlicher Prozesse ab: Aus etwa 6 m langen Profilstäben entstehen die Einzelteile für Fensterrahmen und -flügel im Durchlaufverfahren. So weit wie möglich werden dabei alle Bohr-, Fräs- oder Stanzbearbeitungen am Rohstab ausgeführt. Anschließend folgen Zuschnitt und Bearbeitung der Enden. Parallel zur Bearbeitung der Profilstäbe erfolgt auf einer separaten Linie der Zuschnitt der Armierungsprofile, die optional automatisch ins PVC-Profil eingeschoben und positioniert werden. Daran schließen sich weitere Prozesse wie zum Beispiel die Verschraubung von Profil und Armierung, Stahlbearbeitung (Bohren, Fräsen) sowie das Einsetzen und Verschrauben der Schließteile an.