Inhaltsverzeichnis
1. Quantentechnologie pusht Sensoren
2. „Happiness“ von Algen messen
3. Industrietaugliche Quantensensoren
4. Quantentechnologie hebt Sensorik auf nächste Stufe
5. Nachgefragt: „Quantentechnologien auch in Alltagsprodukten“
6. Quantentechnologien nutzen und frühzeitig kennenlernen
„Die Idee hinter all unseren Produkten ist es, Licht als Informationsträger für Quanten-Bits, sogenannte Qubits, zu verwenden“, sagt Dr. Michael Förtsch, CEO von Qant. Die Trumpf-Tochtergesellschaft startet all ihre Produktentwicklungen mit kontrollierter Lichterzeugung. Sie ist der Zugang zu Quantentechnologien. Förtsch erklärt: „Licht erlaubt die Erzeugung von sehr robusten Qubits und ermöglicht eine Informationsverarbeitung sogar bei Raumtemperatur. Dadurch ermöglichen wir den Einsatz von Quantentechnologien auch in Alltagsprodukten.“
Ein sogenanntes Quantum Photonic Framework steuert die gesamte optische und elektronische Prozesskette bis hin zur Datenverarbeitung. Im ersten Schritt werden aus Elektronen Photonen erzeugt. Dabei nutzt Qant Festkörperlaserdioden und rauscharme Lasertreiber. Im zweiten Schritt interagieren die Photonen mit der Umgebung, wofür Qant speziell entwickelte optische Elemente bereitstellt. Schließlich werden die Photonen mittels Photodetektoren, extrem rauscharmen Verstärkern, superschneller Signalverarbeitung und Analog-Digital-Wandlung wieder in Elektronen umgewandelt.
Quantentechnologie pusht Sensoren
Auf Quantentechnologie basierend hat Qant einen Partikelsensor entwickelt, der aktuell nahe der Serienreife ist. Technologisches Herzstück dieser Sensoren sind gezielt erzeugte Quanteneffekte in angeregtem Licht, mit deren Hilfe Mikropartikel in ein und derselben Messung auf ihre Größe, ihre Form und ihre Geschwindigkeit analysiert werden können.
Mit Hilfe dieser Messungen lassen sich Informationen gewinnen, die neue Anwendungen in der Halbleiterindustrie, der Chemieindustrie oder im Maschinen- und Anlagenbau ermöglichen. Derartige Partikelsensoren ermöglichen Messungen von Partikeln in Gasen, Flüssigkeiten oder Pulvern, die mit heutiger Messtechnologie sonst unmöglich wären. Basierend auf photonischer Quantentechnologie generieren die Partikelsensoren weit mehr Daten über die gemessenen Partikel als derzeit verfügbare Messmethoden. Neben der Erstellung standardisierter Partikelgrößenverteilungsdiagramme ermöglichen diese Daten eine KI-basierte Ermittlung zusätzlicher Partikelinformationen – etwa eine Klassifizierung nach Partikelform.
Der Qant-Partikelsensor arbeitet berührungslos auf optischer Basis: Durch das strömende Medium – Gas oder Flüssigkeit – strahlt ein spezifisch geformter Laserstrahl, in dem Licht in mehreren Polarisierungsrichtungen überlagert wird. Auf diese Weise werden weit mehr Daten generiert als mit herkömmlichen optischen Sensoren. Partikel, die sich durch den Laserstrahl bewegen, schatten die Überlagerungen teilweise ab, sodass der Sensor die genaue Position des Partikels innerhalb des Strahls ermitteln kann. Während sich das Partikel durch den Laserstrahl bewegt, wird mittels einer hochfrequenten Abtastung ein charakteristisches Muster erzeugt, das zur gleichzeitigen Analyse von Partikelgröße, Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit verwendet werden kann. Die Signale sind auch charakteristisch für die Partikelform und werden durch KI-basierte Signalauswertung – zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Anwender – klassifiziert.
„Happiness“ von Algen messen
Festo hat auf der Hannover Messe 2022 einen Algenreaktor vorgestellt, der mit Hilfe des Partikelsensors von Qant präzise und in Echtzeit Auskunft darüber gibt, wie die Zellen im Inneren der Anlage wachsen und wie teilfreudig sie sind. Die Algen werden dem Mikrofluidik-Chip im Sensor dafür automatisiert und kontinuierlich zugeleitet, also beispielsweise durch Pumpen zur präzisen Steuerung kleinster Flüssigkeitsmengen. Der Sensor ist in der Lage, einzelne Zellen optisch zu analysieren, sodass Festo die Menge der Biomasse exakt ermittelt kann. Zusätzlich untersucht er die Zellen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz auf ihre Vitalität. Durch die Quantensensorik in Kombination mit Steuerungs- und Automatisierungstechnik wird es möglich, vorausschauend auf Prozessereignisse – beispielsweise geringeres oder schlechtes Wachstum – zu reagieren und regelnd einzugreifen, um ein schnelleres und sicheres Wachstum der Algen zu ermöglichen oder gar einen Kollaps des Bioreaktors durch Algensterben zu verhindern. Festo schafft es quasi, in den Biorektor hineinzuzoomen, um zu verstehen, in welchem Lebenszyklus und Zustand sich die Algen befinden.
Idee und der Hintergrund des Bioreaktor-Projekts namens Photo Bionic Cell ist es, künftig lebende Materien als Basis für Biokunststoffe, Lebensmittel oder auch Treibstoffe wirtschaftlich und vor allem nachhaltig mittels unterschiedlicher Mikroalgen zu produzieren. Bereits bei ihrer natürlichen Photosynthese im Freien sind Mikroalgen äußerst effizient und binden bis zu zehnmal mehr Kohlendioxid als Landpflanzen. In Bioreaktoren mit entsprechender Sensorik, Regelungstechnik und Automatisierung sollen Algen sogar das Hundertfache an CO2 im Vergleich zu Landpflanzen binden. Der große Vorteil: „Im Gegensatz zu herkömmlichen Wertstoffen aus Rohöl wird nur das CO2 freigesetzt, das die Zelle vorher gebunden hat. Der Kreislauf ist damit im Gleichgewicht“, erklärt Dr. Nina Gaissert, Biotech-Expertin und Referent Portfolio Projects bei Festo.
Industrietaugliche Quantensensoren
Als Hersteller von Industriesensoren arbeitet Sick gemeinsam mit Qant an einem Quantensensor , dem Quantalyzer, der von Laboranwendungen nun in industrielle Anwendungen kommen soll. Die Quantensensoren sollen unter anderem zur Analyse von Partikeleigenschaften in Luft eingesetzt werden. Zum Entwicklungsstand des Sensors in 2023 sagt Knut Wodarzyk, Head of R&D Analyzers bei Sick: „Der Quantalyzer hat seine Funktionsfähigkeit in der Laborumgebung bewiesen. Um zu prüfen, wie er sich in einer realen industriellen Umgebung verhält, haben wir den Sensor in Pilotanwendungen untersucht. Die daraus resultierenden Ergebnisse analysieren und bewerten wir aktuell.“
Quantentechnologie hebt Sensorik auf nächste Stufe
Die quantenoptische Baugruppe des Sensors als eigenständige Funktionseinheit stellt Qant zur Verfügung. Sick hat diese Baugruppe in das Sensorsystem integriert, das auch die Prozessanbindung und die Kommunikationsschnittstellen zur Kundenapplikation beinhaltet. Zudem kann Sick als etablierter Anbieter für einen möglichst breiten Zugang zum Markt sorgen. „Mit dem Einstieg in die Quantensensorik baut Sick seine weltweite Technologieführerschaft in der Sensorik-Branche aus. Quantensensoren sind für die Zukunft der Industrie eine Schlüsseltechnologie“, sagt Dr. Robert Bauer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender bei Sick.
Gemeinsam mit Sick hat Qant auf der Hannover Messe 2022 zuletzt einen Quantensensor präsentiert, der von Lebensmittelherstellern zur Qualitätsprüfung von Kaffee genutzt werden kann. Der Sensor misst Größe und Form der Körnung, die für die verschiedenen Geschmacksrichtungen des Kaffees eine entscheidende Rolle spielen. Mit Hilfe des Quantensensors sollen Kaffeehersteller beim industriellen Mahlen des Kaffees kontinuierlich die Körnung überprüfen können, um ihre gewünschten Qualitätsergebnisse zu erzielen.
Niels Syassen, Sick-Vorstandsmitglied, sagt: „Quantentechnologie ist die nächste Stufe für die Sensorik, denn sie verschiebt bisher fest verankerte technische Grenzen. Wo bislang keine guten Signale mehr messbar waren, lassen sich im Signalrauschen mittels Quanteneffekten sogar Details wahrnehmbar machen. Damit lassen sich Partikel messen, die rund zweihundert Mal kleiner sind als ein menschliches Haar.“
Nachgefragt: „Quantentechnologien auch in Alltagsprodukten“
KEM Konstruktion: Herr Dr. Förtsch, Qant setzt als Zugang zu Quantentechnologien auf Licht. All Ihre Produktentwicklungen starten mit kontrollierter Lichterzeugung. Wie kann man Ihre technologischen Ansätze dahinter begreifen?
Dr. Michael Förtsch (Qant): Stimmt, die Idee hinter all unseren Produkten ist es, Licht als Informationsträger für Quanten-Bits, sogenannte Qubits, zu verwenden. Der Grund dafür ist: Licht erlaubt die Erzeugung von sehr robusten Qubits und ermöglicht eine Informationsverarbeitung sogar bei Raumtemperatur. Dadurch ermöglichen wir den Einsatz von Quantentechnologien auch in Alltagsprodukten. Die Basis aller unserer Entwicklungen ist unser Quantum Photonic Framework, das die Steuerung der gesamten optischen und elektronischen Prozesskette bis hin zur Datenverarbeitung umfasst. Hierzu gehören die Umwandlung von Elektronen in Photonen, das Erzeugen und Ausnutzen von optischen Quanteneffekten und die Rückwandlung von photonischen Quanteninformationen in elektrische Signale und Daten.
KEM Konstruktion: Auf welcher technologischen Entwicklungsstufe befinden Sie sich bei Qant?
Förtsch: Mit unseren einzelnen Produktlinien haben wir unterschiedliche Entwicklungsstufen erreicht. Am weitesten fortgeschritten sind wir bei unserem Quantum-Partikelsensor, der mit TRL 8 kurz vor dem Product Release steht.
KEM Konstruktion: Was macht Ihren auf Quantentechnologie basierenden Partikelsensor aus, der unter anderem von Automatisierern eingesetzt werden kann. Was kann er und worin bestehen die Vorteile im Vergleich zu anderen Sensoren, die es bereits gibt?
Förtsch: Im Inneren des Sensors ist ein Laser verbaut. Mittels Laser Partikel zu messen, gab es ja schon. Was wir jetzt aber gemacht haben, ist folgendes: Wir haben diesem Laserlicht zusätzlich Superposition als Zustände aufgeprägt. Das heißt, wir haben den Laser über Quantenzustände angereichert. Fällt ein Partikel durch den Laserstrahl, sieht man nicht nur, wie groß dieser ist, man sieht auch, wie schnell er ist und in welche Richtung er durch den Laserstrahl geflogen ist. Das Entscheidende daran ist, dass wir anhand der Fülle an Informationen jetzt die Struktur, also die Shape des Partikels, identifizieren können. Das ist neuartig.
KEM Konstruktion: Bei Qant arbeiten Sie des Weiteren an einem Quanten-Magnetfeldsensor, der gerade für die Medizintechnik aussichtsreich ist. Was kann Ihr Magnetfeldsensor auf dem aktuellen technischen Niveau und in welche Richtung entwickeln Sie ihn weiter?
Förtsch: Dieser Sensor kann sehr empfindliche Änderungen in Magnetfeldern oder sehr schwache Magnetfelder detektieren. Wir reden hier von Magnetfeldern, die entstehen, wenn Sie oder ich uns bewegen und wir dabei Nervensignale an Muskeln zur Kontraktion senden. Wir arbeiten zum Beispiel mit einem Kunden zusammen, bei dem es darum geht, Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre künstlichen Prothesen Kraft ihrer Gedanken und den dazu ausgesendeten neuronalen Signalen zu steuern. Unser Quantensensor ermöglicht dies. Das Schlüsselwort ist Picotesla-Auflösung – ein vielfach schwächeres Signal als unser Erdmagnetfeld. Dieses entsteht immer dann, wenn unser Gehirn arbeitet.
Quantentechnologien nutzen und frühzeitig kennenlernen
Im Early Technology Access Program können Quantentechnologien evaluiert werden. Dazu vermietet Qant seine Hardware – inklusive Performance-Package, das volle Verfügbarkeit garantieren soll. Eine Schulung und Anleitung durch Qant-Experten unterstützt Kunden dabei, die Technologie und ihr Potential im Kontext ihres speziellen Anwendungsfalls einzuordnen.