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Zum Stand klimaneutraler Antriebe in Baumaschinen

Wasserstoff oder Batterie?
Zum Stand klimaneutraler Antriebe in Baumaschinen

Elektrifizierung alleine reicht für die komplette Baubranche nicht aus – der Energiebedarf der größeren Maschinen ist zu hoch für batterieelektrische Systeme. Daher setzen die Hersteller dort mittelfristig weiter auf Verbrennungsmotoren mit alternativen Kraftstoffen wie Wasserstoff und HVO.

Tobias Meyer, freier Mitarbeiter der KEM Konstruktion|Automation

Inhaltsverzeichnis

1. Liebherr setzt ebenfalls auf Energiespeicher und H2-Motor
2. Eigene Batterieherstellung nahe am Zulieferer
3. Hybrid-Rekuperation der Drehbewegung des Oberwagens
4. Wasserstoffverbrenner statt Brennstoffzelle
5. Bagger fahren im Homeoffice

Beim britischen Baumaschinen-Hersteller JCB steigt die Nachfrage der Kunden nach emissionsfreien Produkten. Während batterieelektrische Antriebe für kleinere Maschinen geeignet sind, die weniger Betriebsstunden leisten und in der Regel weniger Kraftstoff verbrauchen, haben größere Maschinen einen höheren Energiebedarf. Dies würde zu größeren Batterien mit langen Ladezeiten führen, so dass sie sich weniger für Maschinen eignen, die täglich in mehreren Schichten arbeiten. Aus diesem Grund hat JCB die Entwicklung von Elektromaschinen auf seine Kompaktbaureihe konzentriert, zu der etwa Teleskoplader und Minibagger gehören.

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Um das Tanken direkt auf der Baustelle auch für Wasserstoff zu ermöglichen, arbeiten Hersteller wie JCB und Liebherr an mobilen Lösungen.
Bild: JCB

Bei der Untersuchung künftiger Kraftstoffe, die keine Emissionen verursachen, hat das Unternehmen viel experimentiert. Auf der Suche nach einem mobilen Kraftstoff, der direkt an die Maschine gebracht werden kann, um eine maximale Betriebszeit und eine schnelle Betankung zu gewährleisten, wurden Wasserstoff-angereichertes Pflanzenöl (Hydrotreated Vegetable Oil – HVO), Biogas, E-Fuels, Ammoniak und Wasserstoff unter die Lupe genommen. HVO konnte dabei sehr schnell realisiert werden, die eingesetzten Motoren sind bereits dafür zugelassen. In diesem Rahmen untersuchte man auch den Einsatz von Wasserstoff in Brennstoffzellen und stellte 2020 einen entsprechenden 20-t-Bagger vor. Jedoch ist der Hersteller vorläufig zu dem Schluss gekommen, dass Brennstoffzellen zu teuer, zu kompliziert und nicht robust genug für Bau- und Landmaschinen sind. Als das Ingenieurteam aufgefordert wurde, anders zu denken und die zur Verfügung stehende Technologie auf kohlenstofffreie Weise zu nutzen, wurde der Wasserstoffmotor geboren. Ein Team von 150 Ingenieuren arbeitet daran, inzwischen wurden mehr als 50 Prototypen hergestellt.

Da die mögliche Energiedichte im Tank um ein vielfaches geringer ist als bei Diesel, müssten die Baumaschinen öfters als bisher nachtanken. Lösen könnte das eine mobile Wasserstofftankstelle direkt vor Ort. Bereits heute werden fast alle Baumaschinen am Einsatzort mit Kraftstoff beliefert, die Fahrer sind also bereits an das Verfahren gewöhnt. Der von JCB konzipierte Tankwagen fasst genug Wasserstoffgas, um 16 Baggerlader zu betanken. Er kann entweder auf dem hinteren Anbauraum eines modifizierten hauseigenen Traktors oder auf einem Anhänger transportiert werden.

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Mobile Powerpacks können künftig nicht nur Maschinen laden, sondern auch auf Baustellen oder Veranstaltungen die grundsätzliche Versorgung für kleinere Verbraucher wie Bürocontainer oder Beleuchtung stellen und damit Dieselgeneratoren ersetzen.
Bild: JCB

Auch für die batterieelektrischen Maschinen hat man bereits autarke Ladeblocks parat, welche auch dreiphasigen 400-V-Wechselstrom abgeben können. Neben dem Laden der E-Bagger können diese auch Diesel-Generatoren ersetzen: Bei einem typischen Baustelleneinsatz werden solche Stromerzeuger oft in 80 % der Zeit nur zu 30 % oder weniger ausgelastet. Projektbüros und Arbeitscontainer werden beispielsweise oft bis zu 24/7 von einem Dieselaggregat versorgt, obwohl diese nachts sowie am Wochenende nur die Videoüberwachung und die Sicherheitsbeleuchtung versorgen.

Im Betrieb von Turmdrehkränen kann es sogar sein, dass ein Dieselaggregat weniger als eine Stunde pro Tag tatsächlich benötigt wird, obwohl der Generator während der gesamten Arbeitsschicht in Betrieb ist. Ein Powerpack kann deshalb auch zur Energieversorgung von Beleuchtung und Heizung in einem Turmdrehkran eingesetzt werden, so dass der Dieselgenerator nur während der Hebevorgänge benötigt wird. Die Powerpacks können mit Ökostrom aufgeladen und dann zum Einsatzort transportiert werden, um die Maschinen bei Bedarf aufzuladen. Dies ermöglicht den Einsatz umweltfreundlicher Elektromaschinen ohne Netzstromversorgung vor Ort – auch an abgelegenen Standorten.

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Liebherr setzt ebenfalls auf Energiespeicher und H2-Motor

Auch Liebherr sieht bei kleineren Fahrzeugen bis etwa 15 t batterieelektrische Lösungen in vielen Fällen als geeignet an. Um deren Energieversorgung auch auf Baustellen mit begrenzter oder ohne Netzversorgung zu ermöglichen, entwickelt der deutsche Hersteller ebenfalls mobile Energiespeichersysteme. Denn die Herausforderung auf voll-elektrifizierten oder hybrid betriebenen Baustellen sei der Betrieb von Maschinen mit maximaler Leistung, das Laden aller Maschinen in Pausenzeiten sowie das Glätten von Leistungsspitzen auf Baustellen mit begrenzter Netzversorgung. Elektrifizierte Maschinen, wie etwa Krane, Bagger und Radlader, können über die Energiespeicher lokal emissionsfrei betrieben oder geladen werden. Für schwere und massigere Hubarbeiten kommt ein Mobilkran mit zusätzlichem Elektromotor zum Einsatz. Die Kranbewegungen können so optional mit Strom ausgeführt werden. Diesen bezieht der Kran direkt von der Baustelle, der mobile Energiespeicher reicht dafür ebenfalls.

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Wasserstoff-Verbrennungsmotoren sind günstiger und robuster als Brennstoffzellen, weshalb sie derzeit bei vielen Herstellern als Favorit der klimafreundlichen Antriebe von großen Maschinen gelten.
Bild: Liebherr

Um große Fahrzeuge bis in die 40-t-Klasse CO2-frei zu betreiben, hat man nach umfangreichen Studien ebenfalls die Verbrennung von Wasserstoff in klassischen Kolbenmotoren als optimale Lösung identifiziert. Erste Varianten mit vier und sechs Zylindern sowie verschiedenen Einspritzverfahren wurden bereits 2020 realisiert. Kürzlich zeigte das Unternehmen zudem im Werk Bischofshofen den ersten Prototypen eines Großradladers mit Wasserstoffmotor. Diese werden im eigenen Motorenwerk in Bulle (Schweiz) hergestellt. Bis 2025 soll die Serienproduktion gestartet sein. Parallel laufen derzeit mehrere Forschungsaktivitäten zum Einsatz von alternativen Kraftstoffen. Ein Beispiel dafür ist ein Dual-Kraftstoff-Motor, der mit Wasserstoff und HVO-Einspritzung sowie mit reinem HVO betrieben werden kann. Diese Technologie soll künftig einen flexibleren Fahrzeugbetrieb mit unterschiedlichen Konfigurationen ermöglichen. Auch Liebherr arbeitet zusammen mit H2-Tankstellenhersteller Maximator Hydrogen an mobilen Betankungssystemen.

Kommt der Wasserstoffmotor in mobilen Maschinen?

Eigene Batterieherstellung nahe am Zulieferer

Auch der schwedische Hersteller Volvo CE macht seine Baumaschinen grün: Im südkoreanischen Changwon hat das Unternehmen 7 Millionen Euro in den Bau einer Produktionsanlage für Batteriepacks investiert. Im schwedischen Werk Braås flossen 31 Millionen Euro in den Ausbau der Produktionsanlagen, um die schrittweise Umstellung auf Elektromobilität bei knickgelenkten Muldenkippern zu beschleunigen. Dort wurde auch der erste knickgelenkte Dumper der Welt aus fossilfreiem Stahl hergestellt, das Werk arbeitet bereits vollständig CO2-neutral durch vollständig erneuerbare Energie. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2030 ohne fossile Brennstoffe auszukommen und 35 Prozent unserer verkauften Maschinen elektrisch zu betreiben. Daher ist die Investition in unsere Anlagen ein weiterer wichtiger Schritt auf unserem Elektrifizierungsplan“, sagt Kamel Sid, Head of Operations bei Volvo CE. Bis zum Jahr 2040 möchte man netto null Treibhausgasemissionen erreichen.

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Bagger aus der Mittelgewichtsklasse um die 20 t können noch per Batterie elektrifiziert werden, brauchen dann aber eventuell zusätzliche mobile Pufferspeicher vor Ort.
Bild: Volvo CE

Changwon ist das größte Baggerwerk des Herstellers und produziert rund 55 % des gesamten Baggervolumens. Mit der Investition soll es zum Kernkompetenzzentrum für Elektrobagger innerhalb des Konzerns werden. Changwon ist laut Unternehmen außerdem ein idealer Standort in der Nähe von Batteriemodul-Lieferanten und anderen wichtigen Zulieferern in Südkorea. Die neue Produktionsstätte in Asien soll unter anderem auch dem 23-t-Elektrobagger EC230 zugute kommen, der seit August 2024 dort in Serie produziert wird.

Für die Recycling-Branche und andere Materialumschlageinsätze hat Volvo CE bereits einen kabelgebundenen 26-Tonner im Portfolio, da in solchen Szenarien oft länger stationär, dafür aber im Dauerschichtbetrieb gearbeitet wird. Auch in Steinbrüchen und Minen sind solche Konzepte umsetzbar, wie man bereits in Feldstudien zeigte. Kürzlich stellte das Unternehmen eine Reihe neuer batterieelektrischer Maschinen vor, wie etwa einen Mobilbagger sowie zwei Radlader, die schrittweise ab Anfang 2025 in begrenzten Stückzahlen in ausgewählten Märkten eingeführt werden sollen.

Hybrid-Rekuperation der Drehbewegung des Oberwagens

Der japanische Hersteller Komatsu brachte im Herbst 2023 ebenfalls zwei batterieelektrische 20-t-Bagger auf ausgewählte Märkte in Asien und Europa. Die Strategie setzt hier auf Mietmaschinen, um den interessierten Kunden eine niedrige Einstiegshürde für erste Tests zu ermöglichen. Das Lithium-Ionen-Batteriesystem kommt vom kalifornischen Zulieferer Proterra Powered und speichert 451 kWh Energie, womit eine Betriebszeit von bis zu acht Stunden möglich sein soll. Mit dem mitgelieferten Ladegerät ist die Batterie in etwa neun Stunden wieder vollständig aufgeladen.

Um auch den klassischen Verbrenner effizienter zu machen, wandelt im 200 kW starken Hybrid-Raupenbagger dessen elektrischer Schwenkmotor die kinetische Energie des sich drehenden Oberwagens beim Abbremsen in Strom um. Diese zurückgewonnene Energie wird im Kondensator gespeichert und kann dazu verwendet werden, den Verbrennungsmotor beim Hochbeschleunigen zu unterstützen. So verringert das Hybrid-System den Kraftstoffverbrauch. Auch Komatsus Dieselmotoren sind bereits HVO-fähig, weshalb die Werke in Deutschland und Großbritannien die dort produzierten Maschinen bereits damit befüllt: „HVO garantiert nicht nur geringere Emissionen während des Betriebs durch eine bessere chemische Zusammensetzung“, so Ingo Büscher, Geschäftsführer von Komatsu Germany. „Das HVO-Erstbefüllungsprodukt wird hauptsächlich aus Abfallstoffen hergestellt, sodass der Verbrauch erneuerbarer Ressourcen wie Pflanzenöl geringer ist.“

Wasserstoffverbrenner statt Brennstoffzelle

Dass die Brennstoffzelle – vor wenigen Jahren noch die einzige Wasserstoff-Lösung – inzwischen kaum mehr favorisiert wird, zeigt sich auch in der artverwandten Lkw-Sparte: MAN setzt beispielsweise ebenfalls verstärkt entweder auf Verbrennungsmotoren mit alternativen Kraftstoffen oder rein batteriebasierte Antriebe. Letztere sollen bis 2026 auf eine Reichweite von 1000 km aus einer Ladung kommen. In die notwendige Infrastruktur investiert man zusammen mit Eon ebenfalls selbst: Im Rahmen einer Kooperation werden der Energiekonzern und der Nutzfahrzeughersteller europaweit rund 170 Standorte mit circa 400 Ladepunkten für das öffentliche Laden von Nutzfahrzeugen aufbauen. Diese werden entlang des bestehenden Servicenetzes entstehen und können auch von anderen Herstellern und Maschinengattungen genutzt werden. Allein in Deutschland sind rund 125 Standorte geplant. Bis 2030 muss das Netz nach Einschätzung der Experten auf 50.000 Ladepunkte wachsen, wofür man die Unterstützung der Politik brauche.

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Liebherr hat im Sommer 2024 die ersten Prototypen seiner Wasserstoff-Radlader vorgestellt.
Bild: Liebherr

Bagger fahren im Homeoffice

Auch der italienisch-amerikanische CNH-Konzern hat neben der Landtechnik eine Baumaschinensparte. „Heute wird von öffentlichen Auftraggebern bei Projekten wie Stuttgart 21 bereits gefordert, dass die Maschinen keinen Feinstaub produzieren dürfen, da die Baustelle mitten in der Stadt liegt“, weiß Fritz Eichler, CTO bei CNH. Daher wurden in der Baubranche die Antriebe einiger Fahrzeug-Segmente bereits elektrifiziert. Neben der reinen Verbesserung der zentralen Antriebe sieht Eichler aber auch weitere Möglichkeiten: „Hydraulik kann sehr viel Kraft stemmen, ist vom Wirkungsgrad her aber eine Katastrophe. Daher sehen wir hier noch viel Optimierungspotential, wobei vieles in Richtung elektrischer Stellaktuatoren geht.“

Maschinen wie Bagger könnten künftig zudem per Magnetressonanzverfahren in den Erdboden vor sich blicken und so erkennen, wo bereits Infrastruktur wie Leitungen oder Kanäle sowie andere Bausubstanz besteht. So kann der Fahrer gewarnt werden, bevor er ungewollt Schaden anrichtet. In Verbindung mit zentimetergenauer GPS-Steuerung und dem Abgleich mit CAD-Daten der Baustelle könnte Eichlers Ansicht nach künftig nicht nur die Präzision erhöht und Fehler vermieden werden, sondern auch der Remote-Einsatz immer näher rücken. Dabei könnten einzelne Arbeitsschritte auch automatisiert werden, wodurch ein Operator dann genügend Kapazität hätte, um mehrere Maschinen zu überwachen. „Während ein Bagger dann autonom ein Fundament aushebt – was vielleicht mehrere Stunden repetitive Tätigkeit bedeutet – kann der zuständige Spezialist bereits damit beginnen, einen anderen Vorgang vorzubereiten oder mit einer weiteren Maschine anderswo die letzten Feinarbeiten vornehmen. Der Fachkräftemangel kann hier als Treiber genannt werden“, sagt Eichler. Außerdem wird der Beruf nach seiner Einschätzung dann auch attraktiver für Menschen, die Tätigkeiten in diesem Umfeld aufgrund körperlicher Einschränkungen bisher nicht wahrnehmen konnten.

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