Das Projekt Samson, an dem unter anderem das Fraunhofer IFAM beteiligt ist, umfasst die Erforschung und Entwicklung intelligenter Automatisierungssysteme und -dienste, die den gesamten Obstanbau überwachen und saisonale Daten sammeln sollen. Im Anschluss unterstützen diese datenbasierten Ergebnisse bei Entscheidungen für eine zukünftige Bewirtschaftung der Obstanbauflächen. Entstanden sind eine Sensorbox sowie mobile Messstäbe zur präzisen Erhebung von Baum- oder Flächen-spezifischen Daten, die die Grundlage für eine zukünftig optimierte Bewirtschaftung von Obstanbauflächen mithilfe von Digitalisierung und Automatisierung bieten.
Inhaltsverzeichnis
1. Sensorbox – Die erste Entwicklung
2. Von der Datenerhebung über den digitalen Zwilling bis zur praktischen Handlungsempfehlung
3. Ausblick: Vom Training der KI-Modelle bis zum Verbreiten der Erkenntnisse
4. Über das Projekt Samson
Qualität und Quantität der Apfelernte hängen von vielen Faktoren ab, wie beispielsweise Klima, Baumschnitt, Vorjahresertrag sowie Nährstoffverfügbarkeit. Durch die Komplexität dieser Wechselbeziehungen kann es für den Anbauenden eine Herausforderung werden, Obstanbauflächen optimal zu verwalten und zu bewirtschaften – insbesondere im Hinblick auf die Zukunft mit weiteren Anforderungen durch Klimawandel und Fachkräftemangel.
Das Forschungsprojekt „Smarte Automatisierungssysteme und -services für den Obstanbau an der Niederelbe“, kurz „Samson“ den nachhaltigen Einsatz von Ressourcen im Obstanbau zu verbessern: saisonale Erntedaten wie Wachstum, Alternanz, Ernteergebnis, Wassereinsatz sowie Behandlungsmaßnahmen werden analysiert. Ziel ist es, datengestützte Einzelempfehlungen bis hin zur Behandlung des individuellen Obstbaums abzuleiten, zum Beispiel bei dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Sensorbox – Die erste Entwicklung
Die Forschenden des Fraunhofer IFAM in Stade haben ein Multi-Sensorsystem, die sogenannte „Sensorbox“, für die Datenaufnahme in den Obstanlagen aufgebaut, das über die klassische Dreipunktaufnahme an jeden Schlepper montiert werden kann. In diesem Aufbau ist Sensorik zur Erfassung von Kamerabildern und präzisen GPS-Signalen integriert. Auf Grundlage der Bilddaten werden Künstliche Intelligenz- (KI-) Systeme zur Detektion von beispielsweise Schädlingsbefall entwickelt. Durch die GPS-Signale lassen sich die gesammelten Informationen einem Einzelbaum zuordnen. Zusätzlich werden in der Sensorbox verschiedene dreidimensionale Laserscanner (LiDAR) erprobt, die helfen können, ein dreidimensionales Abbild des Obstbaums zu erstellen.
Die Sensorbox ist dabei so konzipiert, dass sie bei üblichen Arbeiten und normalen Fahrgeschwindigkeiten in der Obstbaufläche mitgenommen werden kann und dort parallel sowie automatisiert Daten der Obstbäume erhoben werden können.
Von der Datenerhebung über den digitalen Zwilling
bis zur praktischen Handlungsempfehlung
Mit dem Sensoraufbau wurden bereits während der Blütephase im Mai 2023 erste Datensätze im Alten Land gesammelt. Seit der Blütephase 2023 konnte auf dem Obstbauversuchsbetrieb der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und einem weiteren regionalen Praxisbetrieb in regelmäßigen Versuchsreihen zur Begleitung der Vegetationsphasen bereits eine große Datenmenge gesammelt werden.
Softwarelösung zur Vermessung der Anbaufläche
Für eine eindeutige Zuordnung der erhobenen Sensordaten aus der Sensorbox zu den jeweiligen Flächen und einzelnen Bäumen wird an der Entwicklung einer Softwarelösung gearbeitet, die in Zusammenarbeit mit einem mobilen Messstab genutzt werden kann, um die Anbauflächen präzise einzumessen. Die Obstbauexpert:innen des Obstbauversuchsringes des Alten Landes e.V. testen diese speziell für den Kernobstanbau entwickelte Lösung in der Praxis und decken dabei weitere Anwendungspotenziale, wie beispielsweise die Einmessung von Bewässerungs- und Drainageleitungen, auf.
Datenmodelle für den Digitalen Zwilling
Die Forschenden der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg haben zudem ein erstes Datenmodell entwickelt, das die strukturierte Ablage aller Daten und Informationen gewährleistet. Vergleichbar mit dem Ordnersystem eines Computers oder eines Aktenschrankes werden die automatisiert erhobenen Daten gemäß einer systematischen Vorgehensweise abgelegt und bereitgestellt. Die daraus resultierenden Datenbanken enthalten Kenntnisse über die Beziehungen der Datenpunkte zueinander und bieten das Potenzial zum effizienten Einsatz von Algorithmen und Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI). Die systematische Ablage aller anbaurelevanten Informationen stellt das Rückgrat des Digitalen Zwillings dar, sodass darauf aufbauend Vorhersagemodelle, Handlungsempfehlungen und automatisierte Dokumentationsarbeiten abgeleitet werden können.
Vom Training der KI-Modelle bis zum Verbreiten der Erkenntnisse
Auf Basis der Datenerhebung während der Vegetationsphasen der Saison 2023 befassen sich die Forschenden zum einen mit der Optimierung der Sensorbox und zum anderen mit der Auswertung der Daten sowie dem intensiven Training der KI-Modelle. Für die Saison 2024 stehen zwei Sensorboxen mit unterschiedlichen Sensorbestückungen zur Verfügung, die kontinuierlich auf dem Zukunftsbetrieb Samson und bei weiteren interessierten Obstproduzenten eingesetzt werden. Zudem können sich die Teilnehmenden der im Januar 2024 angebotenen Workshops im Alten Land über den Einsatz präziser GPS-Systeme sowie die Funktionsweise und den praktischen Einsatz nicht nur von mobilen Messstäben sondern auch der Sensorbox informieren.
Über das Projekt Samson
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert das Forschungsprojekt „Smarte Automatisierungssysteme und -services für den Obstanbau an der Niederelbe“. Stellvertretend für die Samson-Verbundpartner Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg, hochschule 21, Buxtehude, und Technische Universität Hamburg sowie den Obstbauversuchsring des Alten Landes e.V. (OVR) präsentierte Projektleiter und -koordinator Benjamin Schulze vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Stade die ersten FuE-Ergebnisse anlässlich des Digital-Gipfels am 20. und 21. November in Jena. (eve)