Durch die Klima- und Müllproblematik bahnt sich ein Umdenken an, das Konsequenzen für die Produktgestaltung hat – und das Messegeschehen prägt: Produkte sollen CO2-Emissionen verringern und kreislauffähig sein. Auch wenn der Leichtbau durch das Minimieren bewegter Massen schon an sich für Energieeffizienz sorgt und Emissionen reduziert, muss er sich den neuen Anforderungen stellen. Die Politik spielt bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle.
Das wird während der Hannover Messe spürbar: Leichtbau ist nicht nur im Bereich „Engineered Parts & Solutions“ in den Hallen 3 und 4 ein Thema. In der Forscher-Halle 2 („Future Hub“) zeigen Institute ihre Lösungen, und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) wird auf seinem Stand C34 in Halle 2 das Exponat einer Naturfaser-Mittelkonsole präsentieren. Diese 3D-raumgewickelte Komponente ist ultraleicht und Gegenstand eines vom BMWK geförderten Industrie-Forschungsprojekts – nachhaltig wird es durch den Einsatz von Naturfaser. Parallel geht von 1. bis 2. Juni die neue Leichtbau-Kongressmesse LightCon in den Hallen 19 und 20 an den Start – mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als Schirmherr. Es soll ein Kombiticket mit der Hannover Messe geben. Und dem nicht genug, findet einen Tag zuvor in Hannover der „3. Lightweighting Summit“ des BMWK statt.
Inititiative Leichtbau für den Klimaschutz
Woher dieses Engagement der Politik? 2020 hat das BMWK das „Technologietransfer-Programm Leichtbau“ aufgelegt und mit einem Fördervolumen von jährlich 73 Mio. Euro ausgestattet, um das Klima zu schützen. Die „Initiative Leichtbau“ will den Leichtbau auch über Ländergrenzen hinweg multiplizieren. Und die Politik hat erkannt, dass leichtere Produkte generell zur Ressourceneffizienz beitragen. Das machte der „G7-Workshop on Resource Efficiency and Circular Economy“ deutlich, den das Bundesumweltministerium und das BMWK gemeinsam für die wichtigsten Industriestaaten im März veranstalteten. „Leichtbau-Technologien sind ein nachhaltiger Beitrag zu Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft“, betonte der parlamentarische Staatssekretär am BMWK, Michael Kellner, auf dem „High Level Event“.
Paradigmenwechsel hin zu Kreislaufwirtschaft
Bundesumweltministerin Steffi Lemke drang auf dem G7-Workshop auf einen „Wechsel hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft“. Dazu näherte sie sich der Ingenieursperspektive an: „Wir haben uns in der Vergangenheit stark auf das Thema Recycling konzentriert und damit auf das Ende des Produktlebens. Hier will ich einen Perspektivwechsel einleiten: Kreislaufwirtschaft muss künftig noch stärker vom Anfang, von der Produktgestaltung her, gedacht werden.“
Konkret wird dieser Paradigmenwechsel in der angekündigten EU-Initiative zur nachhaltigen Produktpolitik: Die EU will künftig nur noch nachhaltige, sichere und zirkuläre Produkte zulassen. In einer Vorab-Stellungnahme geht der Verband VDMA von „produktspezifischen Anforderungen, gekoppelt mit einem Digitalen Produktpass“ aus und sieht darin Chancen für „neue Geschäftsmodelle im Sinne der Kreislaufwirtschaft“. Dieser Wandel betrifft auch den Leichtbau. In Hannover wird er Thema sein.
Edag zeigt nachhaltigen Leichtbau
Paradebeispiele liefert Engineering-Spezialist Edag auf der LightCon. Eine Vorschau gewährt uns hier Dr. Stefan Caba, Head of Competence Center Sustainable Vehicle Engineering: Die ökologische Bewertung von Fahrzeugen schließt heute den gesamten Lebenszyklus ein. Leichtbaulösungen müssen so gestaltet werden, dass sie sich in einer Kreislaufwirtschaft nutzen lassen. Eine weitreichende Reduktion von Emissionen gelingt nur, wenn die Produkte früh im Entstehungsprozess auf Nachhaltigkeit ausgelegt werden. Insbesondere Faserverbunde wie CFK sind hier eine Herausforderung.
CFK ist durch seine hohe Dauerfestigkeit ideal für Langzeitanwendungen. Meist werden jedoch nur die guten Leichtbaueigenschaften genutzt. So übersteigt die Lebensdauer von CFK-Bauteilen die eines Fahrzeugs um ein Vielfaches. In einem Konsortium hat Edag diesen Umstand für die Entwicklung einer Fahrzeugplattform genutzt, die sich über mehrere Fahrzeugleben einsetzen lässt.
Dabei kamen lösbare Verbindungen wie Schrauben aber auch neuartige, lösbare Klebeverbindungen zum Einsatz. Einen weiteren Beitrag lieferten rezyklierte Kohlefasern von Partnern. Die Plattform nimmt die Batterien auf und trägt größtenteils zur Fahrzeugsteifigkeit bei. Ein maßgebliches Einsatzszenario bieten Flottenfahrzeuge für das Carsharing.
CFK-Bauteile mehrfach verwenden
Das Life Cycle Assessment (LCA) zeigte, dass CFK zwar zunächst höhere CO2-Emissionen verursacht. Über den Lebenszyklus fallen sie aber geringer aus, weil das geringere Gewicht und insbesondere der Verzicht auf Neuproduktion durch Wiederverwendung effektive Einsparungen ermöglichen.
Edag treibt auch die Digitalisierung des Entwicklungsprozesses voran, um Bauteile schneller und kostengünstiger zu optimieren. So verbindet Edag zunehmend Konstruktion und Berechnung und lässt Optimierungsschleifen automatisiert durchlaufen. Dazu wird eine sogenannte Bauteil-DNA erzeugt. Sie lässt sich nutzen, um Bauteile für unterschiedliche Randbedingungen ohne Neukonstruktion zu erstellen.
KI beschleunigt Optimierungsprozesse
Nachhaltigkeit findet auch hier erhöhte Beachtung. Im Rahmen des automatisierten Prozesses wird ein LCA durchgeführt. Gleichzeitig kann durch KI der Optimierungsprozess weiter beschleunigt werden. KI ermöglicht zum Beispiel den Verzicht auf aufwendige Crashberechnungen und erlaubt die schnelle Erstabschätzung in wenigen Sekunden. Sie kann auch bionische Prinzipien in die Bauteile implementieren.