Der Beschluss des Landeskabinetts fiel am 29. November, schon fünf Wochen später soll die operative Tätigkeit enden. Die über die Landesagentur selbst verbreitete kurze Mitteilung lässt andererseits keinen Zweifel daran, dass die Arbeit sehr erfolgreich war: „Die ursprüngliche Mission, den Leichtbau über die Landesgrenzen hinaus sichtbar zu machen, ist erfüllt“, heißt es in dem Papier. „Baden-Württemberg ist dank der Leichtbau BW im Leichtbau stark aufgestellt – sowohl in der Forschung, als auch in der Wirtschaft.“
Das landeseigene Unternehmen habe wichtige Pionierarbeit geleistet und das Verständnis von Leichtbau branchenübergreifend in knapp zehn Jahren weiterentwickelt. Hervorgehoben wird die intensivierte Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Allerdings sei das Innovationsthema „längst auch beim Bund angekommen“. Die inzwischen in Berlin gegründete Initiative Leichtbau, die am Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt ist, verschiebe die Prioritäten. In der Bekanntmachung kündigt die BaWü-Landesregierung an, die eigene Leichtbau-Förderung „in ein neues Format zu überführen“. Dazu wurden allerdings keine weiteren Angaben gemacht.
Eines der weltweit größten Leichtbau-Netze
Zum Netzwerk gehören inzwischen über 2500 Unternehmen und 380 Forschungseinrichtungen, so die Angaben von Leichtbau BW. Die Reaktionen der kurzfristig angefragten aktiven Mitglieder sind von Ernüchterung geprägt. Sie reichen von großem Bedauern bis hin zu Unverständnis und Frust. Mit vier Geschäftsführern konnten wir auf die Schnelle sprechen. „Sehr sehr schade“, sagte Dr. Sven Donisi von der Industrieschmiede Rosswag mit dem 3D-Druck-Ableger Rosswag Engineering, zusammen beschäftigen sie rund 210 Mitarbeiter. „Ein schlechtes Zeichen vonseiten der Politik“, meinte Dominic Lutz von Gaugler&Lutz mit derzeit rund 100 Mitarbeitern. Obwohl er im Beirat von Leichtbau BW tätig ist, sei er von der Nachricht überrascht worden.
„Ungeheuerlich“ entfuhr es Jürgen Erhardt von Erhardt Fahrzeug+Teile mit rund 40 Mitarbeitern am Telefon. Moderat antwortete Dr. Farbod Nezami von Cikoni auf schriftlichem Wege, einem Engineering&Consulting-Unternehmen für Leichtbau mit Composites. Dass ein Standortmarketing beim Bund konzentriert werde, sei „folgerichtig“. „Am meisten ist den Unternehmen geholfen, wenn die Politik auf Bundesebene Leuchtturmprojekte mit internationaler Sichtweite voranbringt.“
Das „Aus“ bremst auch Zukunftsprojekte
Doch Nezami bedauert, dass die Landesagentur von ihr angestoßene Zukunftsprojekte nicht mehr bis zur Anwendung vorantreiben könne, etwa Quanten-Computing oder Composite-Werkstoffentwicklungen. „Dafür hätte sie einen Auftrag aus der Politik benötigt.“
Leichtbauer nutzen Forschungskontakte
Alle vier KMU haben je auf ihre Weise profitiert von Leichtbau BW. Insbesondere heben sie die aktive Netzwerk-Arbeit hervor, die Kontakte zu anderen Unternehmen und vor allem zu Forschungsinstituten brachte. Teils seien Innovationen so überhaupt erst möglich geworden. Für Rosswag ist auf diese Weise der Kontakt zu einem kanadischen Cluster zustande gekommen, mit dem die Süddeutschen einen speziellen 3D-Druck-fähigen Werkzeugstahl entwickeln konnten. Der gedruckte Werkstoff lässt sich bis auf 64 HRC härten – und macht nun Furore. „Ohne Leichtbau BW wären wir nie auf die Idee gekommen, Partner in Kanada zu suchen“, sagt Sven Donisi.
Leichtbau BW stieß Mittelständler-Projekte an
Jürgen Erhardt hebt hervor, dass der Chef von Leichtbau BW, Dr. Wolfgang Seeliger, auch den nötigen Info-Austausch mit der Politik zu initiieren wusste – ebenso wie Kontakte zu Fördervorhaben oder potenziellen Geschäftspartnern. Über diese Schiene ist Erhardt Fahrzeug+Teile seit September mit DLR, KIT und zwölf weiteren Mittelständler in das Förderprojekt „IntWertL“ involviert. Es steht für „Intelligente Wertschöpfungsnetzwerke für Leichtbaufahrzeuge geringer Stückzahl“. „Etwas bewegen können wir als kleines Unternehmen nur in Netzwerken. Ohne gehen wir unter“, sagt Erhardt. „Solche Strukturen sind nun verloren. Die kann ich nicht selbst aufbauen.“
Leichtbau BW organisierte Nischen-Fortbildung
„Für uns war Leichtbau BW eine gute Plattform. Wir sind auf Messen mitgegangen, hatten einen Partner für die Netzwerk- und die Öffentlichkeitsarbeit. Wir bekamen ehrliche Antworten auf offene Fragen“, erklärt Dominic Lutz. Gaugler&Lutz ist unter anderem Spezialist für das Verarbeiten von Leichtbau-Werkstoffen wie PET- und PVC-Schäume oder Balsaholz. Mit der IHK zusammen konnte Leichtbau BW für diese Nischentätigkeiten sogar eine berufliche Fortbildung organisieren.
Events, Messen und Preise aktivierten KMU
Mission erfüllt? „Leichtbau BW hat die Mission mehr als erfüllt. Diese Arbeit hat alle befruchtet. Es tut sehr weh, dass sie wegfällt“, bekräftigt Dr. Donisi. Tatsächlich legt die Landesagentur auf Anfrage beeindruckende Zahlen vor: Die Website wurde in den vergangenen Jahren 500.000 Mal aufgerufen. Bei 400 Events wurden 30.000 interessierte Fachleute erreicht. Aus dem Technologietransfer-Programm Leichtbau TTP LB des Bundes gingen bisher über 50 Mio. Euro Fördergelder an Akteure aus BaWü. Und mit dem „ThinKing“-Award wurde eine monatliche Auszeichnung etabliert, die Leichtbau-Innovationen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte.
Statement: „Jeder Cent war es wert“
Natürlich kostet das Geld. Die Website des Netzwerks weist acht Köpfe als Mitarbeiter des Teams aus – unter anderem in Teilzeit. Diese und andere Kostenstellen entfallen nun. „Jeder Cent war es wert“, sagt dazu Jürgen Erhardt in seinem Statement. „Da wird an der falschen Stelle gespart“, meint Dominic Lutz von Gaugler&Lutz.
Olaf Stauß, Konradin Industrie
Bild: Tom Oettle
Hiobsbotschaft für den Leichtbau
Mit dem plötzlichen „Aus“ der Leichtbau BW GmbH konnte niemand rechnen. Zu groß war ihr Erfolg. Bevor die Leichtbau-Agentur gegründet wurde, schien das Ländle zu schlafen, heute ist es vornedran. Die noch junge „Initiative Leichtbau“ des Bundes muss dieses Nord-Süd-Gefälle aufholen, keine Frage. Beim Förderprogramm TTP LB hat sie bereits hervorragende Arbeit geleistet. Doch die Praxis- und Firmennähe der Stuttgarter wird sie nicht so schnell erreichen können. Da wäre eine Fusion weitsichtiger gewesen. Energie- und Ressourceneffizienz sollten oberste Priorität haben. Eines ist sicher: Dem Leichtbau hat die grün-schwarze Landesregierung mit ihrem Beschluss keinen Dienst erwiesen.