Inhaltsverzeichnis
1. Analoge Regelungstechnik für Stromversorgungen
2. Digitale Technik schafft neue Möglichkeiten
3. Hybrid oder Volldigital
4. Voltage- oder Current-Mode-Regelung
5. Welche Vorteile bringen digitalisierte Konzepte mit sich?
6. Digital parametrierbare Regelung
7. Ausblick
8. Hintergrund: PoL (Point of Load)
9. Zu den Autoren
Analoge Regelungstechnik für Stromversorgungen
Grundsätzlich ist jede Stromversorgung ein Regler, dessen Eigenschaften in der Entwicklungsphase so ausgelegt werden, dass Störungen möglichst nicht bei der Last ankommen, egal ob Veränderungen der Eingangsgrößen (etwa Spannungsschwankungen) die Ursache dafür sind oder Sprünge in der Stromaufnahme der Last, wenn beispielsweise Zusatzfunktionen zu- oder abgeschaltet werden (etwa ein Lüfter oder eine Festplatte).
Diese Regler sind meist analog aufgebaut; die jeweiligen Eigenschaften werden hardwaremäßig eingestellt, zum Beispiel mittels Kondensatoren und Widerständen. Die Auslegung ist in der Praxis immer ein Kompromiss, weil sich die Eigenschaften teilweise gegenseitig beeinflussen.
Wer jetzt an einen klassischen PID-Regler denkt, liegt nicht grundlegend falsch. Dieses Design wird aber bei Stromversorgung kaum eingesetzt, da das Ermitteln der entsprechenden Koeffizienten recht mühsam ist. Meist wechselt man daher vom Zeit- in den Frequenzbereich und legt die Eigenschaften mittels des Frequenzkennlinienverfahrens aus.
Zentrales Stabilitätskriterium ist dabei die Phasenreserve (phi_R in Bild 1). Um bei realen Schaltungen eine ausreichende Stabilität zu erreichen, sollte diese bei mindestens 45° liegen. Mit steigender Phasenreserve steigt zudem die Dämpfung beim Einschwingvorgang (Bild 1).
Ein zweites Design-Kriterium ist die Regelgeschwindigkeit, beziehungsweise deren Kehrwert, die Durchtrittsfrequenz. Je höher die Regelgeschwindigkeit ist, desto geringer ist die anfängliche Spannungsänderung bei Lastsprüngen am Ausgang beziehungsweise bei Spanungsschwankungen am Eingang.
In vielen Fällen ist die genaue Auslegung der Parameter unkritisch, und eine Stromversorgung „von der Stange“ erfüllt ihren Zweck. In Grenzbereichen aber, beispielsweise bei Lasten mit heftigen Sprüngen im Stromverbrauch, wie sie etwa bei 3D-Grafikkarten oder beim Rendern von Bildern vorkommen, kann der Regler in der Stromversorgung ins Schwingen kommen und ist (kurzzeitig) nicht mehr in der Lage, dem stark schwankenden Strombedarf zu folgen. Im System „ruckelt es“ – und es hängt von der Toleranz der Applikation ab, ob diese weiter läuft oder zum Absturz gebracht wird.
Stromversorgung als Sensorik für die Zustandsüberwachung nutzen
Digitale Technik schafft neue Möglichkeiten
Wenn es mit analoger Technik eng wird, steht schnell die Idee im Raum, die Herausforderung digital zu lösen. Doch auch hier kommt es auf die Details an, weil eine digitale Regelung weder zwingend schneller noch besser sein muss, als ihr analoges Pendant.
Grundsätzlich aber verschiebt sich die Optimierung eines digital parametrierbaren Reglers von der Hardware zur Software. Statt Widerständen und Kondensatoren werden Parameter und Algorithmen verändert. Das löst zumindest die „analogen“ Herausforderungen der Toleranzen, Temperaturdrift und Alterung von Bauteilen.
Für moderne Konzepte ist aber eines von grundlegender Bedeutung: Die Digitalisierung in der Stromversorgung führt dazu, dass dort Wissen über den tatsächlichen Stromverbrauch mit hoher zeitlicher Auflösung in digitalisierter Form vorhanden ist.
Hybrid oder Volldigital
Die Aufgaben der Regelung übernimmt in modernen Stromversorgungskonzepten ein Mikrocontroller (Bild 2). Je nach Schaltungskonzept ergibt sich daraus eine digital konfigurierbare (analoge) Regelung („hybrid“) oder eine vollständig digitale Regelung. Doch auch bei volldigitalen Reglern hat so manche Schutzfunktion in Analogtechnik ihre Kostenvorteile, sprich: Digitaltechnik wird nur da eingesetzt, wo sie technische oder kommerzielle Vorteile mit sich bringt.
Ein Beispiel ist der Schutz gegen Kurzschlüsse, der sich mit einem analogen Komparator vergleichsweise einfach und zuverlässig umsetzen lässt. Die (weniger kritische) Abschaltung der Stromversorgung bei Unter- und Überspannungen hingegen lässt sich leichter auf der Software-Seite realisieren (Bild 3).
Die Basistechnologie für hybride Regelungen (Bild 2) liefert beispielsweise Microchip mit seinem DEPA-Konzept. DEPA steht für „Digitally Enhanced Power Analog“ – also etwa digital unterstützte analoge Leistungselektronik. Diese Mikrocontroller enthalten analoge Regelkreise, Referenzen, Verstärker und PWM-Generatoren, die sich digital konfigurieren, überwachen, messen und anpassen lassen.
Ein anderer interessanter Ansatz, ebenfalls von Microchip, sind die CIP-Mikrocontroller. CIP steht dabei für „Core Independent and Analog Peripherals“ – also etwa analoge sowie vom Rechenkern unabhängige Zusatzfunktionen. Bei diesem Konzept sind Funktionen im Mikrocontroller implementiert, welche keine ständige Interaktion mit dem Rechenkern benötigen. Typische Beispiele sind auch hier analoge Funktionen, sowie Sicherheits- und Überwachungsschaltungen.
Die „digital and intelligent Power Supply Unit“ diPSU von Elec-Con (Bild 4) basiert auf diesen Mikrocontrollern, weshalb das Passauer Unternehmen seine Wandlerfamilie als „hybride Wandler mit digital konfigurierbarer Regelung“ bezeichnet. Perspektivisch ist eine vollständig digitale Regelung auf dieser Basis ebenfalls möglich.
Voltage- oder Current-Mode-Regelung
Bei Stromversorgungen – egal ob analog, hybrid oder volldigital – stellt sich grundsätzlich die Frage, ob auf Spannung (voltage mode) oder auf Strom (current mode) geregelt wird (Bild 5). Allerdings hat die Current-Mode-Regelung bei PoL-Wandlern (siehe Hintergrund) ihre Vorteile, vor allem hinsichtlich der Regeleigenschaften und des Überstromschutzes.
Welche Vorteile bringen digitalisierte Konzepte mit sich?
Digitale konfigurierbare beziehungsweise rein digitale Regelungen sind – wie bereits erwähnt – weniger anfällig für Toleranzen, Alterung und Temperaturgang analoger Bauteile. Zudem folgt ein digitaler Regler nicht den analogen Gesetzmäßigkeiten und ermöglicht damit Auslegungen, die in analoger Schaltungstechnik schlicht nicht oder nur mit erheblichem Aufwand realisierbar sind.
Ein weiterer Vorteil dieser neuen Schaltungskonzepte sind die höhen Wirkungsgrade, die sich durchaus im Bereich zwischen 95 und 98 % bewegen (siehe Bild 6). Grund dafür sind vor allem der geringere Eigenverbrauch der Regelung sowie ein Betrieb näher am regelungstechnischen Optimum.
Digital parametrierbare Regelung
Auch wenn sich die Eigenschaften der Regelung per Software einstellen und optimieren lassen, ist beim Auslegen digital parametrierbarer Stromversorgungen am Anfang der Entwicklungsphase genaues Wissen über das Verhalten und die Bedarfe der Last erforderlich. Daraus werden die Parameter für den Regelalgorithmus abgeleitet. Ein entsprechendes Konzept wurde auf dem Landshuter Symposium Elektronik und Systemintegration Anfang April 2022 vorgestellt [1].
Diese digitale Parametrierung ist dabei nicht so zu verstehen, dass die Eigenschaften dynamisch zur Laufzeit verändert werden. Dies ist in aller Regel auch nicht erforderlich, weil sich die Systemeigenschaften nach der Entwicklungsphase in der Serie nicht mehr wesentlich verändern. Vielmehr geht es darum, die Regelung so auszulegen, dass eine (anspruchsvolle) Last auch bei kritischen Systemzuständen optimal versorgt wird, und es nicht zum „Ruckeln“ oder gar zum Absturz kommt.
Die in der Entwicklungsphase ermittelten Parameter für beziehungsweise die Anpassungen des Regelalgorithmus werden bei der Fertigung der Stromversorgung eingespielt und bleiben dann unverändert – es sei denn, durch ein späteres Systemupgrade sind fundamentale Änderungen in den Regeleigenschaften erforderlich. Diese können dann in aller Regel ohne Änderungen der Hardware der Stromversorgung durchgeführt werden.
Ausblick
Das Wissen zu Stromversorgungen lässt sich übrigens ganz praktisch nutzen, um Betriebsdaten zu ermitteln und zu analysieren. Denn Sensorik ist aufwändig – umso besser also, wenn die Stromversorgung quasi „sensorlos“ Informationen über den Zustand von Antrieben und Systemen liefert. Die Skala reicht von einfacher Verschleißerkennung und der Wartungsplanung über das Aufspüren von Eindringlingen in die IT bis zum Erkennen von Anomalien in der laufenden Fertigung. Viele Chancen also für die Zustandsüberwachung. Über darauf basierende technische Konzepte informiert der Beitrag „Stromversorgung als Sensorik für die Zustandsüberwachung nutzen“. (co)
Mehr zu Stromversorgungen der diPSU-Familie
Literatur
[1] Böhmisch M., Federl A., Sulzinger M., Bauernfeind D., Stromversorgungen mit digital konfigurierbarer Regelung für Embedded-Systeme; Anwendungen / Grundlagen / Ausblick. In: Ivanov A., Bicker M., Patzelt P. (Hrsg.) (2022), Tagungsband zum 3. Symposium Elektronik und Systemintegration, Landshut, ISBN 978–3–9818439–7–2
Hintergrund: PoL (Point of Load)
Die Stromversorgung direkt an der Last ist ein dezentrales Konzept aus dem Maschinen- und Anlagenbau. In aller Regel wird die Niederspannungsebene im Schaltschrank von einem oder mehreren leistungsfähigen Netzteilen zentral versorgt. An dieser Spannungsebene hängen zahllose Sensoren, Aktoren, Schalter und Steuerungen, welche dieses Niederspannungsnetz in Summe so verschmutzen, dass komplexe Steuerungen, Industrie-Rechner oder andere anspruchsvolle Elektronik nicht immer gut damit zurecht kommen, oder deren eigene Stromversorgungen durch eine zu hohe Eingangsspannung oder das Herausfiltern von Oberwellen stark belastet bis überlastet werden.
Um dies zu vermeiden, setzt man schaltungstechnisch direkt vor diese Elektroniken genau auf die Applikation abgestimmte DC/DC-Wandler, welche die richtige Spannungsebene für den Betrieb der Applikation einstellen sowie das lokale Netz stabilisieren und „säubern“.
Zu den Autoren
Markus Böhmisch ist Entwicklungsingenieur bei der Elec-Con technology GmbH und Spezialist für Stromversorgungen mit digital konfigurierbarer Regelung. Den Schwerpunkt seiner Arbeit bilden die Simulation, die Schaltungsentwicklung sowie die EMV-Optimierung des PCB-Layouts.
Andreas Federl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Fakultät Elektro- und Medientechnik der Technischen Hochschule Deggendorf. Er arbeitet hauptsächlich an Stromversorgungen, der Schaltungsentwicklung sowie dem Leiterplattendesign für eingebettete Systeme mit zugehöriger Sensorik. Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit ist die Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich der Elektrotechnik.